Einerseits war Hei ein kleines bisschen zufrieden, dass seine Vorschläge so gut angekommen waren - andererseits aber fürchtete er, Mura könnte diesen Umstand als einen Angriff auf sich als stellvertretenden Anführer werten. Glücklicherweise schien der Blonde zwar nicht besonders glücklich, dafür aber nicht unbedingt gegen die Ratschläge des Tatsumaki. Letztendlich war alles, was Hei gemacht hatte, eine Formation vorzuschlagen und die Taktik, die sie benötigen würden, um sich angemessen verteidigen zu können - im Grunde war diese 'Taktik' ein vertrauen darauf, dass Akane und Mura Feinde schnell genug bemerken würden - und dass der Suna-nin und Shika in der Lage wären, sich selbst zu verteidigen. Hei war sich sicher, Ren in Schach halten zu können, und im Prinzip zweifelte er auch nicht, das Mai von Akane beschäftigt werden konnte. Notfalls würde sie auch mit beiden fertig werden - allerdings bleib dann noch die Tierfrau, die zusammen mit ihrem Haustier gleich wie Zwei zählte - ein Umstand, den man mitnichten als glücklichen Zufall bezeichnen konnte, und der junge Suna-nin vermutete, dass sich das auch noch zeigen würde. Aber der Tatsumaki war sich genauso wie seine Teammitglieder bewusst, dass das hier nur eine leichte Übung, ein schwaches Abbild dessen war, was einen wirklichen Kampf ausmachen würde - ein Kampf auf Leben und Tod war etwas anderes als ein kleines Trainingsmanöver. Deshalb würde Hei, so entschloss sich der junge Mann, auch in dieser Übung sein bescheidenes Bestes geben. Als sie also schließlich, die Rucksäcke geschultert, losgingen, war eine gewisse Form in ihrem Zug zu erkennen, was den jungen Shinobi durchaus selbstbewusst stimmte. Immerhin würde es jetzt nicht ganz einfach sein, sie anzugreifen, jedenfalls nicht, wenn Akane ihr Versprechen einhielt und die Umgebung im Auge behielt – anscheinend hatte sie ja eine besondere Fertigkeit, was das anging. Shika und Hei reihten sich in der Mitte ein, während Mura vorausging und sich sorgsam umsah. Die paar Regentropfen machten das Ganze auch nicht besser, denn es war kalt und nass und ließ in einem das Bedürfnis nach einem warmen Feuer aufkeimen, anstatt hier darauf zu warten, angegriffen zu werden.
Dann allerdings ging es alles schneller, als Hei erwartet hatte. Bevor er reagieren konnte – Akane hatte anscheinend doch nicht so gut aufgepasst, wie sie gesagt hatte, oder war nicht in der Lage gewesen, die Warnung früh genug weiterzugeben – waren die Angreifer heran und verwickelten das verteidigende Team in einen schnellen Schlagabtausch. Plötzlich war das blauhaarige Mädchen mitten in ihrer Mitte, paralysierte Shika und stibitzte ihr die Holzstücke einfach direkt vom Rücken weg. Die Nara sah nicht unbedingt begeistert aus, konnte aber auch nicht viel anstellen, denn mittlerweile herrschte heilloses Durcheinander, in dem Hei mit Lya rang, die ihn genauso einfach wie schnell überwältigen konnte, in einem Chaos, in dem er überhaupt keine Zeit hatte, ein Jutsu anzuwenden, in dem Akane sich Rens Feuerbällen erwehren musste und… dann war es schon vorbei. Hei hatte Mura noch eine Warnung zugerufen, als das Hundsmädchen auf ihn zusprang, was bewirkt hatte, dass er dem ungestümen Angriff hatte ausweichen können – dann waren die Gegner wieder im Dickicht verschwunden. Hei holte tief Luft, atmete ein paar Mal tief ein und richtete sich wieder zu voller Größe auf. Akane, Shika, Mura, er. Alle waren noch da, und offensichtlich hatten sie es geschafft, alle anderen Holzstücke zu verteidigen. Etwas entmutigt war Hei allerdings schon – die Theorie war