Der Ameisenhaufen von Sunagakure… aha, aha. Chinatsu dachte kurz nach, kam jedoch relativ schnell zum Schluss: Noch nie gehört. Naja, war auch egal, solange Raku wusste, wohin sie gehen mussten. Daher folgte das Mädchen ihrem Teamkollegen auf die gleiche Art und Weise, wie schon zu Beginn dieses Auftrages und dachte auf dem Weg hauptsächlich über das heiße Wetter nach, das weiterhin erbarmungslos vom Himmel herabkam. Wann das wohl besser wurde? Die Hasekura meinte zu wissen, dass die Nacht in Sunagakure sogar ziemlich kalt war (Kenshins Vortrag sei Dank), aber von einer kühleren Brise war bisher noch Nichts zu spüren. Als die Genin die feste Straße verließen und Chinatsu treffsicher im ersten Straßenloch hängen blieb und beinahe auf die Nase gefallen wäre, wurde die Konzentration wieder auf den eigentlichen Auftrag gelenkt. Professionalität, bitte!
„Ui. So hohe Häuser hab ich echt noch nie gesehen!“, kommentierte Chinatsu mit ihrer klaren Stimme, legte den Kopf weit in den Nacken und sah die Hochhäuser an, die sich zur linken und rechten Seite auftürmten. Natürlich waren das nicht alle Gebäude, vor den Genin erstreckten sich noch viel mehr gigantische Bauten, manche so hoch, dass die Hasekura die Standfestigkeit bezweifelte. Aber was hatte sie schon Ahnung von Architektur… Das Stimmengewirr unzähliger Menschen drang an die Ohren der Kunoichi und je näher sie dem Zentrum des Armenviertels kamen, desto voller wurden die Straßen. Das war wirklich kein Vergleich zu dem Viertel, aus dem Naoko stammte. „Hier ist ja richtig was los! Das gefällt mir viel mehr als das Viertel von eben!“ Vielleicht, weil Chinatsu selbst in weniger gut betuchten Gegenden großgeworden war? Menschenmassen waren für sie immer noch eine Normalität, wenngleich sie bereits einige Jahre in Shirogakure lebte. Sie lächelte, legte eine Hand ans Kinn. „Ach, so schwer wird das schon nicht. Wir können ja nachfragen, ob jemand Saburo kennt! Oder das Gewächshaus.“ Die gelben Äuglein blickten zur Seite, erwarteten eine Antwort von Raku – doch der starrte relativ bewegungslos vor sich hin. Die Hasekura blinzelte, wedelte dann mit der Handfläche vor den Augen des Kollegen herum. Das, was sie bekam, war ein überraschtes Nicken, gefolgt von kurzer Zustimmung zum Plan. Hm, der Manako war zwar bereits den gesamten Auftrag über nicht besonders gesprächig gewesen, aber das war nochmal eine Steigerung. Was war denn mit dem los? „Naaaa gut. Dann lass uns mal loslegen, bis zur Hochzeit ist es immerhin nicht mehr lang!“ Wie gut, dass Chinatsu sich auch ganz gut mit sich selbst unterhalten konnte. Und damit begann die Sucherei – die 16-Jährige begann mit der ersten Person, der ihr auf der Straße entgegenkam und stellte von da an immer die gleichen Fragen: „Kennen Sie einen Saburo? Und gibt es hier ein Gewächshaus?“ Die Frage mit dem Gewächshaus klärte sich schnell: Es gab nur ein einziges, großes Gewächshaus in ganz Sunagakure, das allerdings nicht in Arizuka zu finden war. Die geniale Idee, das Gewächshaus aufzusuchen, um Saburo zu finden, wurde allerdings sehr schnell zunichtegemacht: Das Gewächshaus war nur wenige Wochen im Jahr für Zivilisten zugänglich, in einer Zeit, in der vielerlei Blumen dort blühten. Das restliche Jahr über durften nur Ninja aus Suna das Gewächshaus betreten, da dort sämtliche Kräuter angebaut wurden, die insbesondere die Mediziner des Dorfes benötigten. Und natürlich hatte die Besuchszeit für Zivilisten bereits vor ein paar Wochen geendet. „Im Gewächshaus haben sie sich wahrscheinlich kennengelernt, aber jetzt treffen sie sich da wohl nicht mehr“, fasste Chinatsu schließlich recht nüchtern zusammen – tatsächlich ging die 16-Jährige im Moment mit einer gewissen Ernsthaftigkeit an die Sache heran. Vielleicht hatte die Herausforderung, in diesem Ameisenhaufen Naoko oder Saburo zu finden, ja ihren Ehrgeiz geweckt? Also blieb ihnen als letzte Möglichkeit nur noch, nach dem Namen ’Saburo’ zu fragen. Bewohner um Bewohner wurde abgeklappert, Alte und Junge, Breite und Dünne, Große und Kleine, Männchen und Weibchen… Chinatsu zeigte eine ziemliche Ausdauer, so offen wie sie immer wieder auf die Menschen zuging, ganz gleich, wie oft sie bereits mit einem schnellen Kopfschütteln oder gar einem bösen Blick abserviert worden war. Manche fragten nach dem Nachnamen von Saburo, doch leider kannten die Genin diesen nicht… und eine Aussehensbeschreibung fehlte ihnen ebenso. Je mehr die Hasekura fragte, desto deutlicher wurde es, dass ihnen essenzielle Informationen fehlten, um weiterzukommen. Ob sie in dem Zimmer von Naoko eventuell noch mehr hätten finden können?
