"...und dann noch etwas Desinfektionsmittel. Die Wunde verbinden und fertig. Perfekt!" Noch einmal las sich Kimiko die einzelnen Anweisungen auf dem kleinen Zettel durch, auf dem sie sich extra für die Reste einige grundsätzliche Erste Hilfe Maßnahmen notiert hatte. Gerade in Notsituationen, in denen schnell gehandelt werden musste, war es wichtig, sich die fundamentalsten Handgriffe gut eingeprägt zu haben. Mittlerweile hatte die Jonin bereits etwa eine Stunde lang über ihren Aufzeichnungen gebrütet: Sie hatte ein ganzes Kapitel über Schnittwunden und leichte Knochenbrücke durchgearbeitet, und war ihren Notzettel ungefähr fünf Mal durchgegangen. Müde streckte sie ihre Arme nach oben und seufzte zufrieden.
"Solangsam könnte ich wohl mal nachsehen gehen, ob meine Kleinen endlich eingeschlafen sind..." Langsam schob sie sich in ihrem Sessel zurück, stand auf, und war gerade im Begriff, zu der aus Holz und Papier bestehenden Balkontüre zu schlendern, als die Schreibtischlampe, die als einzigses das Zimmer erleuchtet hatte, von selbst ausging. Zurückgelassen in völliger Dunkelheit blieb Kimiko abrupt stehen.
*Was... warum ist die Lampe auf einmal aus? Vielleicht ist ja die Glühbirne durchgebrannt, oder wir haben einen Stromausfall... Tja, selbst reiche Leute können sich vor soetwas wohl nicht schützen.* Vorsichtig setzte Kimiko einen Schritt vor den anderen, um schließlich doch noch die Balkontüre zu erreichen, allerdings stieß sie bei ihrem Weg mit dem Knie gegen einen der harten Bettpfosten.
"Aua! Verdammtes Ding, viel zu groß für dieses Zimmer..." Immer weiter schob sie sich zu der dünnen Wand Richtung Balkon, und als ihre Finger dann endlich Papier berührten, tastete sie sich bis zum Rand der Türe vor. Doch als sie diese locker mit einer Hand öffnen wollte, bewegte sich das Holz nicht einmal einen Zentimeter.
"Was zur..?" Ein paar Mal zerrte Kimiko noch einhändig an der Türe, dann nahm sie die zweite zur Hilfe. Ein Ruck, ein zweiter... und beim dritten sprang die Tür schließlich krachend zur Seite und legte den Weg in die kühle Nacht hinaus frei. Mit ungeduldigem Gesicht trat Kimiko hinaus und betrachtete ihre Umgebung.
"Das wurde aber auch Zeit. Moment... ah ja, das erklärt einiges." Rechts neben ihr auf dem Balkon entdeckte sie einen kleinen, morschen Holzbalken, der wohl zwischen Wand und Tür eingeklemmt gewesen war. Offensichtlich hatte sich da jemand einen kleinen Scherz erlaubt. Seltsamerweise entspannte sich die Jonin beim Anblick des vermodernden Holzes.
"Also nur ein Streich... ach, was soll's, die vier hatten schließlich auch einen harten Tag." Mit einem Schritt stand Kimiko bereits am Rande des Balkons, und einen Sprung später war sie bereits in der dunklen Nacht verschwunden.
"Huch?" Als sie betont leise auf den Balkon zurückkehrte und die Tür ihres Zimmers hinter sich zuzog, entdeckte die Jonin überrascht, dass die Schreibtischlampe wieder hell brannte.
"Seltsam... offenbar lag es doch nicht an der Birne. Ach, wie auch immer, vielleicht auch nur ein Wackelkontakt oder sonst etwas." Mit einem Gähnen durschritt Kimiko den Raum und betrat das kleine Badezimmer, das Teil ihrer Stube war. Sie öffnete den blankoplierten Wasserhahn, wusch kurz Hände und Gesicht ab, und verließ den kleinen Raum wieder, während sie ihre kleine Entdeckungstour überdachte.