wieder einmal besser gewesen als die Praxis. Aufgemuntert wurde er, was ihn zugegebenermaßen ein wenig überraschte, von Mura, der ihm und Shika ermutigend zulächelte und ihnen bedeutete, nächstes Mal zu zeigen, was sie ‚drauf‘ hätten. Nun, das Problem an der Sache war, dass Hei wie Shika wohl nicht so viel Fähigkeiten hatten, wie sie es gerne gehabt hätten. Aber Hei realisierte kurz darauf, dass Shika mit ihren Schattenkünsten durchaus das kleine Gewicht sein konnte, dass die Waage in die Richtung der Verteidiger kippen lassen könnte. Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht, dann aber nahm er wieder eine konzentriertere Haltung ein, als plötzlich das blauhaarige Mädchen ganz alleine auf dem Weg erschien. Selbst für Hei war es ersichtlich, dass es eine Falle war oder zumindest eine Täuschung – der leise Hinweis von Akane bestätigte seine Vermutung. Mura hatte es wohl so oder so gewusst, weshalb er sich wieder ein Stück zurückzog, und auch Akane rückte ein wenig weiter vor, sodass ihre Formation enger wurde. Die Hiragana war anscheinend immer noch ein wenig unwillig, was die Übung anging, aber immerhin war sie nun kooperativ – und Hei war nicht unglücklich darüber, sie in ihrem Team zu haben. So leise wie möglich teilte das Mädchen ihnen die ungefähre Positionen von Mai wie den anderen Mitgliedern mit, konnte es mit sogar mit einer beeindruckenden Genauigkeit zu wissen, die in Hei die Neugierde um das Geheimnis der jungen Frau wieder einmal weckte. Aber dazu sollte er sie wohl lieber später ausfragen – wenn überhaupt. Der gesprächigste Typ schien sie ja wirklich nicht zu sein.
Der kleine Zug der Verteidiger kam kurz zum Stehen. Wenn sie weitergingen, würden sie unweigerlich in die ‚Falle‘ von Mai laufen – allerdings wissentlich und gewappnet. Längeres Stehenbleiben kam aber auch nicht in Frage – das würde den gesamten Sinn der Aufgabe zunichtemachen. Eine simulierte ‚Karawane‘ hielt nicht einfach auf ihrem Weg an, denn dann würde sie komplett aus ihrer Rolle fallen, was einer Niederlage des verteidigenden Teams gleichkam. Gleichzeitig konnte die Gruppe um Mura auch nicht zu einem Gegenschlag ausholen, weil Bewacher von einem oder mehreren Objekten sich nicht einfach verstreuen konnten, wie sie wollten. Eine verzwickte Situation, befand Hei und warf Akane noch einen kurzen Blick zu, und sie deutete unauffällig noch einmal in die Richtung, in der sich Mai versteckte. Er nickte, und auch Mura und Shika hatten offensichtlich verstanden. Kurz schloss Hei zu Mura auf, beratschlagte sich kurz um eine mögliche Formation, die sie verwenden konnten. Schließlich kamen sie zu dem Schluss, dass es am besten war, wenn sich Hei um Ren, Shika und Akane um Lya plus Hund und Mura um Mai kümmern würde. So war gewährleistet, dass die Kräfte ausgewogen waren, auch wenn die Front Akane/Shika gegen Lya wohl am leichtesten zurückzuschlagen war. Zwar zweifelte Hei nicht an den Fähigkeiten des Tiermädchens, aber gegen die Schattenspiele der Nara war noch niemand unvorbereitet angekommen – vor allen Dingen, wenn man nicht wusste, worauf man sich einließ. Als sie schließlich alle verinnerlicht hatten, wie die bevorzugte Kampfformation sein sollte, beschleunigten sie ihre Schritte wieder und liefen unbeirrt auf die falsche Mai zu, allerdings ohne etwas zu unternehmen. Kurze Zeit später schnappte die ‚Falle‘ zu, wieder mit einer ähnlichen Taktik wie beim ersten Mal – die Angreifer versuchten, die Verteidiger mit Geschwindigkeit zu überrumpeln, sie mit starken Angriffen in Schach zu halten, aber dieses Mal war