Tochiba Mushiro
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Story of Silvester - Like a Shinobi! (~ 7,5 k)
Das Zusammenleben vieler Menschen führt schon immer zu verschiedenen Effekten. Währungen, zum Beispiel. Moralvorstellungen. Ein gewisser Leistungsdruck, aber gleichzeitig auch große Möglichkeiten. Eines der wohl schönsten Dinge, die die Gesellschaft den Menschen gebracht hat, sind wohl Feiertage. In hoher Zahl und großer Variation sind sie vorhanden und erfreuen jene, die sie feiern. Natürlich hat jeder Tag seine eigenen Liebhaber; manche genießen es, zum Frühlingsanfang ihre weiblichen Freunde unter Kirschbäumen sitzen zu sehen in wenig feierlicher und eher offener Kleidung, genießen diese Zeit im Jahr, die für die Liebe stehen soll und unter fallenden Kirschblüten auch mit einer romantischen Atmosphäre hervorzustechen weiß. Andere widerum erfreuen sich am Tag des Meeres, sehen den Wasserspielen und Vorstellungen zu, um sich und ihren Katzen mit einem traditionellen Fisch-Festmahl einen schönen Abend zu bereiten, der in eine durchtanzte Nacht übergehen soll. Auch westliche Bräuche wissen zu erheitern, nicht nur die fröhlichen Feiertage wie die heilige Nacht oder die Suche nach bunt bemalten Eiern, sondern auch die Gelegenheit, verkleidete Kinder, die an die eigene Tür klopfen, ordentlich zu erschrecken – für so eine Chance kann selbst der Sparsamste ein paar Süßigkeiten entbehren.
Und wieder naht die Zeit, die Zeit, um den Alltag in Feier umschlagen zu lassen. Erst eine Woche ist es her, dass gefeiert wurde, dass Familien und Geschenke den Mittelpunkt darstellten für die Bürger, und nun kommt der Tag, der jedem die schönste Freude zu bereiten wusste: Der Tag, der den Himmel unter lautem Krachen in bunte Farben zu tauchen weiß.
31.12.XXXX
16 Stunden, 32 Minuten bis Mitternacht
16 Stunden, 32 Minuten bis Mitternacht
Zu einer Zeit, zu der in Soragakure noch herzlich wenig los war, gab es eine Person, die sich bereits voll in ihren üblichen Handwerk erging. Dafür, dass heute ein Tag der Feier war, war Rutako Ingvi wirklich arg angespannt, während er auf seinem üblichen Trainingsplatz Trainingspuppen in Hälften teilte. Das Gute daran, ein Shinobi zu sein, war, dass diese Puppen keine stillstehenden Strohmänner, sondern sich wehrende Wasserklone seiner Selbst waren, und davon eine ganze Menge. Es wirkte dennoch wenig feierlich, dabei war es nicht so, als würde sich das Schwarzhaar nicht freuen. Im Gegenteil, dieser Tag war ihm einer der liebsten im Jahr, immerhin durfte er ganz offiziell Dinge in die Luft jagen. Böller mochten nicht das gleiche sein wie richtige Sprengstoffe, aber es war wesentlich nicht und besonders dieses Jahr hatte er etwas Besonderes geplant. Natürlich wäre es jetzt etwas spät, um ein großes Projekt auf die Beine zu stellen; alles, was getan werden musste, hatte er in den letzten Tagen erledigt. Daher kam auch seine Anspannung: Er wusste, dass alles bereit stand. Wusste, dass eines der größten Ereignisse überhaupt Soragakure erwartete. Wusste, dass er derjenige sein würde, der alles einleitete. Und er wusste, dass er noch würde warten müssen! Vor Mitternacht ging das alles nicht! Zornig verpasste er einem seiner Doppelgänge zwei Schnitte, zerteilte erst seinen Brustkorb und zerfetzte dann seinen Magen, damit dieser mit einem hübschen Platschen in hunderte Wassertropfen aufplatzen konnte. Aah, es regte ihn so auf, seine Aufgaben auf später zu vertagen! Je schneller er etwas erledigen konnte, desto besser. Wie sollte er die nächsten sechzehn Stunden – sechzehneinhalb Stunden – denn überstehen, wenn er rein gar nichts tun konnte? Nicht, dass die anderen Menschen etwas Sinnvolles täten... „Che!“, machte der Rutako abfällig und schleuderte einen Doppelgänger mit einer Wucht zu Boden, dass manch einer sich die Rippen gebrochen hätte. Ja, die anderen taten nichts Sinnvolles. Auf dem Weg hierher war er kurz durch die Stadt gewandert, hatte in die Schaufenster geguckt. Es war mitten im Winter, und die kündigten jetzt schon Winterschlussverkäufe an! Eine klare Falle für simple Einkäufer; sobald es hieß, dass der Schlussverkauf startete, glaubten alle, Schnäppchen ergattern zu können. Es war doch eigentlich selbstverständlich, erst in den letzten Tagen der Saison dort einkaufen zu gehen, wenn sie verzweifelt waren und sicher, dass sie die Reste nicht mehr loswurden. Das Beste mochte weg sein, aber was man bekam, war definitiv das Günstigste. Aber nein, die Geschäfte legten Köder für ihre simpel strukturierten Kunden aus, bei denen sie zu gern anbissen und sich abzocken ließen. Noch dazu, weil sie unbedingt Markenklamotten brauchten und Zeug, das viel teurer aussah, als es eigentlich war. „Cheeeaaah!“, rief Ingvi sauer, formte Fingerzeichen und schoss seine letzten beiden Klone mit Wassergeschossen kaputt, die sie perfekt durchschlugen. „Diese überheblichen, egozentrischen, oberflächlichen Idioten... als wären Klamotten so wichtig!“, knurrte er sauer. Noch schlimmer als Leute, die Kleidung wollten, die sie sich nicht leisten konnten, waren natürlich die, die sie sich leisten konnten und das auch liebend gern zeigten. „Diese Leute, die unbedingt besser sein müssen... diese Leute, die meinen, jeder müsse wissen, dass sie Geld haben...“ Während seine Augen violett aufblitzten, schlug Ingvi heftig nach einem Doppelgänger, der nicht da war. Knöcheltief in dem Ergebnis seiner Wassererschaffung stehend, entschloss er sich, ein paar neue Gegner zu kreieren. „Wie ich sie hasse, diese reichen, verzogenen Bälger, die sich nicht einmal mit etwas anderem als einen Geldschein abwischen können... und auch das nur, wenn Daddy ihnen sagt, wie das geht!“
„Hatschi!“
16 Stunden, 24 Minuten bis Mitternacht
Irritiert wachte Toshiba Mushiro auf und hielt sich den Kopf. Leicht schwindlig war ihm, nachdem ihn ausgerechnet der starke Drang, heftig zu niesen, aus dem Schlaf gerissen hatte. „Redet da jemand schlecht über mich...?“, meinte er schläfrig und kuschelte sich unter seine Decke zurück. „Vermutlich irgendein eifersüchtiger Typ...“ Der Rotschopf blinzelte kurz die Uhr neben seinem Bett an und schloss die Augen. Dann öffnete er sie wieder. Zuerst hatte er nur die Zeit gesehen, noch nicht einmal acht Uhr, noch lange nicht spät genug, um aufzustehen. Um überhaupt ans Aufstehen zu denken. Um überhaupt wach zu sein. Erst danach hatte sein Verstand verarbeitet, was für ein Tag heute eigentlich war. „Silvester...“, murmelte er und wischte sich den Sand aus den Augen. „Heute ist Silvester!“
Richtig, heute war der 31.12., auch bekannt als Neujahrsabend oder eben Silvester. Nicht gerade Mushiros liebster Feiertag. Abgesehen davon, dass Feuerwerke laut und grell waren und man ihn so effektiv seines ruhigen Nachtschlafes beraubte, fand das ganze Spektakel auch noch oben statt, im Himmel. Zwang einen quasi, hinaufzusehen. Nach oben. In den Himmel. Sora. Soragakure. Na, klingelt es? Ja, genau das ging Mushiro am meisten auf die Nerven! Jeder, der hier in Shirogakure eine Rakete in den Himmel schickte und andere Leute ihre Schönheit bestaunen ließ, tat einen Dienst an Sora- und somit einen Verrat an Shirogakure! So sah es nämlich aus!
