„Ryoushi no Tsuuku (Des Jägermanns Leid).“ Bei diesen Worten zuckte Yuzuki leicht zusammen. Unbewusst hatte sie dieses Lied gewählt, eines, das sie immer in Erinnerung rief, wenn sie an die Toten gedenkt – und vor deren Geistern flüchtete. Oder die Geister beschwichtigen wollte, wenn sich diese – so wie jetzt – unweit von der Jugendlichen irgendwo niedergelassen hatten und auf den richtigen Zeitpunkt warteten. Dass Sharokku und Yuzuki getrennte Wege gingen oder so. Mit klopfendem Herzen schloss Yuzuki die Augen, atmete einmal tief durch und öffnete sie wieder. Die Treppe war bereits komplett sauber, die lästigen Pflänzchen müssten nur noch im Kompost entsorgt werden.
„Kann man ihn wirklich schuldig nennen, wo es nur ein Unfall war? Ja, er hätte besser aufpassen sollen, aber deswegen sich von Geistern verfolgt zu sehen… Ist er schuldig, weil er sich schuldig fühlt oder fühlt er sich schuldig, weil er Schuld hat?“, sprach Sharokku, während Yuzuki ihm mit steigender Nervosität zuhörte. Shin saß unweit von ihr im Schatten eines Busches, wobei seine Augen nicht zu erkennen waren und seine Lippen einen schmalen Strich bildeten. Skeptisch warf das junge Mädchen einen Seitenblick in die Richtung ihres Kollegen. Philosophierte er etwa gern? Seinem Gesichtsausdruck zufolge schon… Gerade, als die Hinketsu ihr Misstrauen unterdrücken wollte, sagte der Tantei etwas, was sie ungemein stutzig machte. „Aber dass man Stimmen in seinen Kopf hört, welche dir noch Sachen einreden… Ach, es ist ein Lied, also ist es in Ordnung, dass es etwas weit hergeholt ist.“ Egal, was Yuzuki auch gehört hatte… Wenn Sharokku solche Reden und Mutmaßungen schwingen konnte, dann konnte er kein fauler Taugenichts sein… Zudem war da noch sein ungebändigtes Wissen über die Flora…
Die ganze Zeit über hatte Yuzuki nichts gesagt, nur das Lächeln, welches ihr Gesicht pries, war beinahe verschwunden. Ihr Blick war ernst, die Worte steckten ihr wie ein Kloß im Hals, weswegen sie sich erst einmal die Mauer vornahm, die ebenfalls von Unkraut überwuchert war. Derweil war Sharokku mit dem Beet so gut wie komplett fertig, hier und da hatte Yuzuki das eine oder andere Gewächs herausgerissen, aber schließlich blieben nur noch die Hecken und der Laub auf den Wiesen übrig.
Die gesamte Zeit über, es kam der Hinketsu wie eine halbe Ewigkeit vor, hatte sie nach einer Antwort gesucht und sich danach entschlossen, was sie ihrem Kollegen antworten konnte. Die beiden Genin kannten sich nicht lange, gerade einmal einige Stunden, aber wenn Sharokku schon ein tiefsinniges Gespräch anfing, warum dann nicht auch kurz darauf eingehen?
„Hm, ich muss sagen, die Gerüchte über dich… naja. Vergessen wir das mal.“ Entweder hast du gut kombiniert oder du hast vorher Informationen über mich gesammelt. Oder beides. Bist ja ein Tantei. „Mir fällt es schwer, darüber zu sprechen…“, begann Yuzuki mit einem schwachen Lächeln, wobei sie nur einen Mundwinkel leicht gehoben hatte, doch Freude konnte man ihrer Miene sicherlich nicht herauslesen. Wohl eher die Härte, die während ihrer kleinen Anekdote in ihrem Blick zunahm. „Ich hatte mal einen Freund, der mir in den Armen gestorben ist. Wenn mein Clan nicht so auf Mediziner herabsehen würde, dann… naja. Vielleicht hätte ich ihn dann retten können.“ Ihre blassen zarten Hände ballten sich zu Fäusten, bis die noch blasseren Knöchel hervortraten, während ihr Blick nach einer Heckenschere suchte. Erneut musterte sie Sharokku skeptisch. Was, wenn es doch keine tiefere Bedeutung hatte? Irgendwie war ihr das zuwider. Nein, Sharokku konnte einfach nicht so dumm sein, wie er sich vielleicht gab. Aber er hatte praktisch schon herausgefunden, dass sie unter Verfolgungswahn litt und… Ja, und nun? Vielleicht… Vielleicht wollte er sie in den Ruin schicken, ja, so musste es sein!
Mit zusammen gezogenen Augenbrauen schnappte sich Yuzuki sich die Heckenschere, nachdem sie und ihr Kollege die Beete auf Vordermann gebracht hatten. Es wartete nicht mehr allzu viel Arbeit auf die beiden. Bevor sich die beiden Genin an die Hecke machten, murmelte Yuzuki etwas, fast nur zu sich selbst, aber teilweise auch, um Shin, der ihr im Nacken saß, zu beschwichtigen. Etwas, das eine Idee war oder auch nur der Funken von Ansporn…