Chinatsu atmete schwer aus, als der alte Mann, den sie gerade nach Saburo gefragt hatte, mit den Schultern zuckte, den Kopf schüttelte und Seines Weges ging. Chinatsu hatte schon lange aufgehört, mitzuzählen. Allmählich hatte sie das Gefühl, bereits das gesamte Viertel nach Saburo ausgefragt zu haben. „Hm. Na gut, dann weiter!“, spornte sie mit einem überzeugten Nicken nicht nur sich selbst, sondern auch Raku an, der sich die gesamte Suche über im Hintergrund gehalten hatte. Umso überraschter war Chinatsu, als sie das erste Mal seit Ankunft in Arizuka selbst angesprochen wurde. Eine junge Frau mit schwarzen Haaren und ebenso schwarzen Augen näherte sich den Genin, hob eine Hand an. „Entschuldigt bitte. Hab ich das richtig gehört? Ihr fragt nach einem Saburo?“ Konnte es sein? Konnte es sein, dass sie endlich jemanden gefunden hatten, der Saburo kannte? Die gelben Augen der weißhaarigen Kunoichi wurden groß und strahlten, es gab Aussicht auf Erfolg! „Ja, den suchen wir! Kennen sie Saburo?!“ Chinatsu ging einen großen Schritt auf die Fremde zu, die stolperte einen Schritt zurück, schüttelte dann den Kopf. „Nein, leider nicht…“ Die Hasekura hielt inne und das Strahlen, das sich in ihre Augen gelegt hatte, ebbte ab. „Oh…“ Kurz herrschte Stille. „Aber ich wurde heute schon einmal gefragt, ob ich einen Saburo kenne. Eine junge Frau mit braunen Haaren, einer Brille und dunkler Haut. Es ist noch nicht lange her, vielleicht vor zwei Stunden. Sie ist genauso hier herumgelaufen wie ihr und hat jeden gefragt, den sie gefunden hat…“ Eine junge Frau, braune Haare, Brille, dunkle Haut? Könnte es sein… Der Elan von Chinatsu kehrte zurück. „Wissen Sie, wer das war? Wohin ist sie gegangen? Können sie sie noch weiter beschreiben?“ Die Worte sprudelten nur so aus der 16-Jährigen heraus, sodass die fremde Frau ein bisschen eingeschüchtert wirkte. Sie sah unsicher zur Seite weg. „Ähm.. nein, ich weiß nicht, wer es war. Ich habe sie hier noch nie gesehen…“ Die ältere Frau schien kurz abzuwägen, ob sie den Genin sagen sollte, was sie wissen wollten oder nicht. Zum Glück entschied sie sich, ihnen zu helfen. Vielleicht sahen Raku und Chinatsu zusammen doch ganz vertrauenswürdig aus? „Soweit ich das gesehen habe, ist sie die Straße weitergegangen. Allerdings sind die Wege hier teilweise sehr verwinkelt, also mittlerweile könnte sie auch schon ganz woanders sein. Und beschreiben, naja…“ Die Schwarzhaarige versuchte sich zu erinnern. „Ehrlich gesagt ist mir sofort aufgefallen, dass sie Markenkleidung trug. Also… ich meine wirklich teure Markenkleidung. Wisst ihr, ich kenne mich damit ein bisschen aus.“ Die Frau lächelte. Naja, sie war mit Sicherheit nicht die einzige Frau, die sich mit Mode auskannte. „Sie trug ein hellblaues Kleid und weiße Riemchensandalen. Um ehrlich zu sein, hoffe ich, dass ihr nichts passiert ist. Wenn man so nach Geld aussieht wie diese junge Frau, kann man hier schnell mal ins Visier von ein paar Kleinkriminellen geraten.“