Wenn die Jungen die Gedanken der Yamamoto nun lesen könnten, wären sie sicher wohl ziemlich verwirrt. Nun wo sie auf ihren viel zu hohen Schuhen auf der Bühne stand und in die Massen an Menschen blickte, konnte sie so langsam nachvollziehen wie Iori sich vorhin gefühlt hatte. Das Mädchen schluckte, doch ihr war nicht anzusehen, wie mulmig ihr grad war, denn nach wie vor lächelte sie einfach weiter als wäre nichts gewesen. Die Wut war wie weggewischt für den Moment in dem sie auf der Bühne standen, denn Tora fühlte sich anders in diesem Moment. Sie stand da und hatte nicht die Kontrolle über das was geschah, doch sie hatte ein gutes Gefühl dabei, denn alles lief so wie sie es gewollt hatte. Die beiden Mädchen standen da, perfekt genauso wie sie es geplant hatte und auch die anderen beiden saßen perfekt platziert und taten was ihnen gesagt wurde. Dass sie bis jetzt weder einen richtigen Anhaltspunkt hatten noch das Rätsel annähernd gelöst hatte, schien für diesen Moment an Bedeutung zu verlieren. Für Tora zählte grade etwas ganz anderes: Sie fühlte sich als ein guter Leiter und das machte ihr Mut. Um genau zu sein, war ihre Vorstellung von einem guten Leiter wohl etwas anders als die von anderen… Bildlich gesehen, konnte man sich unter ihrem Bild von einem Leiter einen düster aussehenden Puppenspieler vorstellen, welcher mit ausgestreckten Armen über der Bühne des Theaters hing und mit einem unheimlichen breiten Grinsen seine Genin wie ein Puppenspieler ausspielte, denn so war es: Sie taten was sie sagte, keiner stellte ihre Entscheidungen in Frage und sie schienen sogar etwas Angst vor ihr zu haben. That’s the way to go… Zumindest gefiel dies der eigensinnigen Yamamoto recht gut. Mit den Händen in die Hüfte gestemmt, blickte das Mädchen die Jury an.
Auch sie konnte auf dem Jurypult bei einigen kurzen Blicken nichts Genaues erkennen… Alles was die Leute taten, war tuscheln, kritzeln und Tee trinken. Tee aus einer Thermoskanne… Wirklich nichts Verdächtiges. Die Yamamoto schaute wieder weg, denn sie musste sich auf etwas ganz anderes konzentrieren. Noch vor Jun und Tora wurde die gute Sekushi nach vorn gebeten und so als sie auf der Bühne stand, stand da ein ganz anderes Mädchen. Dieses Mädchen brachte Tora tatsächlich auf den Boden der Tatsachen zurück… Sie strahlte bis über beide Ohren und so ganz im Vergleich zu Tora selbst, die es sich ja nur hoffentlich authentisch aufzwang, schien dieses Mädchen sich hier unglaublich wohl zu fühlen. Zuvor wirkte sie immer so nervös und aufgeregt und hier auf der Bühne wo es erst wirklich aufregend wurde, stand sie wie ein Profi und präsentierte sich ähnlich dem. Doch die Reaktion der Jury war noch einmal ganz eine andere. Diesmal waren sie nicht zurückhalten oder besprachen sich ruhig. Ihre Begeisterung schien sich kaum in Grenzen zu halten und Tora verstand nicht wieso. Okay, sie sah ganz hübsch aus, aber auch nicht so viel hübscher als alle anderen… Sie schien total natürlich und glücklich und drehte sich fröhlich hin und her während sie sich präsentierte, doch war sie damit doch immer noch nicht so viel besser als alle anderen Mädchen, oder etwa doch? Tora verstand das nicht… Im ersten Moment redete sich die Yamamoto ein, dass sie wohlmöglich keine Ahnung von Schönheit hatte und es sich hier um Profis handelte, doch dann fiel ihr wieder ein warum sie hier war und schon setzte die Wut wieder ein. Nichts, aber