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Die Kleinstadt Togu

H

Hyage Yoko

Guest
Yoko hatte nicht mehr mitbekommen, wie alle nach und nach eingeschlafen waren. Wie Tamaru sich und Karuu „Gute Nacht“ auf seine eigene Art gesagt hatte, das hätte sie vermutlich zu gerne mitbekommen, aber auch wie Hideki auf seinen Ausguck geflüchtet war – nein, da hatte sie längst geschlafen und von fliegenden Ramenschüsseln geträumt. Dann von Fisch (ein wahrer Albtraum), doch dann war das alles einem wahren Albtraum gewichen. Überall Leute, die sie auslachten, weil sie einen Korb Äpfel nicht vom Boden heben konnte. „Pah, und du willst ein Ninja sein?“, riefen die und lachten sie aus. Ein Kreis um sie herum hatte sich gebildet. In der ersten Reihe stand ihre Schwester, daneben ihr Sensei. Beide zeigten lauthals lachend mit dem Finger auf sie. Irgendwann rannte Yoko weg. Weit weg. Aber sie konnte nicht weglaufen, nur weil sie etwas nicht schaffte – hatte sie das nicht längst begriffen? Naja, sie hatte jedenfalls geglaubt es begriffen zu haben… aber anscheinend hatte sie viel zu wenig Selbstbewusstsein, um das in die Tat umzusetzen.

Man stelle sich eine Reihe undefinierbarer Grunzlaute vor… Yoko’s waking up.
„Nä, aufstehen?“, klingelte es in Yokos Kopf, nachdem sie auf solch unangebracht unhöfliche Weise geweckt worden war. Trotzdem hatte sie eigentlich eher damit gerechnet, eventuell eine Ladung eiskaltes Flusswasser ins Gesicht zu bekommen – gespickt mit „un peu de Froschlaich à la Hideki“… Wieso eigentlich nicht? Der Gedanke war so ekelhaft, dass Yoko sich schüttelte… dann bemerkte sie, dass ihr verdammt kalt war und dass ihre Klamotten stocksteif schienen. Allein die Schlammkrusten, die sich mit ihren weißen Klamotten verbunden hatten, waren Grund genug sich nicht rühren zu wollen, doch irgendwann musste sie ja aufstehen. Der Gedanke an Konoha trieb sie vorwärts. Mühsam rappelte sich die junge Kunoichi auf und stand auf den wackeligen Beinen. Aufgrund der allmorgendlichen Lustlosigkeit wollte sie auch nicht mit den anderen sprechen – wozu? Stattdessen begnügte sie sich damit die Lehmhülle abzupellen, die sie umgab. So ganz genau wollte die Genin auch gar nicht wissen, was das alles war. Schlamm, Lehm, Wasser, Blut, Gras, Dreck… sogar Kieselsteine in ihren Socken… unglaublich. Schnaubend gab Yoko irgendwann auf und machte sich zum Aufbruch parat. Da sie sehr unbequem geschlafen hatte (ohne Decken und Kissen), musste sie auch ihren Rucksack nicht einpacken. Nur ihre eigene Schüssel war schnell verstaut und der Rucksack auf den Rücken geschnallt. Die Bemerkungen ihres Sensei zuvor hatte sie zwar übergangen, denn mittlerweile hatte sie sich an dessen aufbrausende Art gewohnt, aber als sie zu den drei Flüchtlingen blickte, wurde ihr mehr als nur schwer ums Herz. Als sie dann letztendlich den Blick wieder zu ihrem Sensei schweifen ließ, hatte der sich längst Hekeichi auf den Rücken geladen und Yoko wäre normalerweise sehr, sehr wütend geworden, hätte man ihr diese Aufgabe im Normalzustand gestellt. Aber sie befand sich nun mal im Müdigkeitszustand, weshalb sie seufzend zu der – noch ziemlich gequetscht dreinblickenden – Ogahara hinüber lief, um ihr beim Aufstehen zu helfen.

