„Ich hatte meine Erwartungen ziemlich hochgeschraubt… aber, wenn ich mir das jetzt so anschaue, scheinen die Leute geflunkert zu haben. Ziemlich enttäuschend“, gab Nibori nüchtern zu, verschränkte seine Arme und seufzte.
„Vor einigen Wochen hatte ich mal bei einem Wettkampf mitgemacht. Da ging’s ordentlich zur Sache. Wenn man schnell Chuunin werden will, muss man sich den Herausforderungen wohl stellen… Und ohne Kampferfahrung wird das nix. Was ist mit dir, bist du schon Chuunin oder noch Genin?“, wollte er wissen, blickte in die friedliche Gegend und erspähte eine junge, dunkelhaarige Frau, die ruhig in ihre Richtung ging.
„Hallo, wen haben wir denn da?“ Der Tsugari blickte verschwörerisch zu Takeo, der allerdings keine so freudige Miene machte. In diesen Moment wurde auch ihm klar, dass sich beide gerade in einer äußerst gefährlichen Situation befanden. Schließlich wusste niemand, was es mit diesem Brief auf sich hatte. Und auch wenn es Niboris Stolz nicht zuließ, es laut auszusprechen, hoffte er, dass sein Kamerad ein Chuunin oder Jonin war, der ihm helfend zur Seite stand, wenn es hart auf hart kam. Niemals hätte der Genin das zugegeben und er hätte vermutlich so getan, als könne er es allein schaffen, wenngleich dieses Verhalten mehr als töricht war, aber sicher war sicher. Im Gegensatz zum Wettkampf war hier kein Schiedsrichter, der eingreifen konnte.
„Scheinbar haben wir aber kein Date zu zweit. Wir essen heute wohl in Gesellschaft“, bemerkte der Wuschelkopf und der Tsugari nickte.
„In hübscher Gesellschaft“, ergänzte er und lächelte. Je näher sie kam, desto mehr gab ihre Kleidung preis. Sie war ein Chuunin, und bevor er es hätte erkennen können, raunte ihn sein Kamerad zu, dass sie eine Sora war. Auch Nibori spürte, dass er sich innerlich anspannte. Sie sah nicht gefährlich aus, machte einen entspannten Eindruck und spielte mit einer Nadel herum, die zwischen ihren Lippen steckte. Er dachte nicht so radikal, wie Takeo, dass das ein Hinterhalt sein könnte, schließlich war er deutlich unerfahrener als er, aber dennoch kam er nicht umhin, seine verschränkten Arme zu lösen und die Hände in der Nähe der Waffentasche zu behalten, falls plötzlich etwas passierte.
„Tag auch. Ich bin Meteki Pakura“, grüßte sie und blieb vor den beiden stehen. Takeo stellte sich mit falschem Nachnamen vor, sollte Nibori das auch machen? Naja, warum nicht, auch wenn ihm schleierhaft war, warum er das tun sollte. Seine Familie war weder bekannt noch berühmt, aber der Vorsicht, die Takeo an den Tag legte, sollte der Hüne sich wohl besser anschließen.
„Bushida Nibori, hallo“, der Mann setzte ein verschmitztes Lächeln auf. Wenn er hübsche Frauen begegnete, konnte er einfach nicht anders. In diesen Moment kam ihm Inuzuka Asami in den Sinn… Vielleicht hielt er sich besser zurück. Offenbar mochten Kunoichi keine charmanten Männer. Er wird nie wieder einer Dame sagen, dass sie süß sei. Das hatte nur schlechte Folgen, wenngleich er es absolut nicht nachvollziehen konnte. Oder… War es für sie übergriffig? Nibori konnte ohne Zweifel von sich behaupten, dass er kein unattraktiver Mann war. Seine Haut- und Haarfarbe und die Körperstatur und –Größe mochten vielleicht sonderbar sein. Doch keines der Merkmale waren irgendwie unpassend. Schönheit lag im Auge des Betrachters, doch es gab auch objektive Merkmale von Schönheit, von denen er gewiss einige Merkmale besaß. Nun, er sollte aus dem Streit mit Asami lernen und sich vor allen gegenüber Kunoichis zurückhaltend verhalten. Vielleicht mussten sie auf ihn zukommen. Innerlich schüttelte er den Kopf: Nein, jetzt an solche Dinge zu denken, war dumm.
„Ja… Hast du den Brief bei dir? Da du offensichtlich aus Sora kommst, wäre es klug, wenn du uns den Brief zeigst“, Nibori holte seinerseits das bereits zerknitterte Papier hervor und hielt es ihr entgegen. Durch die Reise und die veränderten klimatischen Verhältnisse hatte der Brief eine vergilbte Farbe angenommen und die Schrift war ein wenig verblasst. Takeo war nicht der Einzige, der das Rascheln bemerkt hatte. Sofort griff auch der Hüne in seine Waffentasche, versuchte das Geräusch zu lokalisieren. Von Pakura kam es wohl nicht, denn sie hatte nichts an, das rascheln könnte.
„Da, im Gebüsch!“, rief der weiße Riese und hielt sein Kunai bereit. Just im nächsten Moment sprangen zwei Leute heraus. Ein kleiner, pummeliger Mann und ein großer Kerl mit etwas Großem, das er auf der Schulter trug. Eine… Kamera!? Das Adrenalin, das durch seinen Körper geschossen ist, hätte ihn beinahe dazu veranlasst, die Waffe nach ihnen zu werfen. Das hätte übel ausgehen können. Zivilisten, offensichtlich!
„Verdammt, sind Sie denn von allen Sinnen!?“, rief Nibori wütend und packte aggressiv seine Waffe zurück, machte zwei lange Schritte und packte den Pummel-Typen an den Kragen.
„Wa-warte, warte! Stoopp! N-nicht angreifen, wir tun Ihnen nichts!“, rief er panisch.
„Das ist mir auch klar. Wissen Sie eigentlich, was ich beinahe getan hätte?!“, Nibori holte erneut sein Kunai hervor.
„Ich hätte sie damit getroffen und dann wären sie vielleicht tot! Verdammt noch mal, tun Sie das nie wieder!“ Fassungslos, wütend und erleichtert, dass er nicht geworfen hatte, bevor er die beiden Männer als Zivilisten erkannt hätte, ließ er den verängstigten Mann los und ging ein paar Schritte zurück.
„Verzeihung“, mäßigte sich Nibori, schaute kurz abwechselnd zu Pakura und Takeo und blickte die beiden Männer scharf an.
„Ich hoffe, es ist Ihnen eine Lehre, dass sie sich nicht auf neutralem Boden verstecken, wenn Ninjas hier sind.“ Er wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn er einen Zivilisten umgebracht oder schwer verletzt hätte. Nicht auszudenken! Dann konnte er im schlimmsten Fall seine Karriere an den Nagel hängen.
„Was soll diese Filmerei?“, fragte der Tsugari ungehalten und nickte in Richtung Kamera.
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