auch gar nichts war hier zu sehen. Langsam zweifelte sie an ihrem Verstand und fühlte sich so, als würde sie hier wirklich nur nach etwas suchen, weil die Möglichkeit dazu bestand, weil man einfach das Gefühl hatte dass da etwas war! Doch da war nichts, absolut nichts was dieses grade so glückliche Mädchen verdächtig machte. Tora resignierte für einen Moment und seufzte leise, während sie der Aufruf von Juns „Mädchennamen“ wieder in die Gegenwart zurück versetzte. Da sie dies grade nicht sonderlich interessierte in ihrer Ratlosigkeit, versank das Mädchen in Gedanken. War es tatsächlich so, dass sie hier nach etwas suchten, dass einfach nicht existierte? Klar, selbst wenn sie ihre Zeit verschwendeten, konnten sie am Ende immer noch sagen, dass sie nichts gefunden hatte und das Mädchen sauber war, doch selbst wenn… Was wenn sich später herausstellte, dass es doch nicht so ein ehrliches Match war, wie die Genin beobachtet hatten? Was wenn sich im Nachhinein herausstellte, dass sie versagt hatten? Dann hätte Tora bei der Leitung ihrer ersten Mission versagt. Zwar wären die Fäden ihrer Marionetten nicht gerissen, doch wären sie wohl irgendwie dennoch verknotet… Die Yamamoto versuchte sich krampfhaft zu beruhigen, denn als Jun zurücktrat, hörte sie ihren Namen…
Da tauchte auch schon das zuckersüße Lächeln in ihrem Gesicht auf. Sie stellte sich vor die Jury, doch auch ihre Reaktion auf das Mädchen war ganz anders als die auf die Sekushi. War Tora tatsächlich hässlicher als dieses Mädchen? Was zur Hölle war an ihr so besonders? Tora war definitiv nicht der Mensch, der auf hübschere Mädchen eifersüchtig war, denn sie hielt sich selbst für recht hübsch, doch das hier ging irgendwie zu weit. Das Mädchen wurde bejubelt und gelobt, und als Tora da stand fühlte sie sich wie ein Stück Fleisch, welches in der Pfanne gewendet wurde und mit den Worten: „Akzeptabel“ beschrieben wurde, wobei das andere Stück Sekushi da drüben mit „Deliziös“ zu beschreiben war. War es jetzt vielleicht doch etwas Eifersucht, die das Mädchen dazu brachte darin eine potentielle Gefahr zu sehen? Tora sah mittlerweile überall Gefahren, das grenzte an Paranoia. So langsam wusste sie nicht mal mehr ob sie ihrem eigenen Gefühl noch trauen konnte, doch hier stimmte einfach etwas nicht…
Nachdem die anderen Mädchen rausgewählt wurden und Tora mit Erleichterung feststellte, dass sie und Jun weiterkamen, wurden die Mädchen gebeten wieder nach hinten zu verschwinden. Tora reihte sich wieder ein und warf einen Blick hinter sich. Ihr war irgendwie mulmig zu Mute, doch sie konnte sich nicht erklären warum. Während alle anderen sich zurückzogen, blieb das Mädchen direkt hinter dem Vorhang stehen. Auch ihre drei Herren machten sich aufgrund ihres Befehls direkt zum Treffpunkt auf. Tora würde auch gleich dahin gehen, doch erst einmal war sie neugierig. In dem Moment hörte das junge Mädchen hinter sich die Stimme eines Models: „Welcher Wettbewerb kam noch mal als nächstes?“ – „Bademoden.“, antwortete eine andere und Tora schluckte. Nein, diesmal konnte sie keiner hören, also raus damit: „Scheiße.“ Doch dazu später mehr. Die Yamamoto warf einen Blick auf den Jurytisch, während diese sich langsam aufrappelte um hinter zu gehen. Da kam der Manager und versperrte ihr die Sicht. Was besprach er da mit der Jury? Plötzlich hörte sie dieses Klimpern und erschrak. War das etwa… wirklich das aus der Tasche? Doch im nächsten Moment rempelte sie jemand an. Verdammt, wieso jetzt? Tora drehte sich mit erschrockenem Gesichtsausdruck um. „S-Sorry.