Kimiko hatte die riesige Villa einmal vollständig umrandet und hatte sich dabei die meiste Zeit auf den Dächern der anderen Herrenhäuser gehalten. Außer der Tatsache, dass es erschreckend einfach war, als Ninja eines dieser angrenzenden Häuser als Ausguck zu missbrauchen, fiel ihr vor allem die ausgefallene Bauart des Hauses auf: Der Familiensitz der Gôrudo war im klassichen
Pagoden-Baustil errichtet worden, hatte aber insgesamt "nur" vier Stockwerke, das Erdgeschoss miteingerechnet, und verfügte dabei über einen außergewöhnlich großen Durchmesser. Jedes Stockwerk verfügte über einen Zugang zum Balkon, der in jedem Stockwerk an insgesamt vier Seiten über eine etwa ein mal ein Meter große Rettungsluke verfügte, durch die man sicher vom obersten Stockwerk nach unten gelangen konnte. Der Garten des Hauses war von dichtem Gras umgeben und bot mit seinen unzähligen Hecken, Büschen und Bäumen eine perfekte Versteckmöglichkeit für etwaige Eindringlinge. Allerdings überblickte man ihn bereits auf dem Balkon im ersten Stock recht gut, und ein geschultes Auge genügte sicher, um einen normalen Angreifer ausfindig zu machen. Sollten alleridngs geübte Shinobi die Villa angreifen, war das etwas völlig anderes.
"Ach, für heute habe ich mir bereits genug den Kopf über unsere Mission zerbrochen. Heute Nacht wird sicher nichts passieren, und morgen sehen wir weiter." Sie griff sich eines der zwei Bettkissen, warf es auf den Boden, und legte sich schließlich selbst auf den warmen Teppichboden, nachdem sie das Licht auf dem Tisch gelöscht hatte.
"Aaaah, viel besser als dieses sumpfige Bett, und weitaus gesünder noch dazu." Schläfrig verschränkte sie die Arme hinter dem Kopf, als sich wie von Geisterhand der Wasserhahn im Bad selbst aufdrehte und ein leises Plätschern zu hören war. Kimiko, die bereits zur Hälfte im Land der Träume angekommen war, stand ein letztes Mal murrend auf, wankte ins Bad - sogar ohne sich dieses Mal ersnthaft an irgendetwas zu stoßen - und drehte den Hahn zu.
"Hab wohl vergessen, das Ding abzustellen... Wird Zeit, dass ich mich endlich ausruhe." Als sie sich wieder hingelegt hatte, wurde der Hahn erneut geöffnet... doch zu diesem Zeitpunkt war im Zimmer bereits ein leises Schnarchen zu hören.
Ein lautes Hämmern an der Tür riss die Jounin aus dem Schlaf.
"Fräulein Mizuumi! Fräulein Mizuumi!! Wachen sie auf, die Herrin verlangt nach ihnen! Fräulein Mizuumi?!" Die kratzige Stimme der alten Haushälterin klang zwar nur gedämpft durch die Tür, doch schlug sie derartig fest gegen die Tür, das selbst die Toten aufgewacht sein mussten.
"Wie.. Was..? Oh..!" Als Kimiko realisierte, dass jemand an ihre Tür hämmerte, sprang sie hastig auf, klatschte sich im Bad eine eiskalte Ladung Wasser ins Gesicht, und schaute mürrisch in den Spiegel.
"Zerzauste Haare, und meine Kleider sind immernoch schmutzig... Naja, machen wir's wie immer." Unter den Worten
"Henge no Jutsu" verschwand die junge Frau in einer Rauchwolke, und einen Augenblick später öffnete sie gepflegt und mit sauberer Kleidung die Tür.
"Fräulein Mizuumi, Gôrudo-sama verlangt nach ihnen, folgen sie mir bitte!" Mit kurzen, festen Schritten rauschten die beiden Frauen zum Zimmer der Genin.
"Ich habe bereits versucht, ihre Jungen aufzuwecken, doch sie scheinen sich nicht zu regen..." Hämisch lächelnd wandte sich Kimiko der Tür zu.
"Keine Sorge..." Dreimal klopfte sie mit der Faust gegen die Tür und schrie:
"Kommt Jungs! Inuy, Akira, Ryoichi, Koyaku, raus aus den Federn!" Ohne auf eine Antwort zu warten, sammelte Kimiko Chakra in ihrer Hand und schlug ein letztes Mal gegen die Türe... die daraufhin splitternd aus den Angeln flog. Es entsprach zwar nicht gerade den Regeln der Höflichkeit, die ein Gast an den Tag legen musste... doch der Gedanke an die Gesichter ihrer Schüler, wenn sie realis
ierten, dass gerade ihre Tür gesprengt wurde, war einfach zu verführerisch gewesen. "Das dürfte reichen. Bringen sie mich zu Gôrudo-sama, meine Schüler werden uns folgen." Entsetzt blickte die Haushälterin auf die zerstörte Tür, fasste sich jedoch augenblicklich wieder und drehte sich wieder um.
"Selbstverständlich, hier entlang."
