Ja, klar. Taktik. Raku nickte bestätigend, auch wenn er Chinatsu kein Wort glaubte. Komischerweise hatte sie sich bisher nicht als unzuverlässig entpuppt, was den jungen Mann fast ein wenig wunderte - ihre Einstellung war so daneben, dass er wirklich erstaunt darüber war, dass bisher immer alles glatt gegangen war. Es gab doch noch Zeichen und Wunder. Allerdings war ihr Selbstbewusstsein in diesem Zusammenhang zwar gut, aber auch ein wenig übertrieben. So toll war sie doch auch nicht, oder? Jedem das seine, vermutete er und strich sich einmal über sein Gesicht und seufzte leise. "Natürlich, wie könnte er nicht", murmelte er und seine Mundwinkel wirkten so, als wären sie mit einem Lineal nachgezogen. Raku machte sich schon darauf gefasst, Baku hier rauszukaufen, denn die Tusse am Tresen schien überhaupt nicht begeistert darüber zu sein, ihn gehen lassen zu sollen. Aber, oh Wunder - Chinatsu übernahm die Initiative. Vielleicht war es ihr jetztz doch zu doof gewesen, ihn vorzuschicken - vielleicht auch, weil er seinen Job nicht gut machte? Oh man, das war nicht gut. Das konnte er sich nicht leisten - aber ließ die Weißhaarige natürlich trotzdem machen. Er leitete die Mission ja nur auf Geheiß von ihr - so wirklich offiziell war das ja nun auch nicht. Und sie schlug sich ja auch gar nicht so schlecht... was Raku nur in noch tiefere Abgründe stieß, was man ihm aber natürlich nicht ansah. Von außen sah er genauso aus wie immer: Gerade, Wachsgesicht - also im Grunde wie eine gut gemachte Puppe. Als die Sprache auf ihn kam, hob er kurz die Hand und verzog keine Miene. Das war ihm alles höchst unangenehm. Das war weder sein Steckenpferd noch fühlte er sich in solchen Situationen wohl - wäre es nicht viel schöner gewesen, einfach irgendjemanden zu finden, zu jagen oder so? Raku wirkte abwesend, aber Baku und Chinatsu machte das ja auch ohne ihn ganz gut und zermürbten die Dame am Tresen ordentlich.
"Schön und gut", antwortete die Krankenschwester Chinatsu und zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. "Mir ist die Gesundheit meiner Patienten allerdings wichtiger als so ein Auftrag." Sie spitzte die Lippen und sah skeptisch zu Baku. "Er ist schon die ganze Zeit so aufgekratzt. Das ist kein gutes Zeichen... vielleicht sollten wir ihn lieber ein wenig ruhigstellen... Morphium... Cannabis..." Sie kritztelte auf einem Stück Papier herum, stockte dann und sah wieder zu Chinatsu. Offenbar war ihr klar geworden, dass das gerade nicht der Zeitpunkt war, und stemmte eine Hand in die Hüfte. "Ich kann sowas überhaupt gar nicht entscheiden, Kunoichi-san, sonst würde ich ihn dir einfach mitgeben. Der Stationsarzt müsste einen Blick darauf werfen, wenn ich ihn entlassen soll... oder aber ich brauche eine Unterschrift von einem Medic-nin, damit könnte ich dann belegen, dass die Zuständigkeit auf diesen übergeht. Ist jemand von euch zufälligerweise Medic-nin?" Nun, Chinatsu war es ganz sicher nicht, aber Raku schaffte es, sich in diesem Moment wieder zusammenzureißen und trat nach vorne. Das war schon eher sein Ding: Einfach eiskalt den leichtesten Weg nehmen, ob das nun wahr war oder nicht. "Ich bin Medic", antwortete er und trat vor. "Wo muss ich unterschreiben?" Die Schwester sah ihn höchst skeptisch an. "Aha? Und das soll ich glauben?" Sie rümpfte die Nase, dann schob sie ihm ein Formular hin, deutete auf ein Feld. "Dienstbezeichnung, Unterschrift hier bitte. Und denk daran, dass die Strafe hoch ist, wenn du lügst", merkte die Schwester spitz an, aber Raku unterschrieb mit so einer schwunghaften, sauberen Bewegung, dass sie wohl keine Zweifel hatte, dass er das öfter machte. Seine Handschrift war, sei angemerkt, so sauber und schön, dass jahrelange Übung dahinter stecken musste. Das war nicht einfach 'hübsch'. "Gut, damit bin ich von meiner Verantwortung entbunden. Bitte, Kunoichi-san, was auch immer du mit dem Typen vorhast", meinte sie und widmete sich dann wieder demonstrativ ihren Akten.
