Tatsächlich, eigentlich war es sogar sehr untypisch für das dritte Kind seiner Familie, etwas zu vergessen, normalerweise konnte er sich ganze Enzyklopädien in sein Gehirn stopfen, ohne danach auch nur Nebenwirkungen wie plötzlich auftauchende Psychosen zu haben. Naja, um sie dann in wichtigen und schwierigen Situationen wie dieser hier zu vergessen. Nicht einmal bei seiner Genin-Prüfung hatte er auch nur ein kleinstes Problem, das Gelernte auswendig vorzutragen, warum dann hier? Lag es an den ganzen Schlipsträgern, den verschiedenen Clans, daran, dass er gerade noch vermutete, seine Eltern vor sich zu sehen, denen er Jahre lang den artigen Buben vorgegaukelt hatte, oder sah Hisake endlich eine Chance, mal wieder eine warme Mahlzeit zu erhalten, die nicht aus einer Dose stammte und später vielleicht mal in einem richtigen Haus zu leben? Letzteres könnte er derzeit zwar bei seinen Eltern, doch diese würden ihm zur Begrüßung wohl die Ohren bis nach China ziehen, welches trotz des gleichen Kontinentes immer noch weit entfernt war und Schinkenklopfen spielen. Die Frage nach dem Schinken erübrigte sich hier wohl. Jedenfalls, war die Panik nicht ein wenig unbegründet, schließlich hatte er schon fleißig geübt, er wusste doch, wie er sich zu verhalten hatte, Kontakte knüpften sich hier auch sicherlich schon bald und viel von sich preisgeben musste er auch nicht, ging es hier doch höchstens darum, immer freundlich zu lächeln, die Höflichkeitsfloskeln nacheinander abzuhaken und währenddessen ununterbrochen ein Glas in der Hand zu halten, womit dieses gefüllt war, hing natürlich von der entsprechenden Altersgruppe ab. Die meisten Kinder und Jugendlichen tranken Wasser, der Silberhaarige einen Orangensaft.
„Erstaunlich, das man hier Orangensaft zulässt. Ich hätte gedacht, dass Wasser die Grenze wäre, um den Anschein zu wahren, die Kinder kämen bloß nicht zu kurz und würden vor bösem Alkohol geschützt, den ihre Eltern natürlich in Massen konsumieren. Sich da auch noch so viel Mühe zu machen und etwas zu kaufen, dass gar nicht nötig gewesen wäre, verwunderlich. Schließlich wird doch gespart wo es geht, um seinen Konkurrenten in Sachen Geld um wenige Taler vorraus zu sein“
Ja, immer wenn der junge Sakkaku in einer guten Stimmung, also mindestens beruhigt war und nicht gehetzt wurde, durch etwaige Missionsbesprechungen oder hitzige Diskussionen, spielten sich solche Gedankengänge in seinem Kopf ab.. und verdrängten wichtigere Gedanken, zum Beispiel den Grund des Erscheinens. „Ok, halt, ich war hier um... Eindruck zu schinden, Personen kennenzulernen, mir einen guten Ruf einzuspielen, na geht doch, es lag mir schon die ganze Zeit auf der Zunge!.. oder im Gehirn.“, erinnerte er sich endlich an den Grund seines Besuches und lauschte Hebis Worten nun gespannt. Interessant, der Psychopath, der Hisake mal geschlagen hatte, weil er keinen Grund fand, ihn zu schlagen, traute sich tatsächlich nicht, der Öffentlichkeit zu zeigen, was er mit seinen Söhnen machte. Ein neues Wundermittel? Eine neue Möglichkeit, ihn zu erpessen? Nun ja, er wollte es gar nicht ausprobieren, dazu müsste er dem verückten Jounin ja erst einmal begegnen und das wollte er sich nicht unbedingt antun. Die noch relativ kurzen Extremitäten waren ihm nun wirklich zu wichtig, um für ein Treffen mit seinem Vater aufs Spiel gesetzt zu werden. Doch allein schon diese eine Erkenntnis, das sein Vater anscheinend seinen Ruf schützen wollte und versuchte, nach außen hin möglichst gut auszusehen, davon wusste Hisake zu dieser Zeit noch nichts. Weder wusste er davon, wie Lieblingstyrann, wohlgemerkt der einzige, den er kannte, auf Missionen war und wie er sich anderen gegenüber verhielt. Zum Missionsverhalten dachte er sich, dass sein Vater wohl immer eine der führenden Personen gewesen ist, wenn nicht gar immer der Anführer, wenn auch nicht unbedingt der offizielle war, vom Verhätnis zu anderen Personen wusste er gar nichts. Doch sollte es sich als wahr herausstellen, dass Hiroshi auch nur ein kleines bisschien auf seine Umwelt gab, wären dies fantastische Nachrichten, die dem jungen Sakkaku wohl ganz neue Möglichkeiten einbrachten, seinen Vater ein wenig zu ärgern und vielleicht sogar ohne Prügel davonzukommen. Während er sich nun gerade mit Hebi über seine Idee austauschen wollte, kam der wandelnde Haufen Pink plötzlich auf Hisake zu, griff ihm an der Krawatte und näherte sich langsam diesen an. Dieser hatte auch jetzt noch kein Interesse, eher Verwunderung und Fraglosigkeit aufgezeigt. Auch damals zur Akademiezeit waren ihm die Mädchen egal, die ihn stundenlang umgarnten und vollkommen verzaubert anblickten. Pubertät? Das hat noch Zeit!, dachte sich sein Gehirn wohl und ließ ihn immernoch wie ein Kleinkind wirken.