Wieso also sah er heute das Datum als Grund dafür an, zu einer Zeit aufzustehen, zu der er eigentlich nicht einmal dann aus dem Bett käme, wenn seine Wohnung Feuer fing? Nun, zuerst einmal stand er noch nicht auf, er blickte einfach den Wecker ein und dachte darüber nach, aufzustehen. Heute war kein besonderer Tag... aber morgen. Sein Vater erwartete, dass Mushiro sich morgen früh auf den Weg zurück nach Konoha machte, da ein besonderer Geschäftspartner zu Besuch kam... ein alter Geschäftspartner, den auch Mushiro gut kannte. Noch besser kannte er aber seine Tochter. Bisher hatte er das Mädchen immer beschäftigt gehalten, während die Erwachsenen ihre Geschäfte abgewickelt hatten, aber das war jetzt schon ein paar Jahre her. Die Erinnerungen des jungen Rotschopf an sie waren nicht zu gut; sie war immer etwas fies zu ihm gewesen und hatte ihm Kopfnüsse verpasst. Bestimmt war sie inzwischen eines der Mädchen, die auf Schulhöfen andere anrempelten und dann über deren Klamotten lästerten. Aber die Bitte seines Vaters würde er natürlich nicht abschlagen. Außerdem war es eine wundervolle Gelegenheit, über die Feiertage seine Familie zu sehen, denn es war schon eine Weile her, dass er das letzte Mal im Dorf versteckt unter den Blättern gewesen war. Zu Weihnachten hatten sie ihm nur ein paar Sachen liefern lassen und seine Mutter hatte ihm einen Brief geschickt, in dem sie ihm sagte, wie stolz sie auf ihn war und dass sie ihn liebte und auf dem auch sein Vater unterschrieben hatte – vermutlich, weil sie ihn dazu gezwungen hatte. Das konnte sie gut.
Mushiro war mehrfach gesagt worden, vor einer Reise nicht alles auf den letzten Tag zu verschieben. Daran gehalten hatte er sich natürlich nicht. Und jetzt sah der Rotschopf sich vor einem Problem: Er hatte seinen Koffer nicht nur noch nicht gepackt, er hatte sogar vergessen, wo der sich befand! Mit dieser Erkenntnis huschte er aus dem Bett heraus und machte sich auf die Suche. Heute musste er unbedingt packen, weil er morgen früh los musste, vermutlich direkt nach dem Aufstehen, und selbst dafür musste er wesentlich früher aufstehen als sonst. Davon ausgehend, dass er, da es ja Silvester war, nicht vor ein Uhr ins Bett kam, würde er so gut wie gar keinen Schlaf kriegen... also etwa sieben, acht Stunden. Das war Nichts! Da konnte man nicht erwarten, dass er früh genug aufstand, um auch noch einen Koffer zu packen, nein, der musste schon vorher fertig sein. Das Blöde war, dass er nicht wusste, wo der Koffer war. Wie konnte das überhaupt sein? Er hatte ein perfektes, eidetisches Gedächtnis! Wie konnte jemand mit einem eidetischen Gedächtnis seine Sachen nicht finden?
Aber so hart er auch darüber nachdachte, der Tochiba kam einfach nicht darauf. Vielleicht dachte er einfach zu hart darüber nach. Jedenfalls half es nicht, und deshalb stand er gleich vor der Tür seiner Nachbarin Kazuko, die ihm fröhlich die Tür öffnete. Sie musste verrückt sein, dass sie um diese Zeit immer schon auf war... Aber sie war auch sehr hübsch. Mit ihrem wehenden schwarzen Haar und ihren weißen Augen, wie sie für eine Hyuuga typisch waren. Sie war so süß. Und man sah ihr ihre Stärke gar nicht an. Aber naja, jetzt ging es um den Koffer. „Hm? Ein Koffer?“, fragte sie und lachte dann laut auf. „Hey, Tochibaka! Du hast dir meinen Koffer schon geliehen, als du das letzte Mal zu deinen Eltern gefahren bist. Und den hast du mir noch nicht zurückgegeben. Wo steckt der eigentlich?“ Ach ja... ihren Koffer hatte er ja auch. Und auch bei dem fiel ihm grade nicht ein, wo er war. Das brachte sie nur wieder zum Lachen; wenigstens war sie nicht sauer. „Sag mal, wo ich dich grade hier habe...“, meinte sie grinsend und tippte ihm gegen die Brust. „Ich geh später zu einer kleinen Feier zu Silvester. Was hältst du davon, meine Begleitung zu sein?“ Eh? War das ihr Ernst? Das klang wundervoll! Wer wollte denn nicht mit einem hübschen Mädchen zusammen unterwegs sein, die ganze Nacht hindurch, und von ihr offiziell abs Begleitung betitelt werden...? Das war ein Traum! Klar, da war noch diese blöde Party, die bestimmt keinen Spaß machen würde, aber das war von sekundärer Wichtigkeit. „Natürlich! Ich wäre gern deine Begleitung, Kazuko! Ich verschaffe dir den besten Abend des Jahres, versprochen!“ Ach, Moment, eine Sache war da ja noch... „Ah... aber vorher muss ich noch einen Koffer besorgen...“ Es war Silvester... konnte man da überhaupt einkaufen?
14 Stunden, 4 Minuten bis Mitternacht
„Haach... Einkaufen ist wirklich das Schönste, findest du nicht auch?“ Zufrieden stapfte Nekoyami Hatsune aus einem Laden heraus, streckte sich kurz und atmete die frische Luft Soragakures ein. Es war insgesamt ein schöner Tag, das lag nicht nur daran, dass seine Mutter ihm gestattet hatte, den Vormittag shoppend zu verbringen, und ihm dazu sogar noch ein hübsches kleines Sümmchen Taschengeld gewährte. Vor allem lag es daran, was später noch kommen würde... bei dem Gedanken daran konnte der Junge gar nicht anders, als zu lächeln. Um seine Beine strichen zwei fröhlich miauende Katzen; die ganze Welt schien heute so zufrieden zu sein.
