Natürlich war Mari bewusst, dass es ein großer Vertrauensbeweis von Yuichiro war, ihr dieses sehr intime Geheimnis anzuvertrauen. Und dass er sicherlich viel Mut hatte aufbringen müssen, um sich nicht nur selbst über seine Gefühle klar zu werden, sondern diese auch noch so offen gegenüber einer weiteren Person auszusprechen. Er konnte sich sicher sein, dass seine Worte und das Geständnis bei der Braunhaarigen gut aufgehoben waren. Die Hyuuga war noch nie eine Tratschtante gewesen, zum Glück. Sie konnte Menschen, die Geheimnisse anderer Leute einfach weitererzählten, noch nie leiden. Sie nahm die Aussagen des Takegatama daher zur Kenntnis, merkte sie sich natürlich, wusste aber genauso, dass sie mit niemandem außer mit Yuichiro darüber sprechen würde. Er fand die Idee mit der Wette nicht schlecht? Sehr gut.
„Vielleicht kannst du mir dann ja nochmal erzählen, ob es funktioniert hat. Und worüber ihr gewettet habt“, schloss sie das Thema fürs Erste ab und schmunzelte. Oh und sie wollte natürlich auch wissen, wer die Wette am Ende gewonnen hatte! Aber das war selbstverständlich, oder? Gut, aber jetzt galt es erst einmal wieder zu arbeiten. Die 20-Jährige hatte einen Jugendlichen in der Dunkelheit entdeckt, der mit einem Baseballschläger bewaffnet auf einen der Gärten in der Straße zusteuerte. Mari war sich ziemlich sicher, dass sie es hier mit dem gesuchten Gartenzwergzerstörer zu tun hatten. Sie wartete noch, dass Yuichiro auf ihre Idee mit dem Henge no Jutsu reagierte, stutzte allerdings, als sie zuerst nur eine sich entfernende Bewegung im Augenwinkel wahrnahm. Sie wandte sich zum Schwarzhaarigen um und hob überrascht die Augenbrauen an, als der Kollege sie mit einem gehaltenen Fingerzeichen ungläubig anstarrte. Was war denn jetzt los? Für einen Moment wurde es still zwischen ihnen und Mari kam nicht sofort darauf, dass der Suna-Nin eine Ortungstechnik einsetzte, mit der er die Chakrareserven in anderen Körpern ermitteln konnte. Woher auch? Sie selbst war keine Sensorik-Spezialistin und wusste auch nicht, dass Yuichiro diese Spezialisierung gewählt hatte. Als sich ein paar Augenblicke später jedoch ein breites Grinsen auf die Lippen des Schwarzhaarigen schlich, nahm das deutlich an Anspannung aus der Situation. Sie war der Wahnsinn? Die Hyuuga blinzelte, dann schmunzelte sie und legte den Kopf etwas schief. Sie ahnte zumindest, dass der Takegatama irgendeine Technik eingesetzt hatte, um sich selbst in der Dunkelheit zu orientieren und dabei scheinbar auf irgendetwas in der Kunoichi gestoßen war, das dafür gesorgt hatte, dass er sie einen Moment ungläubig hatte anstarren müssen. Ihre Chakrareserven? Es war ganz ungewohnt für die junge Frau, dass ihre Chakrareserven irgendjemandem so auffielen, was nicht zuletzt daran lag, dass Hei mit seinen Chakramassen eindeutig die Nase vorne hatte und damit auch die Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang auf sich zog. So gesehen war der Hyuuga nicht einmal richtig bewusst gewesen, dass auch sie mittlerweile über Chakramengen verfügte, die für einen Außenstehenden als enorm empfunden werden mussten. Sie selbst hatte zwar schon viele andere Leute durch ihr Byakugan betrachten können, aber natürlich noch nie sich selbst… sie nahm die Äußerung von Yuichiro daher als großes Lob wahr.
„Oh, danke für das Kompliment.“ Ihre Mundwinkel hoben sich sichtlich an. Und er ließ sich auf ihren Plan ein, die Rolle des Horror-Gartenzwergs zu übernehmen! Der Suna-Nin formte ein, zwei Fingerzeichen und eine kurze Rauchwolke später stand ein großer Zombie-Gartenzwerg mit Rissen und Blutflecken auf dem Dach des Hauses und blickte der Hyuuga missmutig entgegen. Mari grinste hinter vorgehaltener Hand, aber die weißen Augen funkelten verdächtig amüsiert.
„Wow. Du hast dich selbst übertroffen, Yui-san“, lobte sie die Verwandlung und sah dem Schwarzhaarigen dann hinterher, der sich bereits auf den Weg machte, um den Jugendlichen mit dem Baseballschläger abzufangen.
Mari wollte natürlich ebenso näher an das Geschehen heran und sprang ihrerseits über die Dächer, sprang am Ende jedoch nicht direkt in den Vorgarten, sondern landete hockend auf einer der großen Straßenlaternen, die den nahegelegenen Wegabschnitt erhellten. Sie überlegte, ob sie Yuichiro noch irgendwie unterstützen könnte. Reichten ihre ziemlich geringen Kenntnisse in Raiton-Techniken aus, um die Straßenlaternen zum Flackern zu bringen?... Nein, wohl nicht. Sie könnte natürlich einfach richtig heftig dagegen schlagen, dann würden die Laternen auch flackern. Mari befürchtete allerdings, dass die Anwohnerinnen und Anwohner das als böse Sachbeschädigung werten würden, was sogar irgendwie richtig war… Hm. Oh! Vielleicht… ihr kam eine Idee, sie formte Fingerzeichen und schwupps, quetschten sich plötzlich noch zwei weitere Maris auf der Laterne
. Jetzt wird es hier ziemlich eng… dachte sich die Chuunin, nickte mit dem letzten bisschen Bewegungsfreiheit ihren Schattendoppelgängern zu, die stumm zurück nickten und dann auch schon von der Laterne verschwanden. Mari atmete durch, als sie sich wieder auf der Laterne ausbreiten konnte. Wohin die Doppelgänger gingen? Na, das blieb erstmal ein Geheimnis.