Baku grinste breit und schlag Raku noch im rausgehen auf die Schulter. "Ein Medic-nin bist du auch noch? Ha, du bist ja doch ein wenig mehr wert als gedacht", meinte er und lachte. Raku verzog keine Miene, warf ihm und Chinatsu, die nebeneinander gingen, einen bösen Blick zu. "Heiri-san, ich hoffe, dass es Ihnen wirklich gut geht. Ich kenne nur die Stellen am Körper eines Menschen, in dem ein Pfeil tödlich wirkt. Der Rest ist nicht mein Metier. Und Medic bin ich schon gar nicht." In diesem Moment fiel die Pforte hinter ihnen ins Schloss und Raku stakste in Richtung der nächsten Kreuzung, drehte sich dann zu Baku um. "Also, wo müsst Ihr die Karawane organisieren?" Baku kratzte sich am Kopf, wand sich dann an Chinatsu. "Der Kerl ist seltsam. Hast du ihm das mal gesagt? Vielleicht sollte man ihm den Stock aus dem Hintern rupfen. Soll ich helfen?" Er grinste leicht und strich sich die blonden Haare aus dem Gesicht. "So, danke für die Rettung. Da drin hält das ja wirklich keiner aus... komm mit, Natsu-chan, ich zeige dir alles. Und auf dem Weg erzähle ich dir alles, was ich weiß." Zufrieden rückte er seine Kleidung zurück, die ähnlich locker war wie die von Chinatsu, nur weniger bauchfrei. "Also, die Übergriffe werden erst in den letzten Wochen wirklich schlimmer, und das jetzt war der schlimmste Angriff bisher, soweit ich weiß. Aber kein Ding, normalerweise sind wir Händler ein wehrhaftes Völkchen. Jetzt aber haben sie tatsächlich sehr agressiv um die Waren gekämpft. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie sich in einer Gesteinsformation in der Wüste aufhalten, halber Weg von hier zum Feuerreich. Bisher hat sich keiner der zivilen Kräfte getraut, einzugreifen. Und ihr habt jetzt die Möglichkeit da aufzuräumen. Klingt klasse, find' ich." Baku grinste und ging noch ein wenig schneller, dass selbst Raku ein wenig Probleme hatte mitzukommen. "Weißt du, wie ihr Unterschlupf heißt?" Bedeutungsschwanger machte er eine Pause, beugte sich dann zu Chinatsu hinunter. "Er heißt... der Hexenkessel beim gemeinen Volk. Dort sind immer wieder gruselige oder grausame Dinge passiert. Immer, wenn sich dort jemand eingerichtet hat, ist Blut geflossen." Kurz wartete er einen Moment ab, um die Reaktion abzuwarten, dann richtete er sich wieder auf. Mittlerweile waren sie in einem Teil der Stadt angekommen wo Raku und Chinatsu bisher nicht gewesen waren - weiter am Rand, aber auch am Eingang von Suna. Die Geschäftigkeit hier war eine andere als im Ameisenhaufen. Professioneller, geordneter, aber doch voller Leben und Leidenschaft. Wagenspuren bewiesen, dass hier täglich viel Verkehr war, und Raku prägte sich alles soweit ein. "Heey! Baku!" Eine Frau, etwas älter als die Anwesenden, kam auf die Gruppe zu, aber ihre Schönheit war unverkennbar. Nur halt unter Dreck und Schmutz versteckt. Raku ließ das vollkommen kalt. "Da bist du ja, du Fuchs. Wie bist du schon wieder aus dem Krankenhaus raus? Ich dachte sie wollen euch tagelang dabehalten... oh, wer's'n das? Shinobi?" "Oh ja, Onee-san, das sind Natsu-chan, eine schöne und begabte Kunoichi, und, äh... Waku oder so. Die wollen zum Hexenkessel und die Räuber unter die Erde bringen, oder?" Baku verschränkte die Arme, und seine Schwester, ebenso blond und gebräunt, tat es ihm gleich. "Hm, das wäre ja mal eine Erleichterung... und jetzt wollt ihr mit der nächsten Karawane mitkommen, richtig?" Äh, was? Raku war überfordert. Zu viele Informationen auf einmal. Also: Wie bitte? Nein, so konnte man das nicht sagen, ja, vielleicht! So, die Antworten waren vom Tisch, auch wenn sie keiner gehört hatte. "Ähm", machte Raku und wurde ignoriert. Baku stand vor ihm und hielt Chinatsu eine Hand hin. "Du bist natürlich herzlich eingeladen. Komm mit in unseren Handelsposten, ich zeig' dir alles. Ein ordentliches Mahl ist sicher auch drin."