Tatsumaki Hei
Chuunin
Dass er einen Plan hatte, war vielleicht ein wenig übertrieben - aber Hei hatte schon eine Vorstellung davon, was passieren konnte und sollte. Beniko sollte all das loswerden, was in ihr steckte, ihren Vater damit zumindest überzeugen für einen Moment ein wenig abzukühlen - und Hei würde versuchen, die Kao davon zu überzeugen, dass ein weiterer Kampf sinnlos war. Im Anschluss, so hoffte der Tatsumaki, würden Friedens- und Konsolidierungsgespräche mit drei Parteien stattfinden - es half ja nichts, diesen Konflikt würde man nicht gewinnen, man konnte ihn nur lösen. Aber dafür musste erst einmal sein Plan aufgehen, Beniko über diesen Weg am Leben zu erhalten und sie mit in den Vorgang einzubinden. Immerhin, sie trank. Hei atmete durch, war mehr oder weniger erschöpft - es war aber wie zuvor eine mehr mentale Erschöpfung. Er war so geschlaucht wie noch nie - in keiner Mission oder Situation zuvor war er dermaßen unter Stress gewesen. Nichts reichte hier heran. Und dann... kam langsam eine Stimme aus der jungen Frau heraus, deren Kampf noch nicht vorbei zu sein schien. Und das war gut so. Ihre Methoden waren falsch und verurteilbar gewesen - doch ihr Kampf war nachvollziehbar. Prinzessin Senshi sprach von dem, was in ihrem Inneren vor sich ging; sie sprach von Dingen, denen Hei nur mehr oder weniger zustimmen konnte, und doch waren diese ja ganz real in dem Kopf der jungen Frau. Für sie war das alles die Realität. So oder so war es wichtig, dass sie es loswurde. Der Blick seiner blauen Augen huschte durch den Raum, während Beniko sprach, landete schlussendlich aber wieder bei ihr. Er konnte einfach nicht anders als einen gewissen Respekt zu empfinden. Das Reißen an ihren Sandfesseln war natürlich nicht von Erfolg gekrönt, aber Hei war kurz davor sie freizulassen. Doch er traute sich nicht, denn ihre zwar nicht kräftige, doch aber deutlich hörbare Stimme würde notfalls sicher genug Kraft haben, das Haoken zu erreichen. Noch immer war absolut nicht klar, was das für Kräfte waren, die sich um die Klinge rankten. "Das Schwert hat MICH...", fing Beniko an, und Hei wusste was kam, hörte aber mit einem mal ein Klingen, ein metallisches Geräusch, riss den Kopf herum, sah wie in Zeitlupe wie Mari in einer abwehrenden Haltung dastand, offenbar überrascht, und wie in dem Moment das Schwert an ihm vorbeirauschte und sich ohne Erbarmen in den zierlichen Körper der Prinzessin bohrte. Fassungslos sah Hei auf sie hinab, wie sie verständnislos die Waffe ansah, und dann zusammensackte. Unwilllkürlich und ohne Absicht löste Hei seinen Sandsarg, und sah zu, wie der Körper der jungen Frau auf den Boden fiel. Sein Mund öffnete sich vor Verwirrung. Ganz ehrlich, tief in sich drin hatte er beinahe damit gerechnet, dass es so etwas wie einen Selbstmordversuch geben würde, aber das hier... sah so gar nicht danach aus. Das war jemand anderes gewesen. Der Tatsumaki hörte ein leises Fiepen in seinen Ohren, als sein überreiztes Hirn versuchte, die Eindrücke zu verarbeiten. Die Augen von Beniko, eben voller Schmerz, Trauer und Aufgewühltheit, waren mit einem mal... so stumpf. Der Suna-nin, schluckte, zuckte dann zusammen, als Naoku Senshi den Namen seiner Tochter schrie und in seine Richtung lief. Mechanisch bewegte sich der junge Mann ein Stück zur Seite, konnte absolut nicht verstehen, was hier vor sich ging. Dann hörte er eine Stimme, und ein Schauer rann über den Rücken des Suna-nin, wie kaltes Wasser. Seine Brust zog sich zusammen in einen kalten Klumpen, und es war als würde eine Hand nach seinem Herzen greifen. Diese Stimme... Hei kannte sie, wie Mari sie auch kannte. Sein Kopf drehte sich in Richtung der Quelle dieser Stimme, und