Während Hatsu sein Kleid abklopfte – es war so anstrengend, so tun zu müssen, als wäre man ein Mädchen – trat auch Sakuya langsam heraus, vorsichtig, um die Schachteln ruhig halten zu können, die auf seinen Armen ruhten, in welche die mit Klamotten angefüllten Tüten mit tödlicher Präzision hinein schnitten. War klar, dass Hatsune das hier entspannend fand, denn sie – er – musste ja nicht die ganzen Sachen tragen. Aber der Nekoyami war nicht so egoistisch, dass er nur sich Zeug kaufte, das sein Freund dann tragen durfte, nein – den neuen, hellroten Lippenstift trug Hatsu selbst, zumindest einen kleinen Teil davon, und er hatte auch für Sakuya sein Geld ausgegeben. Deswegen konnte der jetzt seine hübsche, neue, schlecht sitzende Krawatte tragen und hatte ja wohl kaum einen Grund zur Beschwerde!
„Nicht wirklich...“, meinte Saku also wenig begeistert und folgte seinem Cousin. Gut, sie waren nicht direkt verwandt, aber unter Nekoyami war man doch so etwas wie eine Familie. Das gehörte einfach dazu. „Aber du hast jetzt alles, oder? Wir sind fertig.“ „Ja...“, murmelte Hatsune leicht abwesend und musterte sich selbst in einem kleinen Handspiegel. „Ich sehe wundervoll aus, meinst du nicht? Und in diesem Haufen Klamotten wird sich bestimmt etwas finden, das Eindruck auf ihn macht!“ Ihn... Ihn beschrieb in diesem Fall Nekoyami Riku, weit besser bekannt als der Popstar KuroNeko. Sein jugendliches Aussehen, seine tiefgreifenden Songtexte und vor allem seine unwiderstehliche Stimme strangulierten die Herzen unzähliger Mädchen, Frauen und auch das unserer kleinen Tomcat. Wenn sein Dasein als unfreiwilliger Femboy nur einen Vorteil hätte, so wäre es der, dass niemand seine Schwärmerei für den gutaussehenden Sänger als seltsam ansah; solange man ihn für ein Mädchen hielt, konnte er schwärmen, soviel er wollte. Und heute gab es viel Grund zum Schwärmen! Heute fand nämlich ein großes Spezialkonzert des Sängers statt, eines, das auf Silvester ausgerichtet war und schon jetzt als Jahrhundertspektakel galt. Es endete schon um zehn Uhr, da er wie alle anderen Nekoyami auf der großen Tanzveranstaltung des Clans erwartet wurde, um das neue Jahr zu zelebrieren, aber es war dennoch ein außergewöhnliches Ereignis und Hatsune hatte es doch tatsächlich geschafft, zwei Karten zu ergattern! Selbst wenn er so gnädig war, eine davon an Sakuya abzugeben, konnte er immer noch hingehen! Es war perfekt! „Lass uns nur noch schnell eine Kleinigkeit essen, dann können wir zurückgehen... uns ausruhen, fertig machen und alles. Wird immerhin eine lange Nacht!“
13 Stunden, 30 Minuten bis Mitternacht
Auf dem Weg nach Hause genoß Hatsune eine leckere Portion Karaage zum Mitnehmen. Es war nicht das traditionelle frittierte Huhn mit süßer Sojasoße, sondern die nicht ganz so häufig vorkommende, aber für einen Fischliebhaber gleich noch schmackhaftere Version, die stattdessen Meeresfrüchte in die Fritteuse schob. Und genau genommen war es auch kein normales Karaage, sondern eine sogenannte Karaage-Rolle, eine Art Wrap, der erst seit kurzer Zeit auf dem Markt war. Aber es war wirklich lecker! „Eine Köstlichkeit!“, meinte der Pinkschopf nickend und blickte Sakuya an. Yari und die andere Katze hatten sich schon ein Stück des Fisches teilen dürfen, nur der Nekoyami mit den ganzen Taschen dürfte noch hungrig sein. „Und du willst wirklich nichts, Saku?“ „Doch, will ich!“, kam die Antwort außergewöhnlich harsch von dem schwer tragenden Jungen. „Das hab ich auch die letzten Male gesagt! Wenn du mir nichts abgeben willst, dann hör auf zu fragen!“ Ja, Hatsu konnte manchmal unnötig gemein sein, aber er hatte doch ein weiches Herz. Seufzend hielt er den Wrap leicht in die Richtung seines Begleiters. „Na gut, hier. Du darfst den Rest essen.“ Als nach ein paar Sekunden noch nichts geschehen war, schüttelte er die Speise leicht. „Jetzt nimm schon!“ Der Blick, der seinen traf, als er nach Sakuya sah, war eiskalt. Dann hielt dieser demonstrativ die Schachteln hoch. Ach ja, er hatte ja seine Hände nicht frei... Hatsune seufzte erneut. „Wie du willst...“, meinte er und nahm mit spitzen Fingern ein Meeresfrüchtchen heraus, um es mit geröteten Wangen in die Nähe von Sakus Mund zu halten. „Du trägst meine Sachen, also kann ich dich auch füttern. Aber nur dieses eine Mal!“ Er wandte das glühende Gesicht ab, während Sakuya ihm zufrieden aus der Hand aß, dann gab er ihm ein zweites Stück. Ein deutliches „Mmmh...“ entkam dem Mund des älteren Nekoyami – das Essen war wirklich gut!
„Aha!“, ertönte plötzlich eine altbekannte Mädchenstimme, und Hatsune schreckte hoch. „Hab ich euch! Hat-su und Sa-ku, oh-ne Scham, leck-en sich die Fing-er warm! Nicht wahr, Yaoi?“ Hatsus Katze Yari schnurrte unter den Streicheleinheiten des jungen Mädchens. „Yaoigeprüft!“
Nekoyami Akiko stellte die jüngere Schwester Sakuyas dar, die durch eine kleine Lauschaktion herausgefunden hatte, dass Hatsu ein Junge war und Saku das wusste. Seither machte es ihr großen Spaß, Yaoipairings zu shippen... ganz besonders dieses eine. Das Problem, dass keiner der beiden an Boys Love interessiert war, schon gar nicht miteinander, sah sie überhaupt nicht. Sie ging sogar so weit, den liebevoll gewählten Namen des jungen Katers zu missbrauchen, nur um sie aufzuziehen!