Die blauäugige Genin räusperte sich kurz, als sie neben der Aburame stand. Ähm, Kin, richtig?Fragte sie, obwohl sie sich in ihrem Namen 100% sicher war. Mittlerweile hatte die Ogahara einen Arm um sie gelegt und da Kin keinen Finger zu rühren schien, wollte Yoko sie mal auf ihre Pflicht aufmerksam machen. Wenn auch freundlich. Könntest du mir bitte helfen, sie zu tragen? Für mich alleine ist sie etwas zu schwer! Freundlich lächeln blickte sie zu ihr hinüber und sie musste grinsen, als ihr Gepäckstück einen Grunzlaut von sich gab. „Jetzt weißt du, wozu du hier bist!“, dachte sie und lachte in sich hinein. Im Moment fand sie das Verhalten dieser Aburame wirklich noch sehr merkwürdig, doch sie glaubte meistens an das Gute im Menschen, doch da sie sich momentan nicht sicher war, ob dieses Wesen ein Mensch sein konnte, zweifelte sie lieber, wenn auch nicht in aller Öffentlichkeit. Mittlerweile hatte sich die morgendliche Gänsehaut über ihren ganzen Körper ausgebreitet und sie konnte nur still und leise hoffen, dass sich diese Tatsache ändern würde. Und zwar hoffentlich bald. Allem Anschein nach hatten die Flüchtlinge noch weniger Schlaf gehabt als Yoko selbst. Ein Blick zu ihren Teamkollegen ließ auch nicht viel mehr Traumstunden erahnen, als bei ihr selbst. Als die Blonde den Kopf auf die linke Schulter legte und nachdenklich zu ihrem Sensei hinüber sah, merkte sie, dass selbst er nicht in der allerbesten Verfassung zu sein schien. „Ja, ja, wir sind anstrengend…“, dachte sie augenrollend und begann die Ogahara allein bis zu ihm zu schleppen, damit er resignierte, dass sie aufbruchsbereit war.

Wenige Minuten später ging es los und Yoko dachte über Hidekis Worte nach. Uhm… Sensei? Setzte sie neugierig an und holte hastig zu ihm auf, was bei dem Gewicht der Ogahara schwer war und sie letztendlich aufgab, und zu ihm hinüber rief. „Zwei Tage, man wie soll das denn gehen?“, fragte sie sich und zuckte mit den Schultern. Wie lange bleiben wir in Konoha? Fragte sie dann neugierig und schmunzelte. Irgendwie gewöhnte sie sich schon an das ständige Umherreisen. So schlimm, wie sie es von vielen Genin gehört hatte, war es gar nicht. Nun gut, diese Mission hatte ihren Preis gehabt, aber irgendwie hatte sie diese Tatsache schon wieder fast verdrängt. Ich meine, diese Mission ist noch lange nicht vorbei… oder täusche ich mich? Innerlich hoffte sie, dass die Aburame das auch kapiert hatte, doch aufgrund ihrer blöden Frage vorhin: „Was soll ich eigentlich hier?“, glaubte sie das eher weniger. Innerlich schüttelte sie viertausenddreihundertsiebzig Mal den Kopf über Kin, ehe sie fünftausenddreißig Mal den Kopf über sich selbst schüttelte. „Seit wann identifizierst du dich mit Naivität, Yoko?“, fragte sie sich und musste lachen. Nein, diese Mission war längst nicht vorbei, das wusste sie. Aber sie wusste auch, dass sie unbedingt wissen wollte, was hinter den Mauern dieser Anstalt vor sich ging. Ein Blick auf die drei verletzten Jugendlichen, die sie trugen, sagte ihr, dass sie endlich in Freiheit sein wollten. Und nur deswegen konnte Yoko nicht aufgeben. Sie konnte es einfach nicht.
 
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