eine Sache anders: Sie alle wussten, wem sie sich widmen mussten. Hei formte ein Fingerzeichen und feuerte einen Feuerball in die Richtung ab, aus der er im nächsten Moment den gleichen Angriff erwartete – und genau das passierte auch. Ren musste bereits ein wenig erschöpft sein, denn die beiden Geschosse trafen aufeinander und zerplatzten, ohne wirklichen Schaden zu verursachen. Mai versuchte, in ihre Reihen einzudringen, wurde dieses Mal allerdings effektiv von Mura abgehalten, der genau wusste, woher die Echte kam, was ihm sicherlich einige Sicherheit gab. Lya und Lya griffen von der anderen Seite an und sahen sich Shika und Akane gegenüber, die anscheinend genau gewusst hatten wo, wie und warum, was den ganzen Angriff des Hinterhaltes ins Stocken brachte. Konzentriert formte Hei noch einige weitere Fingerzeichen, überließ seine Rückendeckung komplett seinen Kameraden, während er sich den Angriffen Rens widmete und einen nach dem anderen zerschlug. Offensichtlich merkte das Mädchen, dass sie so nicht weiterkam und hörte auf, Chakra zu verschwenden – Hei hingegen nutzte diese kurze Verschnaufpause dazu, Mura unter die Arme zu greifen, gegen die flinke Blauhaarige vorzugehen, welche allerdings zu schnell für den Tatsumaki war. Sie war nur ein Stück an dem Blonden vorbei gewesen, doch das reichte ihr um, schneller als Hei reagieren konnte, hinter ihn zu kommen und auch ihm einen seiner Holzstücke zu klauen. Ärgerlich fuhr er herum, wollte ein Jutsu benutzen, kam aber nicht dazu. Das Mädchen huschte an ihm vorbei, und in diesem Moment zogen sich auch die gesamte Gruppe der Angreifer zurück und ließ eine leicht erschöpfte, aber auch einigermaßen zufriedene Gruppe an Verteidigern zurück. Akane und Shika hatten Lya mehr als nur im Schach halten können, erkannte Hei als er sich umdrehte. Nun waren es also summa summarum also zwei Mitglieder der Verteidiger, die ihre Scheite verloren hatten – Hei und Shika, was eigentlich auch logisch gewesen war. Mura und Akane hatten ihre beiden Rücksäcke sehr viel effektiver beschützt und somit auch noch recht unberührt. Seufzend strich sich der Tatsumaki die Haare aus dem Gesicht, hoffte, dass ihm niemand einen Vorwurf wegen seiner Unfähigkeit machte, aber Mura war im Grunde zufrieden. Jedenfalls schien es so – und die Verteidiger setzten ihren Weg fort, sich weiterhin darauf verlassend, dass Akane wusste, wann und wo ein Angriff stattfinden würde.
Das Ende der Übung war dann noch zwei Angriffe später gekommen, als die meisten der Teilnehmer erschöpft genug waren, um es einen vernünftigen Trainingstag zu nennen. Nach den ersten beiden Hinterhalten hatten die Verteidiger kein Stück Holz mehr verloren, was sicherlich dafür sprach, dass sich die Teamarbeit wenigstens in einem gewissen Rahmen verbessert hatte, aber es wurmte Hei, dass er seine Scheite verloren hatte. Sein Drang danach, seine Aufgaben vernünftig zu erledigen, meldete sich wieder einmal – er drückte diesen Drang mit einem Seufzen zurück, als sie die Übung durch das stille Einverständnis von Mura und Mai beendet wurde und die Gruppe zu dem Außenposten zurückkehrte. Irgendwie war es ruhig. Zu ruhig. Zwar genoss Hei Stille generell, aber bei so vielen Leuten war es seltsam, wenn niemand sprach. Außerdem… was machte Kayros? Wo blieb der Gruppenführer? Kopfschüttelnd erkannte der Wüstensohn, dass er nichts anderes tun konnte, als warten – warten, bis ihm Anweisungen gegeben wurden. Er war nicht der Anführer der Gruppe, Mura war es stellvertretenderweise für Kayros, welcher immer noch fort war. Warten, warten…