„Akiko! Was machst du hier?“, rief Hatsune genervt und warf den Rest seiner Karaage-Rolle zu Boden, ohne darüber nachzudenken. Er war sauer. Sie kicherte. „Ach... als Sakuya mit dir shoppen gegangen ist, meinte Okaa-san, dass ich auch ein wenig mit euch einkaufen gehen kann und hat mir ein bisschen Geld gegeben. Nachdem ich mir eine neue Schleife für das Konzert heute gekauft hab, bin ich euch gefolgt. Ich habe anderthalb Stunden auf so einen Moment gewartet, und schon ist er da!“ Sie lachte laut auf, wedelte mit einer kleinen Kamera – das Miststück hatte ein Bild davon gemacht! – und wiederholte den Reim mit der Scham und den Fingern. Hatsu sah Sakuya böse an. „Sie ist dir gefolgt! Was hast du dir dabei gedacht?“, zischte der Pinkschopf, dann wurden seine Augen groß. „Mo-Moment! Was meinst du mit Konzert?“ Akiko kicherte wieder. „Oh, weißt du es nicht? Ri-kun gibt heute ein Special Event, einen ganz großen Gig. Und ratet mal, wer einen Backstage-Pass hat!“ Hatsu starrte wütend Sakuya an. Der guckte verwirrt zurück. „Was kann ich dafür? Im Ernst, was?“
„Was? WAS? Das kann nicht ihr Ernst sein!“
9 Stunden, 58 Minuten bis Mitternacht
Es täte ihm leid, sagte er. Er habe das nicht in der Hand, sagte er. An Silvester schlossen die Geschäfte eben früher, sagte er. Das alles war Mushiro egal! Was dachte dieser kleine Geschäftsinhaber eigentlich, wer er war? Mit wem er es zu tun hatte? Gut, er war zwei Minuten zu spät. Na und? Selbst wenn es Sonntag und der Tag des jüngsten Gerichts wäre, hätten die Läden vor ihm gefälligst zu öffnen! Wo sollte er denn jetzt einen Koffer herbekommen? Das erste Geschäft, das er hatte besuchen wollen, hatte heute sogar komplett zu gehabt, und auf dem Weg hierher hatte er sich etwas ablenken lassen – Lebensmittel, Klamotten, Uhren, teuren Schnickschnack, den keiner brauchte – und jetzt war er hier zu spät angekommen. Und der Typ hier meinte, er wolle gerade gehen. Und etwas genervt wirkte er auch. „Hör zu, Kleiner, ich freue mich, dass dir mein Laden gefällt, aber der Laden ist zu! Wenn du was willst, komm Montag wieder!“ Und damit drehte er sich um und ging. Man drehte sich nicht einfach um und ging, wenn Mushiro mit einem redete! Nein! „Ich bin ein Tochiba, verdammt!“, rief er dem Mann hinterher. Der hob eine Hand und antwortete: „Schön für dich, Kleiner.“ Er blieb nicht stehen.
In Konoha lief sowas anders... da war Tochiba ein Name mit großem Einfluss, und die Leute erwarteten wenigstens einen Identitätsnachweis, wenn sie nicht schon auf die Nennung des Namens hin begannen, etwas unterwürfiger zu werden. Hier in Shirogakure konnte er aber nur bei wenigen Personen damit landen. Es war keine Frage des Namens, sondern von Authorität. Seinen Vater hätte man nie so stehen lassen, im Leben nicht. Für seinen Vater hätte man einen Koffer beantragt, die Materialien im Reich der Blitze besorgt, in Sunagakure bearbeitet und zu ihm nach Hause geliefert, und das alles innerhalb einer Stunde. Das war die Art Mensch, die Tochiba Yutaki war. Irgendwann würde Mushiro auch so sein, keine Frage. Heute musste er aber erst einmal herausfinden, wo er einen Koffer finden sollte...
Aus nicht auf Wahrscheinlichkeit beruhender Hoffnung heraus hob er einen Flyer auf, der herumlag, und begutachtete ihn. Dann verzog er leicht das Gesicht. Das größte awesome Event, das sie je gesehen haben!, stand darauf. Gesang und Tanz vom großen Yontatami Hoko zum Silvesterabend. Unüberhörbar und strahlender als jedes Feuerwerk! Kommen sie um... Hoko! Überall war Hoko! Jetzt musste der einem noch Silvester ruinieren. Zugegeben, viel zu ruinieren gab es da nicht. Aber Tanzshows halfen einem nicht auf der Suche nach einem Koffer!
Sauer knüllte Mushiro den Flyer zusammen und warf ihn quer über die Straße, sodass er in einer Mülltonne landete. Naja, landen sollte. Unzufrieden bemerkte er, dass er nicht traf, und ging hinüber, um ihn aufzuheben und hinein fallen zu lassen – Umweltverschmutzung konnte er nicht leiden und wollte er nicht verursachen. Als er sich dann umdrehte, wurden seine Augen groß. Da kam doch gerade jemand um die Ecke... Sie sah ihn auch, lächelte, winkte ihm zu. Sie winkte ihm zu! Das Herz des Rothaarigen machte einen Sprung, während er dabei zusah, wie das fröhliche Mädchen zu ihm herübergelaufen kam. Er war ganz überwältigt, hätte er doch nicht erwartet, sie hier zu sehen.
„Ri-... Ririchiyo?“
9 Stunden, 14 Minuten bis Mitternacht
„Hee, Ingvi!“ Die Stimme des Sakkaku knallte über den Trainingsplatz, und Ingvi blickte zu ihm hinüber, schob dann das Schwert zurück in sein Saya und strich sich kurz durch die Haare. „Hebi... Wie geht’s?“, meinte er kurz und nickte ihm entgegen. Sakkaku Hebi war so ziemlich der einzige Freund, den Ingvi hatte. Es lag vermutlich daran, dass sie beide nicht die sympathischsten Menschen waren und sie beide es lieber mochten, keine anderen Menschen bei sich zu haben, als sich mit ihnen herumzuquälen. Das Beisein einer Person, die Stille wertzuschätzen wusste, war angenehm für eine Person, die die gleiche Vorliebe hatte, so, wie Leute, die Kitschfilme mochten, gern ins Kino gingen mit anderen Leuten, die Kitschfilme mochten. Alles eine Frage der Vorliebe.