“, murmelte lächelnd das Sekushi Mädchen. Sie hatte sie gesehen? Scheiße. Wieso sah dieses Mädchen grade das Tora ihren Manager für eine Sekunde beobachtete. „Suchst du jemanden da draußen?“, fragte sie breit grinsend. Sie war wie ausgewechselt, absolut nicht mehr aufgeregt… „Ehm… Ja, meinen Manager und meinen Visagisten habe ich gesucht, aber sie sind sicher schon wieder hinten.“ Das Mädchen nickte und holte eine Thermoskanne hervor. „Tora… Nicht wahr? Möchtest du vielleicht einen Schluck trinken? Du wirktest vorhin recht aufgeregt und dabei siehst du so gut aus!“ Irgendwie unheimlich… Tora wollte zwar gern annehmen nur allein um dem Mädchen nicht verdächtig zu erscheinen, aber… Sie traute ihr nicht. Hastig warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und schaute das Mädchen dann erschrocken an. „Ahhh, verschieben wir das auf später okay? Die Jungs und Katsu warten sicher!“ Die Sekushi nickte und winkte Tora nach. Verdammt, war das ein unangenehmer Moment…
Eilig lief Tora dann auf den viel zu hohen Schuhen zu dem Seiteneingang durch den sie gekommen waren. Gott sei Dank kam sie noch kurz vor Teysaru an, sodass sie nicht ganz die Letzte war. Dennoch fühlte sie sich grade echt unbehaglich, wegen der merkwürdigen Situation eben. Hatte sie sich vielleicht schon verraten? Verdammt, grade lief alles absolut nicht so wie sie wollte und besonders der nächste Wettbewerb war zum Scheitern verurteilt. Die Feedbacks der drei Jungen waren wie immer recht unterschiedlich. Jun beschwerte sich mal wieder darüber, dass er begafft wurde. Nunja, er hatte sich ja auch kaum einen noch auffallenderen Körper wählen können oder? Naja, egal nun. Tora war in dem Moment sicher die Besorgnis anzusehen. Auch wenn das Mädchen sonst immer eine so neutrale Mimik hatte, wirkte sie grade recht nervös und durch den Wind für ihre Verhältnisse. Toras Blick fiel auf Jun, als dieser sich beschwerte und sie sagte leise: „Die nächste Runde wird hart für uns, also reiß dich zusammen.“ Was sie damit meinte, müsste sie sicher bald erklären, aber dazu erst später. Iori hielt sich wie immer ruhig. Tora war sich auch recht sicher, dass er nichts gesehen oder gehört hatte, denn es war einfach nichts passiert, das hatte sie ja selbst gemerkt. Dass er sagte, dass sie das gut gemacht hatten, bemerkte die Yamamoto nur beiläufig und auch hatte sie irgendwie keinen Kopf dafür momentan. Auch Teysarus Lob über das Aussehen, kam nicht mehr wirklich an. Doch sein Bericht war äußerst interessant. Der Manager versicherte sich also, dass alles am Jurytisch stimmte, also schien er tatsächlich irgendwas gemacht zu haben. Und sie selbst hatte ja gesehen, dass er nach dem Wettbewerb noch einmal dahin gegangen ist… Nun war es sicher: Da stimmte etwas nicht, doch was konnte Tora einfach nicht sagen. Sie schluckte, denn nun hatte sie gleich mehrere schlechte Nachrichten für die Jungen. Die Perfektionistin Tora machte Fehler und zwar schrecklicher Fehler… „Ich habe eben gehört, dass der nächste Wettbewerb ein Bademodenwettbewerb ist. Dies bedeutet für uns, dass wir nun alle Hoffnungen auf Jun und sein Schauspielertalent setzen müssen, denn so wie es momentan steht, habe ich verdammt schlechte Chancen.