er sah einen Mann an den Fenstern stehen. Dieses Lächeln, was Hei sofort misstrauisch gemacht hatte. Eben noch vollkommen erstarrte gewesen, spürte Hei jetzt die Kraft aus seinen Gliedern rinnen. Zorn und Unverständnis hatten ihn bisher unter anderem angetrieben, jetzt aber übermannte ihn das Gefühl von Versagen. Wieder. Es war nicht das erste Mal auf dieser Mission, aber dieses Mal war es so... absolut. Er hatte es nicht geschafft, durch die Ränkespiele dieses Mannes zu schauen, bemerkte der Schwarzhaarige, während er wie entrückt zuhörte, was der Braunhaarige zu sagen hatte. Hei wunderte in diesem Moment überhaupt nichts mehr. Er war so voll von Enttäuschung und Entsetzen, dass ihm einfach der Platz für das Wundern fehlte. Motosuke steckte noch hinter dem versteckten Drahtzieher? Klar, natürlich - er war das letzte Puzzleteil dieser ganzen Sache gewesen die Hei noch nicht hatte einordnen können. Er hatte ihn einfach bei den Kao abgespeichert, wegen den Menschen die er für sie zusammengetrommelt hatte, aber... das war offenbar ein kapitaler Fehler gewesen. Aber... was war seine Motivation? Der Kopf des Wüstensohns ratterte, doch er fand keine Antwort darauf. Und aufgrund dieser Unfähigkeit... war das alles so gekommen. Beniko, sterbend auf dem Boden. Akira, sterbend auf dem Boden.
Naoku Senshi kniete neben seiner Tochter, schien absolut fassungslos. Wie gelähmt saß er da, der ältere Mann und seine Tochter, die in seinen Armen starb. Sein Blick schweifte durch den Raum, sah dann seinen Sohn bei seinen Leibwächtern leben - den hatte er ja eben noch gar nicht richtig angesehen. Er war so fixiert gewesen auf diesen Krieg, dieses Schwert und seine Macht, dass er gerade mit nichts dastand. Sein Sohn... wahrscheinlich tot. Seine Tochter... wahrscheinlich tot. Das Schwert... nicht in seinem Besitz. Der Mann hatte in diesem Moment seine Ausstrahlung verloren, saß nur dort wie vom Donner gerührt. Die beiden Kao-Brüder standen immer noch dort wo sie zuvor gestanden hatten, merkten offenbar, wie sich die Wogen des Schicksals in diesem Raum in den letzten Momenten hin- und herschwappte und keiner der Anwesenden so richtig wissen konnte, wo es hinführen würde. Sie wussten nur eine Sache: Die Ordnung war von der Senshi-Tochter gestört worden, aber die beiden jungen Männer waren nicht dumm. Sie verstanden durchaus, und Motosuke war der Mann, der die Ordnung komplett kippen wollte. Das war nicht etwas, was sie akzeptieren konnten. Die beiden Männer, die mit Hei beide eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen konnten, warfen einen Blick zu den beiden Ninja, die beide für den Moment unbeweglich und nahezu unbeteiligt wirkten. Sie waren sich einen Blick zu, drehten sich dann dem Ankömmling entgegen. "Motosuke", knurrte Ren. "Das hier war nicht Teil der Abmachung." Motosuke konnte ein kleines, arrogant wirkendes Schnauben nicht unterdrückten. "Bitte, Ren, du glaubst doch nicht dass ich all diese Dinge für euch... einfach so gemacht habe? Seht doch einfach ein, dass ihr hinter das Licht geführt wurdet. Und zwar von der kleinen Senshi-Tochter... und von mir." Er blinzelte, während ein Grinsen über sein Gesicht huschte. Die Brüder regten sich jetzt. Sie sahen sich noch einmal an, nickten dann. Kotarou räusperte sich leicht. "Dann ist dieses Gespräch wohl vorbei. Verrat kann nicht vergeben werden. Deine Taten sprechen für sich. Wir befragen dich... sobald wir dir die Hände abgeschnitten haben." Mit diesen Worten stürmten die Kao-Brüder los, flankierten den am Fenster stehenden Mann, der lachte. "Denkt ihr wirklich...", fing er an, drehte sich um - und stieß gegen eine Sandmauer, dort wo er gerade aus dem Fenster hatte springen wollen.