„Wie's geht? Es muss“, meinte der Sakkaku und blickte über den Platz. „Du trainierst? Ich dachte, Silvester ist ein Feiertag für dich?“ „Ist es... ist nur noch zu früh...“, antwortete der Rutako, und damit hatte es sich erstmal. Ein paar Sekunden lang herrschte Stille zwischen den beiden, dann setzte Hebi wieder an. „Wie läuft's mit deinem Projekt? Steht?“ „Steht.“ Und wieder Stille. Sie war nicht unangenehm. Nein, beide wussten die Momente zu genießen, in denen sie nichts zu hören hatten. Ein Vogel begann zu tschirpen. Hebi übertönte ihn. „Sag mal, was hältst du von ner kurzen Pause? Überall in der Stadt sind Bälger mit Böllern, und ich warte nur darauf, die einem von denen in die Hose zu schieben!“ Ingvi sah ihn kurz nachdenklich an, dann blickte er gen Himmel und legte eine Hand wieder an sein Schwert. „Ne. Ich muss trainieren... Für Pausen habe ich Zeit, wenn... ich tot bin...“ „Schwachsinn!“ Hebi grinste breit. Er war in seinem Element. „Wenn du tot bist, steckst du in der Hölle mit den ganzen Scheißern. Wenn der Teufel euch Pausen gönnt, ist er es nicht wert, meinst du nicht?“ Er grinste breiter. „Wenn ich der Teufel wäre, würde ich die Bastarde da unten schuften lassen, bis sie umfallen. Dann würde ich ihnen die Haut abziehen, Beleidigungen reinritzen und sie als Skelette weiterarbeiten lassen. Und dann schick ich die Nekrophilen rein!“ Ein lautes Lachen entkam dem Sakkaku, ehe er weiter und detaillierter beschrieb, wie er seine Opfer quälen würde und wie die Hölle aussehen würde, wenn er den Befehl zu geben hätte. Der Teufel könnte niemals mit ihm mithalten. Der Junge hatte Ideen... eine unglaubliche Kreativität. Irgendwann würde er sicher mal Verhöre führen. Sobald die Menschenrechte abgeschafft worden waren, natürlich. „Nicht, dass es mich betreffen würde“, endete er seine Rede. Seine Augen leuchteten immer noch. „Ich komm immerhin nach Walhalla, Kumpel!“ Dann wieder stille. Ingvi überlegte, ob er weiter trainieren sollte. Er ließ es sein. Der Vogel wollte wieder laut werden. „Hey, was hältst du von ein paar Drinks?“, fragte Hebi. Ingvi überlegte kurz. Nickte dann. „Klar... lass uns was trinken gehen... und danach gucken wir nach diesen Bälgern.“
7 Stunden, 2 Minuten bis Mitternacht
„People like us, we don't...“, säuselte Mushiro, sang in die kühle Abendluft. Es war schon ziemlich dunkel, aber das war okay. Im Winter war das normal. Jedem seiner Schritte folgte das Geräusch kleiner Räder auf dem unglatten Asphalt, entstammten dem Koffer, den er mit sich zog. Nun gut, eigentlich war es eine Reisetasche, aber sie hatte auch Räder und einen ausfahrbaren Griff. Und sie war hellgrün, mit einem Blumenmuster darauf, stellenweise rosa bis pink. Nun, etwas Anderes hätte er auch gar nicht erwartet. Aburame Ririchiyo war unheimlich lieb, so lieb, dass sie einen guten Freund selbst am Silvesterabend noch für ein Stündchen oder etwas mehr zu sich kommen ließ, obwohl sie selbst noch etwas vorhatte. Sie hatten geredet, eine Kleinigkeit gegessen, sie hatte wirklich guten Tee gemacht und dann hatte er von ihr diese Reisetasche bekommen. Eines der süßesten und lieblichsten Mädchen, die er kannte, etwa auf einer Ebene mit Hyuuga Kazuko und Nara Shika... die drei, die einen besonderen Platz in seinem Herzen einnahmen. Also, einen noch besondereren Platz als all die anderen Mädchen. „But I've been looking at you... for a long long time“, sang er weiter, ihr Gesicht vor seinem inneren Auge. Sie war so ein hübsches Mädchen. „Just trying to break through, just tryin' to make you mi-“
„She's got a hip in her shake, a swing in her step, a thing in her thigh... and a gleam in her eye!“ Die Stimme, die durch die Straße schlug wie ein Profiboxer und nichts in ihrem Weg stehen ließ, unterbrach Mushiro und brachte ihn aus dem Konzept. Wo war er noch gleich stehen geblieben? Nein, viel wichtiger... Wer sang denn um diese Zeit hier rum? Die Straßen waren nahezu leer! „Oh, hey, Mushiro-bro. Rate wer hier ist! Was ist deine Antwort? Hoko der Große? Hoko der Imperator? Awesome Hoko?“ Ah, da war die Antwort. „Hey, Hoko-... bro“, meinte Mushiro leicht säuerlich. Er musste sich keine Mühe mit irgendwelchen Masken geben. Solange er den aufstrebenden Sänger Schrägstrich Shinobi als Bro bezeichnete, lief alles ganz flüssig. „Ganz schön leer hier, für einen Platz, auf dem gesungen wird... meinst du nicht?“ „Ist doch klar!“, meinte der Junge mit dem strahlend weißen Haar und einem überzeugten Grinsen. „Was glaubst du, wo all die Leute sind? Die machen sich bereit für meine Show! Ich werd nämlich als Ein-Mann-Chor die Straßen von Shirogakure rocken!“ Er zwinkerte dem Rotschopf kurz zu. „Auf eine Stimme mit so viel Power muss man sich erstmal vorbereiten! Du solltest auch kommen, Bro!“ Dann bereitete sich wohl auch Hoko gerade darauf vor, mit all seiner Power singen zu können. Mushiro war das nur Recht – er würde heute Nacht sicher nicht hier sein. „Sorry, Bro. Ich bin verabredet! Treff mich mit einer hübschen Hyuuga. Wovon normale Menschen eben nur träumen können.“ Er grinste. Hoko grinste zurück. „Bring sie mit, man. Gibt nichts besseres als ein paar nette Songs, um in Stimmung zu kommen!“ Dann stockte er. „Nette Songs? Ich sag dir, die Erde wird beben!“ Das Grinsen des jungen Tochiba wurde noch etwas breiter. Irgendwie war Hoko schon ein amüsanter Zeitgenosse. Und er sang wirklich gut, das musste man ihm lassen. „Mal sehen“, meinte er und hob leicht die Hand. „Wenn wir noch Zeit haben. Aber ich geh jetzt zu ihr rüber. Man sieht sich!“ „Man sieht sich!“, rief der Yontatami hinterher, und dann noch: „Hübsche Tasche hast du da!“ „... ja“, antwortete Mushiro noch und wurde rot. Verdammter Hoko!
2 Stunden, 35 Minuten bis Mitternacht
Langsam rückte Mitternacht näher. Der große Zeitpunkt, auf den sie alle warteten. Der große Zeitpunkt, der das Ende eines Jahres einläuten würde. Nicht einmal mehr drei Stunden würde es dauern. Und doch gab es auf einer höher gelegenen Plattform Soragakures einen ganzen Haufen Leute, die wegen etwas ganz Anderem aufgeregt waren. Sie kreischten begeistert und tanzten und stimmten in die Lieder mit ein, die sie alle so gut kannten, doch sobald die Texte etwas leiser wurden, verstummte alles – niemand wollte die Stimme des großen KuroNeko verpassen. Seine Katzenohren leuchteten, strahlten dank ihren LEDs, und jedes Mal, wenn er eine Hand an sie legte, jubelte die Menge. Langsam kam der Song zu einem Ende, und jeder in dem großen Stadium wusste: Es war keine Übertreibung gewesen, dass dieses Konzert etwas Großes werden würde. Eines der größten Ereignisse überhaupt. Selbst der beste Sänger Shirogakures konnte das hier nicht übertreffen. Die nicht allzu üppig bekleideten Tänzerinnen zogen sich zurück und Riku nahm sein Mikrofon und ging in Richtung des Ausgangs der Bühne. Es war noch nicht zehn Uhr... es war Zeit für die Zugabe. Alle Anwesenden riefen es unisono: „Zu-ga-be! Zu-ga-be! ZU-GA-BE!“ Lange mussten sie nicht rufen; der große Sänger kehrte bald zurück und fuhr durch eine seiner Strähnen. Dann trat er vor, an den Rand der Bühne, und blickte die Mädchen in der ersten Reihe an. Ihrer aller Herzen setzten einen Schlag aus. Dann hob er das Mikro an seine Lippen und ließ seine sanfte Stimme durch das Stadium gleiten. Das Dach mochte geöffnet sein, aber selbst, wenn sie alle regungslos dagestanden hätten, anstatt sich zur Musik zu bewegen, wäre ihnen nicht kalt gewesen; diese Klänge wärmten einen einfach von innen.
