Langsam zog Tora ihre langen Beine an den Körper heran und legte die Arme um ihre Schienbeine. Dann legte sie ihr Kinn auf die Knie und blickte über den Hund hinweg zu Yukiko. Das Tier hatte sich mittlerweile hingelegt, da er scheinbar müde geworden war. Wieso war dieser Köter so doof? Er wollte nicht weiter gehen, aber streikte nun, weil er nicht mehr konnte? Sie hatten sich doch gar nicht bewegt, wie konnte er da müde sein?! Tora seufzte leise, ließ den Blick kurz über das Tier schweifen und blickte dann wieder hoch in die braunen Augen des weißhaarigen Mädchens. Neugierig lauschte sie ruhig den Worten des Mädchens und irgendwie fühlte es sich auf einmal an als hätte die kleine Yukiko eine Vase oder etwas vergleichbares auf ihrem Kopf zerschlagen, bildlich gesprochen versteht sich.
Auch wenn Tora aus vielen Gründen, die wir nun nicht alle hier extra aufzählen müssen, von Yukikos folgenden Aussagen irritiert war und dem nur Unverständnis entgegen brachte, verkniff sie sich jeglichen Sarkasmus und blieb auch bei der so neutralen Mimik. Stattdessen wollte sie klare und unmissverständliche Worte sprechen lassen, doch erst einmal ließ sie das Geninmädchen aussprechen. Als sie fertig war, begann Tora ganz gelassen und einfach…
„Das Examen wird höchstens das Bild von denen die du ohnehin nicht traust, nur schlechter machen, denn ich denke nicht, dass sich auf einem solchen Trip irgendwelche positiven und freundliche Dinge austauschen lassen… Ich meine… dort heißt es doch jeder gegen jeden, selbst wenn sich jemand mit dir zusammen schließt, wer weiß wie lang es dauert, bis du einen Dolch im Rücken hast?“ Sie wollte dazu nicht mehr sagen, eigentlich hatte sie bereits alles zu diesem Thema gesagt und widerholen wollte sie nicht noch alles zehnmal. Wenn Yukiko nicht verstand, dann verstand sie dies eben nicht… Nahtlos ging sie weiter zum nächsten Punkt, wo sie nicht anders konnte als einen Moment lang die Augenbraue hoch zu ziehen. „Du meinst also Berufsrisiko ist immer Berufsrisiko, ja? Dir ist bewusst dass Risiken steigerbar sind, oder? Mit einem gewissen Risiko müssen wir alle leben, das sollte einem eigentlich schon bewusst sein, wenn man sich entscheidet auf die Akademie zu gehen, auch wenn die meisten zu der Zeit noch viel zu jung sind… Aber darum geht es nicht. Jeder trägt dieses Risiko mit sich, doch wenn du weißt, dass es so viel stärkere gibt momentan, du selbst in einigen Gebieten noch eine absolute Niete bist, sodass dich sogar Akademieschüler im Sprint überholen können, warum gehst du dann diese große Gefahr ein obwohl du in deinem Alter noch genug Zeit hast zum Reifen? Falls du noch immer denkst der Tod ist in weiter Ferne, erzähle ich dir gern das erste was man mir sagte, als ich Kunoichi werden wollte. Es gibt Verräter, es gibt verschiedene Charaktere, welche ohne mit der Wimper zu zücken dein Leben beenden können oder Leute die sogar einfach Spaß daran haben und nicht immer wird jemand da sein um dich zu schützen. Vielleicht werden es sogar die sein, von denen du denkst dass sie dich beschützen, die dich irgendwann auslöschen, weil du im Weg bist oder Fehler begehst.“ Wer einem Kind so etwas an den Kopf wirft? Natürlich Izaya, Toras Bruder, dieser hatte ein Talent dafür seiner Schwester die reine Wahrheit an den Kopf zu knallen, egal wie schmerzhaft es sein konnte. Das nannte er liebevoll ‚Erziehung‘. Es gibt genau drei wichtige Aspekte für partnerschaftliche Beziehungen: Empathie, Akzeptanz und Echtheit. Izaya hat leider nur drei davon, kein Mensch ist eben perfekt, auch Toras Bruder nicht. Echt ist er, Akzeptant vielleicht sogar noch mehr als echt, aber Empathie scheint in manchen Beziehungen ein Fremdwort zu sein … Zurück zum eigentlichen Thema: Yukikos Ausführungen.