Gerade als er reagieren und sich nach hinten flüchten wollte, offenbarte der Albtraum von einem Mädchen sein wahres Vorhaben: Hisake auf den Boden schubsen! Dieser, so gebrechlich und klein wie er war, fiel natürlich hin, landete direkt auf dem Boden, wurde aufgrund der unglaublichen Qualität des Bodens und der wenigen Personen, die seit dem letzten Putz auf diesem Platz standen nicht einmal dreckig. Ganz im Gegensatz zu seinem Apartment, in dem man nach jedem Sturz voll mit Kakerlaken gewesen war. Zum Glück aller beteiligten hatte Hisake sein Getränk bereits ausgetrunken, das Käsehäppchen verspeißt und so nichts verschüttet. Eine Katastrophe von nahezu unvorstellbarem Ausmaß, wäre so etwas passiert! Doch das war es glücklicherweise nicht, das Ungetüm, dass den kleinen Jungen zu Boden rammte machte sich derweil an Hebi heran, änderte ihr Opfer.... Ziel... Augenmerk schnell und fragte die Person mit silbernen Haaren, was sie, also die Schnoddernase denn hier verloren hätte. Hebi, der Held in Not, hielf Hisake jedoch hoch, er er kannte nunmal die ausgewogene Mischung zwischen rebellischer Coolheit und freundlicher Coolheit, ach egal, das wichtige war nämlich, dass er cool war!
Wieder aufgestanden sagte er „Ja, danke, mir geht’s gut.“, und sah nun zum großen Jungen, der neben sich ein Mädchen hatte, dass die gleiche Haarfarbe wie er hatte. Wahrscheinlich Verwandte, silbergraue Haare gab es schließlich nicht oft. Einem Clan oder einer Organisation konnte er den beiden nicht zuordnen, zu wenig, dass er über sie wusste und viel zu wenige Anhaltspukte, durch die sich neue Fragen stellten, deren Beantwortung noch mehr Fragen zurückließen.
Nach der Begrüßung des Jungen wusste er es jedoch, ein Tantei.. ein Detektiv... so viel wusste Hisake schon, eher wenige Kontakte zu anderen Clans, lag wohl an deren Einstellung außenstehenden Gegenüber. Sie sollten wohl recht abweisend, emotionslos wirken, das hatte er in Erfahrung bringen können, mehr jedoch nicht, denn sie hüteten ihre Geheimnisse sicherlich noch mehr, als es jeder andere Clan tat. Das Mädchen, dass die beiden Sakkakus gerade überfallen hatte hieß wohl Riri, Vorname? Nachname? Er wusste es nicht, doch weitere Anhaltspunkte hatte er nicht und den Vornamen einer Person, gefolgt von einem höflichen San zu nennen, zeigte nicht nur Respekt, sondern auch Nähe. Perfekt, um in das Unterbewusstsein von Menschen einzugreifen, indem man einfach nur darauf achtete, wie man redete und welche Wörter man benutzte. So etwas wusste schon jeder Laie im Gebiet der Manipulation, so konnte man sich auch besser davor schützen. Doch nun fragte der Tantei nach den Namen der beiden Sakkakus, die beiden verrieten nicht sonderlich viel über sich, nichts ließ sie als Angehörige ihres Clans auffallen, von daher wäre es umso erstaunlicher, wenn Sharokku bereits wüsste, wen er vor sich hatte. „Hallo Sharokku-San! Hallo Shashii-San!“, grüßte er zurück und lächelte dabei freundlich, wohl inspiriert von dem Gefühl der Wärme, dass die junge Dame ausstrahlte, „Mein Name ist Sakkaku Hisake und das hier ist Sakkaku Hebi!“, antwortete er für seinen Bruder stellvertretend mit, man konnte ja nie wissen, wann dieser ein halbherziges „Tach“ murmelte und seine Gegenüber nicht einmal eines Blickes würdigte. „Auch dir Hallo, Riri-San!“, grüßte er das Mädchen mit einem Lächeln, dass ihn vorhin auf den Boden warf, während er sich „Zicke“ dachte. „Schöner Abend, nicht wahr?“, fragte er, um eine Konversation zu beginnen, schließlich musste er auch einmal aktiv werden und ein Gespräch einleiten.