„Jetzt geht’s euch an den Kragen!“ Der Jugendliche – bei näherer Betrachtung ein etwas dicklicher Junge mit blondem, kurz geschorenem Haar und einer ziemlich breiten Nase im Gesicht – ließ seine weißen Zähne hervorblitzen, als er vor einem der Gärten zum Stehen kam und den Baseballschläger auf seiner Schulter hüpfen ließ. Er entdeckte eine Keramikfigur, die perfekt für einen gezielten Schlag mit der hölzernen Waffe geeignet schien. Einmal mitten ins Gesicht und das Ding zersprang in tausend Teile! Der Junge liebte das Adrenalin, das diese nächtlichen Aktionen in ihm auslöste. Und er konnte herzlich darüber lachen, wenn er mitbekam, wie diese ganzen starren Bewohner dieser ultra langweiligen Straße ernsthaft ein paar dummen Gartenzwergen nachheulten. Und es doch nicht schafften, die in Sicherheit zu bringen! Oder ihn zu erwischen. Wie lange er dieses Spiel noch treiben konnte? Er wollte gerade in den Garten gehen, da vernahm der Junge plötzlich stampfende Geräusche hinter sich. Er zuckte sichtlich zusammen – dann plötzlich doch nicht mehr so mutig oder wie? Hastig drehte sich der blonde Junge um, kniff die Augen zusammen, da er in der Dunkelheit zuerst nicht viel erkennen konnte. Dann, langsam, schälte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit, trat auf ihn zu… und die Augen des Jugendlichen wurden riesig, als er zuerst die Blutflecken sah, die zerrissene Kleidung, den humpelnden Gang… und als würde das nicht reichen, hörte er ein schweres, rasselndes Atmen, das von dieser blutverschmierten Gestalt ausging. Ehrfürchtig hob der Junge den Blick und sah in das Gesicht des… GARTENZWERGS?! Ein riesiger Gartenzwerg! Das musste er sich einbilden. Das gab es nicht! Der Junge trat einen Schritt zurück, versuchte sein rasendes Herz unter Kontrolle zu bringen. Er hob den Baseballschläger an, um für die Abwehr gewappnet zu sein, aber er schaffte es nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Sein Brustkorb hob sich sichtlich an, als er tief Luft holte. Der Zombie-Gartenzwerg kam näher und starrte ihn aus blutunterlaufenden, pechschwarzen Augen an.
„Ich… komme dich holen… so wie du uns geholt hast…“, krächzte der Zombie-Gartenzwerg und streckte die dreckige Hand mit eingerissenen Fingernägeln nach dem blonden Jungen aus. Im ersten Moment sah es so aus, als würde der Junge mit dem Baseballschläger zuschlagen wollen – doch im letzten Moment sackte ihm das Herz in die Hose, Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln und er schrie.
„Lass mich in RUHE!“ Zack, der Junge nahm die Beine in die Hand und raste direkt an dem verwandelten Yui vorbei. Kurz blieb es ruhig, dann würde Yui eine weiteres Kreischen von dem Jungen hören.
„NOCH MEHR?!“ Und ja, tatsächlich wurde dem Jugendlichen der Weg abgeschnitten von einem weiteren Zombie-Gartenzwerg. In Wirklichkeit war das einer von Maris Doppelgängern, der sich mithilfe des Henge no Jutsus verwandelt hatte. Der Jugendliche schlug einen Haken, lief in eine andere Richtung davon. Er kam schlitternd zum Stehen, als auch aus dem nächsten Schatten ein Zombie-Gartenzwerg humpelte und ächzend auf ihn zuhielt. Wie konnte man da noch eins draufsetzen? Oh, natürlich:
„Hiiiiirne!“, krächzte der Mari-Doppelgänger-Zombie-Gartenzwerg und streckte die Hand nach dem Jungen aus. Der weinte mittlerweile vor Angst Rotz und Wasser, ließ den Baseballschläger endgültig auf den Boden fallen.
„M-mamaaaaa“, brüllte er in letzter Verzweiflung und rannte, so schnell ihn seine Beine trugen. Das reichte, oder? Ja, der würde nicht so schnell wiederkommen. Mari hatte das ganze Spektakel von ihrer Position auf der Straßenlaterne beobachtet, lächelte zufrieden und erschien dann einen Wimpernschlag später vor Yuichiro.
„Ich glaub, der wird das so schnell nicht wieder versuchen.“ Sie hob die Hand an, formte ein Fingerzeichen, um ihre Doppelgänger in der Ferne aufzulösen. Kaum waren sie verschwunden, strömten die Erinnerungen und Einblicke, die die Doppelgänger gehabt hatten, in das Gehirn der Hyuuga. Sie sah kurz überrascht drein… und lachte dann schadenfroh.
„Oh man, der hat sich fast in die Hose gemacht.“
@Takegatama Yuichiro