“ Das Mädchen seufzte und kratzte sich am Kopf. Sie wusste nicht so recht, wie sie sich ihre Scham eingestehen sollte. Naja, was solls, dann wussten die Jungen eben, dass sie nicht perfekt ist… Klar, war das ein unglaublich schrecklicher Gedanke, doch dafür hatte sie keine Zeit. „Ist es euch auch aufgefallen? Die Sekushi hat sich auf einmal total verändert. Aus dem Mauerblümchen ist quasi eine fleischfressende Pflanze geworden und das ist wohl auch der Grund dafür, dass ich nicht mehr weit kommen werde. Als sich alle zurückgezogen haben, habe ich einen Fehler gemacht. Ich wollte wissen was an diesem Pult war und hab noch einmal rausgeschaut. Ich habe gesehen, dass der Manager mit der Jury irgendwas besprochen hat und da war dieses klimpernde Geräusch von der Tasche schon wieder, allerdings wurde ich bei meiner Beobachtung gestört und zwar von ihr… Ihr Auftreten war ganz anders und sie wirkte viel zu freundlich im Gegensatz zu vorher. Sie hat mir sogar was zu trinken angeboten, obwohl sie mich ja vorher total ignoriert hatte… Ich kann mir das auch einbilden, aber da die Chance besteht, dass sie nun etwas ahnt, muss ich vorsichtig sein.“ Tora schluckte, denn nun kam sie zu einem unbeliebten Teil, den sie eigentlich nicht weiter erklären wollte. „Tatsache ist, durch den nächsten Wettbewerb komme auch ich nur mit einem Henge, ich kann keine Waffe mehr verstecken und vor allem habe ich ein Problem, wenn sie mich tatsächlich für irgendwie gefährlich für ihren Plan hält, kann es passieren, dass sie es irgendwie schafft meinen Henge zu lösen, besonders stabil sind die ja nicht, dann bin ich hundertprozentig raus. Deswegen setzen wir unsere Hoffnungen lieber direkt auf Jun. Wir können nicht ausscheiden, bevor wir wissen was hier los ist. Ich bin mir sicher, dass da etwas ist und dass wir auch verdammt nahe dran sind, aber ich kann mir einfach nicht erklären was es ist.“ Wieder ein Blick auf die Uhr und wieder ein leises Seufzen. „Sorry Jungs, wieder zu wenig Zeit… Dasselbe Spiel wie vorhin… Teysaru, wenn du nun vor gehst und den Platz einnimmst, behalt diesmal ganz genau den Jurytisch im Auge, klar? Iori, du kommst wieder mit nach hinten und diesmal bitte ich dich die Sekushi im Auge zu behalten, aber bleib absolut passiv und fall ja nicht auf. Ich will nicht, dass sie uns noch mal erwischt. Für dich ist es wieder dieselbe Aufgabe wie vorhin Jun.“ Plötzlich verbeugte sich die Yamamoto vor den drei Jungen. Eine Tat, die man von Tora eigentlich nie und zwar wirklich so gut wie nie zu sehen bekam. „Entschuldigt meinen Fehler, aber ich verspreche euch, dass wir diese Mission erfolgreich beenden.“ Dann kam sie wieder hoch und nickte Iori einmal zu, damit er folgte. Jun hingegen packte sie am Handgelenk und zog ihn eilig hinter sich her. Sie musste ihm schließlich noch die Klamotten geben und viel Zeit blieb ihnen nicht. Deswegen zog sie Katsumi einfach hinter sich her, mit fröhlichem Grinsen wie immer, in die Umkleidekabine. Als sie etwas Abstand hatten, murmelte sie leise: „Und sei ja anständig. Ich zähl auf dich.“ In der Umkleidekabine angekommen, drückte sie schnell Jun oder eher Katsumi ihre Badebekleidung in die Hand und dann hatte sie selbst noch einiges zu tun. War sie zu übermütig und unvorsichtig geworden? Das musste wohl jeder selbst entscheiden, doch die Perfektion der Yamamoto lag nun in Trümmern, was ein harter Schlag für sie war... Nun wurde es erst richtig spannend, mal sehen ob alles tatsächlich so lief wie es sollte…