„Bevor ich den letzten Song singe, der dieses Jahr von mir zu hören sein wird...“, meinte er und blickte über die Menschenmenge. „Möchte ich eine von euch auf die Bühne bitten. Als besonderes Geschenk zum Jahreswechsel darf einer meiner Fans mit mir zu meinem letzten Lied tanzen.“ Ein aufgeregtes Flüstern ging durch die Reihen – zu KuroNeko hinauf auf die Bühne zu dürfen war für jeden seiner Fans ein großer Traum. Eine der Tänzerinnen verschwand kurz von der Bühne, um mit einer Kugel wieder zu erscheinen, in der viele Zettel steckten. Sie würden also auslosen. Eine andere Tänzerin griff hinein, raschelte durch die Blätter, nahm eines heraus, um es dann Riku zu übergeben. Dieser öffnete ihn, las kurz darüber, dann hob er das Mikrofon wieder an. „Damit ist es entschieden. Wer von euch wird hier hoch kommen? Wer von euch hat die Eintrittskarte mit der Nummer 13228?“ Sofort kontrollierten alle ihre Tickets; Hatsune keuchte. „D-das ist meine Karte...“, meinte er überrumpelt, und seine Augen leuchteten. Vor lauter Glück verwandelten sie sich erst in gebratenen Fisch, dann sogar in Sterne. Ausgerechnet er durfte mit nach da oben! „Oh... ich wäre gerne zu Ri-kun hoch gegangen...“, hörte er auf einmal die Stimme Akikos und blickte unweigerlich zu ihr. Das kleine Mädchen sah richtig traurig aus, dass sie es nicht geworden war. „Ich weiß, dass du mir nie deine Karte geben würdest...“, meinte sie und blickte hinunter zum Boden, dann wieder nach oben zu Hatsune, mit feucht glänzenden, großen Hundeaugen. Oder vermutlich eher Katzenaugen, so als Nekoyami. Jedenfalls sah es sehr süß aus, sehr unschuldig, und so unwiderstehlich...
„Da hast du wohl recht“, meinte Hatsu eiskalt und riss die Hand hoch. „Kuronekooo! Das ist meine Karte!“ Er rief es schön laut, damit auch alle es hörten. Der Blick des Sängers wanderte zu ihm, und er lächelte, als er seine kleine Cousine erkannte. „Nun, wenn du dann bitte hoch kommen würdest“, meinte er mit seiner sanften Stimme, und sofort kämpfte sich Hatsu durch die Mengen, um auf die Bühne klettern zu können; Yari folgte ihr wie immer und sprang mit hoch. Das Ticket wurde kurz kontrolliert, dann schien es weiterzugehen. Das nächste Lied war langsamer, gut dazu geeignet, dass ein Mann und eine Frau dazu tanzten – oder, wie in diesem Fall, ein Mann und ein Mädchen. Auch seine Katze schien mit Hatsunes Kater ein wenig zu tänzeln, während sie weiter ihr melodisches Maunzen zum Song hinzufügte. Hatsu schwebte im Himmel! Dann wurde es lauter. Die Musik nahm zu, der Gesang wurde kraftvoller, das Lied näherte sich dem Höhepunkt, erreichte ihn... und flammende Fontänen schossen vorne an der Bühne hervor! Raketen schossen in die Luft, um im freien Himmel über dem Stadium das Gesicht KuroNekos, seine Katze und dann die typischen Silvesterblumen einzuzeichnen. Im hinteren Teil der Bühne begann eine Tafelrakete, sich zischend zu drehen und strahlend helle Funken zu sprühen, die langsam versiegten, während die Musik wieder leiser wurde und das Lied sein Ende fand. In dem Moment, in dem Riku lächelnd seine Augen öffnete und das Publikum ansah, ging der Applaus los. Die Begeisterung. Und die Vorstellung endete...
1 Stunde, 50 Minuten bis Mitternacht
„So ein Zufall, dass gerade du die richtige Karte hattest. Aber ich hatte dir ja versprochen, dich mal mit auf die Bühne zu nehmen, nicht?“ Nach der Show noch bei ihm zu bleiben, gehörte eigentlich nicht zu dem Deal mit dem Gewinnspiel, aber weil es Hatsune war, hatte Riku ihn mit hinter die Bühne genommen. Jetzt gerade unterhielten sie sich durch die Tür zu seinem Umkleideraum. Gut, dass der Sänger weder sehen konnte, wie rot Hatsus Gesicht gerade war, noch hören, wie schnell sein Herz schlug. „D-das zählt doch nicht!“, meinte er entrüstet. „Das hier habe ich gewonnen! Und es war auch nur ein Lied. Du schuldest mir immer noch ein Konzert!“ Riku lachte, dann öffnete sich die Tür. Wäre Hatsu nicht schon peinlich berührt gewesen durch die Tatsache, dass er mit seinem Idol redete, während es sich gerade umzog, dann spätestens jetzt. Denn in seiner Abendgarderobe sah KuroNeko einfach unglaublich aus! „Aah, du siehst wundervoll aus! Du wirst der Mittelpunkt der ganzen Feier sein!“ Richtig, die Feier; wie so oft traf sich ein recht großer Teil des Nekoyami-Clans – jedenfalls jener Nekoyami, die in Sora lebten – und aß und sang und tanzte, bis es Zeit wurde, nach Hause zu gehen. Ein Ereignis, das die beiden sich schwerlich entgehen lassen konnten. Riku lächelte. „Ich muss nicht immer im Mittelpunkt stehen. Aber sag mal, Tsune-chan, du kommst doch auch, nicht wahr? Wenn du möchtest, können wir zusammen fahren.“ Die Augen des Pinkschopfes blitzten auf. Das klang wundervoll!