Hei stand da wo er eben auch noch gestanden hatte, und sein gestresster Gesichtsausdruck, seine geweiteten Augen und sein angespannter Kiefer deuteten auf seinen Zustand hin, die Hand gehoben, die Finger weit gespreizt und in die Richtung des Mannes deutend. Doch er würde nicht erlauben dass Motosuke floh. "Gott, Tatsumaki, du bist so verspannt", meinte der Braunhaarige amüsiert, aber auch ein wenig verstimmt, fegte mit dem Haoken vor sich und ein starker Windstoß breitete sich davon aus, drängte die Kao-Brüder zurück - und der Braunhaarige sprang zur Seite, als sie ihn wieder angingen, eine Hand hinter dem Rücken, mit der anderen das Haoken führend, als hätte es schon oft in seiner Hand gelegen, und dieses leichte Grinsen und der überzeugte Auftritt ließen Hei leicht zweifeln. Was versteckte Motosuke noch? Ren und Kotarou schafften es zwar, nicht zurückgedrängt zu werden, doch ihr ungestümer Angriff wurde auch recht effektiv abgewehrt. "In einer Sache hatte Benikolein schon Recht, wisst ihr?" Motosuke sprach so als würde er gerade ein Pläuschchen halten. "Es gab seit Generationen niemanden mehr, der das Haoken richtig führen konnte. Ich wollte eigentlich, dass ihr euch alle gegenseitig tötet, aber jetzt muss ich die Drecksarbeit wohl selbst erledigen. Die Leute werden mir natürlich glauben. Beide Familien entgültig ausgelöscht, von zwei Ninja aus Shirogakure... und angefangen haben sie damit, unsere allerliebste Prinzessin zu töten. Furchtbar!", sagte der Mann und Hei zitterte vor Wut. Aber er musste sich eingestehen dass Motosuke ihnen bisher immer einen Schritt voraus gewesen war. Er konnte nichts tun als zuschauen, wie Ren und Kotarou gegen den Verräter kämpften - und schließlich mit einem weiteren Gewaltschlag des Haoken zurückgetrieben wurden. Wieder erschütterte Wind den Raum, Hei ging auf ein Knie um sich der Kraft zu widersetzen. Langsam bewegte er sich in Richtung Mari, um näher bei ihr zu sein - sollte sich hier noch irgendetwas verändern. Hei hatte bereits jetzt das Gefühl, bereits diese ganze Stadt aus den Angeln gehoben zu haben. Aber er hatte keine Ideen mehr. Jede einzelne war immer und immer wieder zerpflückt worden, und sein Kopf war absolut leer. Er schüttelte den Kopf, langsam und ungläubig. "Du hast in Toshi no Kokka nichts verloren", knurrte Ren. "Wir haben unsere Probleme immer lösen können, und daran wird sich auch nichts ändern. Unsere Stadt ist stark, weil wir stolz und unbeugsam sind!" Er hob die Waffe. "Und das lassen wir uns von einer Schlange nicht nehmen!" "KAO REN!", schallte es mit einem Mal durch den Raum, und langsam erhob sich der Körper von Naoku Senshi von seiner Tochter. "Kao Kotarou. Tretet... bitte beiseite." Der Ältere griff nach seinem Schwert, welches neben ihm auf dem Boden gelegen hatte, drehte sich um - und in diesem Moment explodierte die Ausstrahlung des Mannes, der am ehesten König von Toshi no Kokka war, wieder in voller Stärke. Nein, da war noch mehr. Der Mann war nicht nur wütend, sondern auch über alle Maßen entschlossen. In seinen Augen brannte jetzt mehr als noch zuvor. Ren und Kotarou sahen über ihre Schultern, Ren schien etwas sagen zu wollen - wurde aber von einer ruckartigen Bewegung von seinem Bruder in die Schranken gewiesen. Die beiden Schwarzhaarigen zogen sich zurück, und jetzt schritt Naoku Senshi auf Motosuke zu. Langsam und bedrohlich. "Dieser Mann... dieser Kampf... gehört mir."