Ja, denn nun kam der lustigste Teil, im Ernst! Yukikos Worte waren doch sehr… Ja man könnte fast meinen… Also… Hätte Tora nicht so gut wie immer denselben Gesichtsausdruck hätte sie wohl ordentlich dick und fett „What the F…“ auf der Stirn stehen. „Hast du das grade wirklich gesagt?“, sagte sie dann doch etwas irritiert und hatte schon passende Fragen auf der Zunge liegen: „Bist du dir da wirklich sicher, dass Respekt, Anerkennung und das dich keiner mehr für ein Kind hält wirklich wesentlich wichtiger ist als Können, Macht, taktisches Denken, Professionalität und wirklich erwachsen werden ist? Entwicklung ist ein lebenslanger und immer fortschreitender Prozess der dich dein Leben lang verändert wird… und dir sind ein Rang und Anerkennung wichtiger… Willst du mir das sagen?“ Tora räusperte sich am Kopf und strich dem Hund über den Rücken. Sie hatte Yukiko eigentlich nicht angreifen wollen, eigentlich wollte sie auch nicht dass das Mädchen nun eingeschnappt, beleidigt oder sonst irgendwas war. Aber das hatte einfach raus gemusst!
Das mit dem großen Bruder wäre wohl eine Ausrede gewesen, mit der sich Tora jedenfalls zufriedener gegeben hätte, als mit dem was das Mädchen zuvor gesagt hatte. Schließlich ging auch für Tora der große Bruder über alles. Auch dass ihr Vater ein Shinobi war, machte Tora etwas neugierig, sie kannte dies ja von ihrer Familie gar nicht. Wenn man so an ihren Vater dachte… ein grenzdebiler Schwachkopf, von Beruf Handwerker, nie zu Hause und hat auch sonst weniger zu melden als seine Frau… Armseeliger Mensch… Wenn man ihre Mutter dagegen hielt, hatte diese wenigstens etwas Substanz, doch war auch diese ein richtiger Idiot, da sie ihr gesamtes Leben in diesem jämmerlichen Shop im Erdgeschoss verbrachte. Dann kam die Frage nach ihrem Bruder… Wie sollte sie dies in Worte fassen? Einfach ehrlich und direkt. Ein leichtes Nicken folgte, ehe sie erklärte: „Ich habe einen großen Bruder, er ist nicht viel älter als ich. Allerdings ist er ein Hikikomori, weswegen er für die Außenwelt, wie er immer so schön sagt, nicht existiert. ... Oh, fast vergessen. Ich habe auch noch so ein kleines Balg an der Backe, er ist acht, aber zeichnet sich jetzt schon nur durch seine Nutzlosigkeit und Naivität aus… “ Ihre Stimme klang dabei erschreckend emotionslos, auch wenn sie zu Beginn etwas gelächelt hatte, als sie von ihrem älteren Bruder gesprochen hatte. Wenn wir einmal bei Familie waren, konnte sie ja noch etwas mehr erzählen und dann das Mädchen danach fragen. Tora hatte nie viel mit anderen Familien zu tun und wollte wissen ob es noch mehr Trottel in Soragakure gab oder ob nur sie mit einer solchen Familie gestraft war. „Schon mal diesen mistigen Lebensmittelladen in der Einkaufspassage gesehen, in dem eine scheißfreundliche arschkriechende Frau arbeitet, die mir relativ ähnlich sieht? Das ist der Laden meiner Familie und meine nichtsnutzige Mutter… Von meinem Vater reden wir gar nicht weiter, er ist nur ein grenzdebiler Handwerker… Ich könnte fast etwas neidisch werden, wenn ich höre, dass so viele andere Kids Eltern haben die Shinobi sind, während meine ihr Leben mit solcher Einfachheit verschwenden… Aber im Endeffekt wären sie sicher zu dämlich oder schwach gewesen um mir was Nützliches beizubringen.“ Tora räusperte sich leise und richtete ihr Haar, während sie mit den Augen rollte. Ihre Familie war wirklich ziemlich peinlich, aber etwas das ausgesprochen werden musste. Zu niemandem hatte sie je so etwas sagen können, denn ihr Bruder fand dies nicht so nett, obwohl sie ja irgendwie Recht hatte oder? Dann blickte sie wieder zu Yukiko und fragte recht einfach: „Und wie stets mit dem Rest deiner Familie? Bist du auch mit solcher Verwandtschaft gestraft?“ Nun… charmant sieht sicher anders aus, aber war dies nicht zu erahnen?