„Oh? Aber dann nimmst du mich auch mit, nicht wahr, Ri-kun?“ Hinter Hatsu tauchte plötzlich ein kleines Mädchen ab, das der Junge am liebsten auf der Stelle erwürgt hätte. Nicht nur, dass sie seine Zeit mit Riku unterbrach, sie wollte auch noch dauerhaft da bleiben! „Was machst du hier?“, zischte Hatsu, doch die Kleine grinste ihn nur an. „Ach, sei doch nicht so. Ich hab dir doch gesagt, dass ich einen Backstage-Pass habe, nicht? Übrigens, danke dafür nochmal, Ri-kun!“ Hatsune horchte auf. „Sie hat... die Karte von dir?“ Er lachte nur. „Aber ja, Tsune-chan. Eigentlich gibt es bei dieser Show kein Backstage, aber wenn meine kleine Cousine mich darum bittet, kann ich doch nicht nein sagen...“ Er streichelte Akiko den Kopf, und kaum sah er nicht hin, streckte diese Hatsu die Zunge raus. Wie fies! „Aber jetzt kommt, ihr zwei. Wir kommen noch zu spät.“ Dann drehte er sich noch einmal kurz zu ihnen um. „Ich habe euch übrigens noch nie ohne Sakuya gesehen. Ist er nicht da?“
Währenddessen, nachdem alle anderen gegangen waren, stand nur noch Sakuya vor dem Stadium. „Sie haben mich nicht vergessen, oder...?“, murmelte er in die Dunkelheit. Seine Hände ergriffen die Tasche, die er trug, etwas fester. „Ich hab Hatsus Kimono... er kann mich nicht vergessen... oder...?“
49 Minuten bis Mitternacht
Die Münze drehte sich und flog in die Luft. Landete auf einer Handfläche und wurde dann auf einen Handrücken gedreht. Leicht hob Ingvi seine Hand hoch, sah auf die Münze, und dann zu Hebi hinüber. „... was hattest du noch gleich...?“ „Zahl.“ „Verflucht. Noch ne Runde. Auf mich!“ Mit den Worten legte er die Münze auf den Tresen, und sie verschwand schnell beim Barkeeper. Dafür kamen zwei Gläser zum Vorschein, die schnell gekippt wurden. „Noch ne Runde?“, fragte Hebi und zog eine Münze hervor. „Oder gehen wir?“ Der Rutako stellte sein Glas ab, dachte kurz nach. Dann nickte er. „... eine Runde noch.“ Und Hebi warf die Münze...
Nachdem Ingvi wieder ein paar Drinks hatte spendieren müssen, machten sich die beiden auf den Weg. Es war zuvorkommend von Hebi, ihm zu helfen... denn das Schwarzhaar hatte etwas Großes vor. Silvester war die Nacht der Explosionen, und wer hatte schon mehr mit Explosionen am Hut als er, der große Rutako Ingvi? Und genau deswegen wollte er ein Feuerwerk machen, das alles andere in den Schatten stellte – metaphorisch gesprochen. Nicht nur jedes Feuerwerk in Soragakure, sondern auch alles in Shiro und an den anderen Orten des Kontinents. Und sie sollten es wissen, es musste so groß und so hoch sein, dass man es überall sehen konnte... Nein, das war keine leichte Aufgabe. Er hatte mit Schwarzpulver und mit Explosionssiegeln gearbeitet, mit normalen Silvesterraketen aus den Läden und mit ein paar selbstgemachten, hatte sich damit auseinandergesetzt, wie man Farben in Explosionen bekam, und hier war es: Sein Meisterwerk. Es sah mehr nach einem Haufen explosiven Zeug aus, aber es war ein Meisterwerk. Langsam hob er eine der beiden Flaschen an, die die beiden mitgebracht hatten, und nahm einen tiefen Schluck. Dann warf er eines seiner Feuerzeuge hinüber zu Hebi.
Explosive Stoffe, Alkohol und Feuer. Eine wundervolle Kombination.
„Auf mein Zeichen...“, meinte der Rutako leicht lethargisch. Hebi nickte nur kurz.
5 Minuten bis Mitternacht
Etwas deprimiert saß Mushiro auf einer kleinen Bank neben einem kleinen Busch, der immer noch größer war als er selbst, und lauschte in die Dunkelheit. Am stärksten hörte man hier die Musik aus dem Haus hinter ihm. Sie war laut, so laut, dass es ihm selbst hier in den Ohren wehtat. Und sie war nicht sein Fall. Alles auf dieser Party war nicht sein Fall. Es war zu voll, es war zu heiß, er war sich sicher, dass dort drinnen eine Aura aus Schweiß entstanden war, die bei einem der Anwesenden einen Panikanfall ausgelöst hatte – offenbar irgendein doofer Suna mit Keimphobie. Nicht einmal das Essen schmeckte! Das Schlimmste war allerdings, dass Kazuko, im Gegensatz zu ihm, die Leute da drin kannte. Sie hatten vielleicht zehn Minuten zusammen verbracht, sie hatte ihn vorgestellt, dann war sie irgendwohin verschwunden. Ohne sie lohnte sich die Feier gleich noch weniger als ohnehin schon. Irgendwann hatte er dann aufgegeben und sich hierher verzogen, nach draußen, wo ihn wenigstens nur eine dieser Qualen verfolgte: Diese gräuliche Musik, die einen ganzen Ozean zum Vibrieren hätte bringen können. Interessant war, dass man trotz dieser Musik den Gesang von Hoko hören konnte. Er war nicht einmal hier, er befand sich tiefer in der Stadt, einige Straßen entfernt. Aber seine Stimme reichte noch hierher, war immer noch verständlich – es war unglaublich. Mushiro fokussierte sich auf dieses Geräusch, denn etwas Angenehmeres würde er kaum finden.
„Shirooo?“ Kazuko musste den Namen zweimal rufen, einmal besonders laut, damit der Rotschopf ihn wahrnahm. Dann sah er zu ihr auf, überrascht. „K-Kazuko!“, meinte er und sprang von seiner Bank. „Was machst du hier? Was ist mit der Party?“ Sie kam zu ihm, kicherte leicht. Dabei holte sie ihre Hände hinter ihrem Rücken hervor – sie hielt eine braune Papiertüte. Warum, wusste er nicht. „Ein typischer Tochibaka“, meinte sie, leicht lachend, und tippte ihm gegen die Nase. „Du bist mein Begleiter heute Abend. Da wo du bist, da bin ich auch.“ Dann setzte sie sich auf die Bank, die er eben noch bevölkert hatte, und tätschelte den Platz neben sich. Zögerlich setzte Mushiro sich wieder hin, dicht neben sie, und betrachtete die Tüte. „Was ist da drin?“, fragte er skeptisch, sie zog eine kleine Box hervor und öffnete sie. „Plätzchen“, meinte sie fröhlich. „Die letzten dieses Jahr.“ Darüber mussten sie beide lachen, wenngleich Mushiro nicht wusste, wieso. So witzig war das eigentlich nicht. „Die haben ganz schön viele Kalorien...“, meinte er, als sich das gelegt hatte. „Du kannst dir das leisten, aber ich bin jetzt schon klein... wenn ich ein bisschen zunehme, bin ich eine Kugel...“ Sie haute ihm leicht auf den Hinterkopf. „Rede niemals über ein Mädchen, wenn du das Wort 'zunehmen' verwendest, Tochibaka!“, meinte sie und zog dann ein Päckchen Minikarotten aus der Tüte. „Hier, die hab ich von zuhause mitgebracht. Ich dachte mir schon, dass du hier nichts magst.“ Sie gab sie an den Rothaarigen weiter, der erst das Päckchen, dann seine Freundin ansah, ehe er das Geschenk entgegen nehmen konnte. Er war, anders als sie, leicht rot geworden. Kazuko war wirklich ein wundervoller Mensch, das wurde ihm umso klarer, hier auf der Bank, zwischen der furchtbaren Musik aus der Anlage und Hokos weicher wie starker Stimme. Er lächelte sie scheu an. „Vielen Dank, Kazuko...“
30 Sekunden bis Mitternacht
Hatsune war zufrieden. Nachdem sie Sakuya doch noch mitgenommen hatten und er sich in seinen Kimono geworfen hatte – mit seinen Partyklamotten konnte er hier schwerlich auftauchen – hatte es etwa anderthalb Stunden gegeben, in denen die Nekoyami zusammen und allein getanzt und gesungen und das neue Jahr gefeiert hatten. Jetzt war hier alles ruhiger, selbst das zuvor hoch lodernde Feuer in der Mitte des Platzes hatte sich zu einem kleinen Lagerfeuer gesenkt. Ein paar der Katzenmenschen, darunter auch die freche Akiko, schliefen bereits, so kurz vor dem finalen Event dieses Jahres. Riku stand auch kurz davor, einerseits dank der Erschöpfung von seinem Auftritt, andererseits hatte er sich aber ein paar Gläschen Sekt aufschwatzen lassen, und für einen Sänger vertrug er wirklich wenig Alkohol. Hatsu war das nur Recht. Seine Mutter war aus irgendwelchen Gründen nicht gekommen, aber sie fehlte oft bei Familienfesten – vermutlich, weil dann nur wieder über sie getuschelt wurde. Er hatte also niemanden, mit dem er im Gras sitzen und dem großen Feuerwerk, das jährlich von Soragakure veranstaltet wurde, zusehen konnte – oder hätte keinen gehabt. Riku hatte sich doch tatsächlich bereit erklärt, diesen Moment mit seiner Cousine zu verbringen! Jetzt stand er kurz davor, einzuschlafen, mit einer starken Rötung um die Nase herum.