Kurze Zeit später erreichten die Frauen ein großes, aus rotem Holz gefertigtes Portal. "Hinter dieser Tür liegt der Thronsaal der Villa. Meine Herrin und ihr Sohn warten bereits, wenn ihr also..." "Einen Moment noch." Zufrieden beobachtete Kimiko ihre vier Schüler dabei, wie sie im selben Moment hastig um die Ecke gelaufen kamen. "Ok, dann mal los." Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat gemeinsam mit den vier Genin in den vollkommen überzogen dekorierten Thronsaal ein: Der Raum war in etwa so groß wie ihre eigene Wohnung, die Wände waren mit kunstvoll bestickten Wandteppichen verziert, und der Boden war mit einem blutroten Teppich ausgelegt. Ein dunklerer Streifen Stoff zog sich direkt von dem Eingang des Saales bis zum vergoldeten Thron, der etwas erhöht stand und auf dem es sich ein
mittelgroßer, blonder Junge gemütlich gemacht hatte. Neben ihm, auf einem etwas kleineren, aber nicht minder "kunstvoll" gestaltetem Sitz, thronte eine
brünette Frau, die beim Anblick der kleinen Gruppe sofort aufsprang.
"Ah, Mizuumi Kimiko und ihre vier Schüler, richtig? Ich bin euch ja so dankbar, dass ihr im Namen Konohas meinen Sohn beschützen werdet!" Die Stimme der Frau hatte einen dunklen, warmen Ton, verriet aber auch, dass ihre Worte nicht viel mehr als eine leere Floskel darstellten.
"Mein Name ist Gôrudo Reika, Gattin des verstorbenen Gôrudo Hideki, und ich bin die Herrin dieses Hauses. Und dieser hübsche Jüngling auf dem Thron...", mit einer ausholenden Geste wies sie auf den blonden Jungen, der sich für das Verhalten seiner Mutter offenbar schämte, immerhin blickte er etwas beschämt zu Boden,
"ist Gôrudo Daichi, zweiter seines Namens, Oberhaupt der Familie und zukünftiger Regent des Dorfes Torêdo." Erführchtig kniete Kimiko vor ihrer Auftraggeberin und dem "Herrscher des Dorfes" nieder, und bedeutete ihren Schülern mit einem Seitenblick, das selbe zu tun.
"Es ist uns allen eine Ehre, euch kennenlernen zu dürfen, Gôrudo-sama. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um den jungen Daichi zu beschützen." Lächelnd stolzierte die Hausherrin die drei Treppen hinunter, die das kleine Thronpodest etwas erhöht stehen ließen, und winkte am Ende ihrem Sohn zu. Mit selbstsocherem Blick passierte sie die kleine Ninjatruppe, die noch immer am Boden kniete, und sagte währenddessen:
"Erhebt euch bitte, und folgt mir. Wir haben heute früh einen Termin auf dem Marktplatz. Dort soll ein offenes Gespräch zwischen uns und diesen Hunden der Shirubâ stattfinden, so wurde es vom Volk gefordert. Leider müssen wir bei dieser Scharade mitspielen, da wir es uns nicht leisten können, den Rückhalt der Bürger zu verlieren... Der Marktplatz ist sehr offen und weitläufig, und ich fürchte, mein Sohn könnte in Gefahr geraten. Ich bitte euch also sehr darum, eure Augen offen zu halten. Die Shirubâ werden sicherlich vor keinem noch so schändlichen Mittel zurückschrecken, um meinem armen kleinen Daichi zu schaden." Hastig stand Kimiko auf und hoffte, ihre Schüler würden sich nicht allzu sehr daneben verhalten. Gemeinsam gingen die Shinobi und die Herren der Gôrudo nach draußen, wo bereits etwa ein dutzend bewaffnete Soldaten in blankpolierten, goldenen Rüstungen warteten. Als Reika an ihnen vorbeischritt, rief einer von ihnen laut:
"Gôrudo-sama, eure Leibwache steht euch frei zur Verfügung!" Doch die Frau ging ungerührt weiter, durchschritt das Tor, und hielt genau auf das Händlerviertel zu, das Inuy und Kimiko selbst am vergangenen Abend hinter sich gelassen hatten. Plötzlich setzten sich die Männer in Bewegung und schwärmten wie die Bienen um die kleine Truppe aus: Zum Schluss waren Kimiko, ihre Schüler, Reika und Daichi von allen Seiten von grimmigen Wächtern eingekesselt. Misstrauisch blickte sie in die Gesichter der Krieger, und betrachtete zum Schluss wieder Gôrudo Reika, die mit erhobenem Haupt voranschritt.
*Also Selbstsicherheit hat diese Frau wirklich genug... Die Idee jedoch, mit dieser ganzen Schar hier auf den Marktplatz zu schlendern, gefällt mir ganz und gar nicht...*