10 Sekunden bis Mitternacht
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„Noch nicht einschlafen“, flüsterte Hatsu aufgeregt und schüttelte KuroNeko leicht. „Gleich kannst du, aber noch nicht.“9
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Mushiro lehnte sich leicht an Kazuko. „Gleich ist es soweit“, murmelte sie. Er traute sich nicht, seinen Arm um sie zu legen.6
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„Fertig...?“, fragte Ingvi. „Fertig“, antwortete Hebi.4
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Zuerst gingen die Raketen in Soragakure hoch. Ingvi und Hebi sahen sie; Hatsune und Riku auch. Es war ein hübsches Spektakel, aber nichts besonderes. Die jährliche Tour. Einfache Raketen, ein paar kleinere Formen, aber nichts, das immer noch beeindrucken würde. Dennoch war es sehr hübsch anzusehen.
Danach startete es in Shirogakure. Sie hatten sich etwas mehr Mühe gegeben, zeichneten Formen in den Himmel, das Wort 'Shiro' war deutlich zu lesen, und die Form des Lotus wurde sichtbar. Mushiro sah nicht einmal hoch. Verrat an sich selbst. Manchmal verstand er Shirogakure einfach nicht. Kazuko neben ihm war begeistert.
Dann, als die letzten Strahlen von Soragakures Lichtshow versiegten, gab Ingvi sein Zeichen. „Jetzt!“ Dann zündeten er und Hebi Lunten an. Es dauerte ein paar Sekunden, dann schossen ein paar Raketen in die Luft. Nichts Großes, aber unerwartet. Es lenkte Aufmerksamkeit auf sich.
Dann ging es los.
Für die nächsten drei Minuten verwandelte sich der Himmel in ein strahlend helles Meer aus bunten Lichtern. Formen zogen sich durch ihn hindurch, wurden durch andere Lichter durchschnitten, hier und da glühten Funken auf und entzündeten mit nach oben gesendete Explosionstags, die richtige, echte Explosionen über dem Kontinent erscheinen ließen. Jeder, der es sehen konnte – und das waren viele Menschen – sahen sich das Spektakel gespannt an. „Wow...“, meinte das falsche Katzenmädchen mit den pinken Haaren. „Das war aber letztes Jahr nicht so beeindruckend...“ In Shiro war Kazuko außer Rand und Band, vielleicht nicht gerade eine Bilderbuchhyuuga, aber sie hätte das perfekte kleine Kind in einem Süßigkeitenwarenladen abgegeben. Sie schaffte es mit ihrer Begeisterung sogar, Mushiro dazu zu bringen, nach oben zu sehen. Seine Augen weiteten sich. „So etwas... habe ich noch nie gesehen...“, bekam er gerade so über seine Lippen, die auch danach noch leicht geöffnet blieben. Wenn Feuerwerke immer so aussahen, war die Aufregung um Silvester doch nicht so unverständlich. Auch die beiden, die die ganze Sache zu verantworten hatten, blickten in den Himmel. Sie waren nicht weniger mitgerissen, zeigten es allerdings nicht so sehr – sie standen unberührt da und sahen nach oben. „Voller Erfolg“, statierte Ingvi und zündete die letzte Lunte an – leitete das Grande Finale ein. Kurz darauf schossen Lichtblitze an ihm vorbei nach oben.
Was als nächstes erschien, war ein großes Katana – so scharf, dass es auf seinem Weg in den Himmel sogar ein Blatt in strahlendem Grün durchschnitten hatte. Mushiro und Ingvi sahen darin eine Beleidigung gegen Shirogakure, Hatsune nicht – dafür musste man wohl Patriot sein.
Aber auch dieser Schein verfiel nach einer kurzen Weile. Hatsune wandte seinen Blick als erstes davon ab. Er blickte stattdessen den jungen Mann neben ihm an, der bereits eingeschlafen war. Ruhig atmend lag er da und lächelte sanft vor sich hin. Auch Hatsune lächelte, während er sich an die Brust des Sängers kuschelte und vor dem Einschlafen noch ein paar Worte murmelte.
Als nächstes kamen Kazuko und Mushiro. Kaum sah der Junge nicht mehr dorthin, berührte er sanft die Hand seiner Begleiterung. Sie blickte überrascht zu ihm und blickte ihn dann zufrieden an. Als er dann seinen Satz sagte, musste sie ihn einfach umarmen.
Ingvi starrte noch zuletzt zum Himmel hinauf. Selbst nachdem der letzte Funken verglüht war, musste er noch ein paar Sekunden lang gucken, die nachhallende Präsenz seines Meisterwerkes in sich aufnehmen, ehe er zu dem Sakkaku hinüber sah, der ihm einen Besen zuwarf. Sie hatten nur einen Besen dabei, denn sie hatten sich im Voraus darauf geeinigt, wer die Überreste dieser Aktion säubern musste. Auf dem Boden fand sich immer noch überall Schwarzpulver. Ingvi nahm noch einen Schluck, stellte die Flasche ab. Und ehe er mit dem Fegen begann, ging er noch einmal zu Hebi hinüber, gab ihm die Faust, und sagte, was gesagt werden musste:
FROHES NEUES JAHR!