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Großer Markt von Jôsei

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Spätestens jetzt war der Tsukigata ehrlich beeindruckt. Dass es wirklich so viel über Möhren und Karotten zu wissen gab, hatte er gar nicht erwartet. Und dann meinte Setsuko auch noch, dass sie nicht wirklich viel über Gemüse wusste? Wie groß war dann erst ihr Wissen über Zierpflanzen? Vielleicht sollte er sie und Arata einmal miteinander bekanntmachen und den beiden dann beim gemeinsamen Fachsimpeln zuschauen. „Wow ...“, kommentierte er und war für einige Momente ehrlich sprachlos. Er war ganz froh, dass auch die Haemasu nicht mit letzter Sicherheit wusste, welche Variante in der Karotten-Möhren-Frage nun die richtige war, sonst hätte er sich wohl den Rest des Weges gefragt, ob er es sein ganzes bisheriges Leben lang falsch gemacht hatte. Oder vielleicht auch nicht, denn beim Stichwort „Pfahlwurzel“ nahm sein Gedankenstrom eine unerwartet scharfe Linkskurve. Pfahlwurzel ... ob es half, wenn man Mohrrüben, Löwenzahn und deren Freunde auf Vampirgräber pflanzte? Sofern man an Vampire glaubte, verstand sich. Yamato hatte sich noch nicht dafür oder dagegen entschieden. Die Kannibalen in der versunkenen Wüstenstadt hatten sein Weltbild jedenfalls gehörig ins Wanken gebracht.

Irgendeine wohlwollende Macht trat Yamatos Gedanken an diesem Tag glücklicherweise schnell wieder in die Spur. Vielleicht trug diese Macht auch den schlichten Namen Verantwortung, denn an die erinnerte er sich rasch wieder und gab acht, dass Setsuko und die Mohrrüben (mit der Bezeichnung machte man wohl nichts falsch) den Markt wohlbehalten erreichten. Das Mädchen schlug sich wirklich wacker, gerade was das Kistenschleppen anging. Dass sie durchgehalten hatte, war beachtlich, aber allmählich sah der Tsukigata, dass ihr langsam die Puste ausging. Und dann mussten sie sich und die Ladung auch noch zwischen den anderen geschäftigen Händlern hindurchmanövrieren. Es wurde wirklich Zeit, dass sie ans Ziel kamen. Aber wo war das? Zwar konnte Yamato bequem über Setsukos Kopf schauen und wollte sich gar nicht vorstellen, wie der Trubel wirken mochte, wenn man ein gutes Stück kleiner war, aber einen wirklichen Vorteil hatte er trotzdem nicht. Kunststück, denn der gesuchte Marktstand befand sich hinter der nächsten Ecke. „Oh Mann, bloß gut!“, erwiderte er auf Setsukos Kommentar. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und er hätte ihr angeboten, die Kisten zu tragen. Aber so konnte sie den Erfolg doch ganz für sich verbuchen.

Nach einem kurzen Hallo an die anderen Verkäufer am Stand, bezogen die beiden also das Mohrrübenabteil. Zum Glück war nicht mehr viel zu tun, was den Aufbau anging. Nur einrichten und verkaufsfertig mussten sie sich noch machen. Aber es war ja hoffentlich alles da, was sie dafür brauchten. Nachdem Yamato seine Kisten auf dem Boden abgestellt hatte, ließ er auch den Rucksack von den Schultern und stellte ihn unter den Tresen. Richtig, da war ja noch was ... aber das musste bis später warten. Setsuko begann direkt damit, die Warenauslage zu organisieren und zeigte auch hier einmal mehr, dass sie mit Köpfchen vorging. Yamato nickte zustimmend, denn wirklich etwas zu verbessern gab es hier nicht. Zumindest nicht aus seiner Warte. „Klar, das ist ne gute Idee!“, stimmte er auch dem Vorschlag zu, die Ware zu prüfen, und schnappte sich die zweite Kiste mit den Bundmöhren. „Du bist echt super vorbereitet.“. Sogar passenden Zwirn und eine Schere hatte sie dabei. Bedröppelt dachte Yamato an den Inhalt seines Rucksacks, der so gar nicht zur Aufgabe passte. Aber ... mit etwas gutem Willen konnte man darin auch eine Art Vorbereitung sehen? Egal. Hier wartete eine Menge Wurzelgemüse auf seine Qualitätskontrolle.

„Ach, Setsuko-san ... ich hab ja noch was für dich.“. Als alle Mohrrüben kontrolliert, die eine oder andere aussortiert worden und einige Bündel mit neuem Zwirn versehen worden waren, wischte Yamato sich die Hände an der Hose ab und fischte die Papiertüte mit dem Kirschteilchen aus seinem Rucksack. Inzwischen war es zwar lange nicht mehr warm, galt aber sicher noch als frisch. Er hielt Setsuko die Tüte hin. „Ich weiß nicht, ob wir groß zu einer Pause kommen werden, also hab ich was mitgebracht. Falls du sowas nicht isst, schaue ich, dass ich vor dem großen Ansturm noch was anderes hole.“. Unterzuckerung hatte schließlich schon manches Prüfungsergebnis versaut.

Die langen Schatten des frühen Morgens waren mittlerweile deutlich kürzer geworden und die meisten Händler mit ihren Aufbauten, Anlieferungen und sonstigen Vorbereitungen fertig. Ruhiger wurde es dadurch aber nicht, denn nun tröpfelte nach und nach die Kundschaft ein. Von Beginn an hatten die beiden Aushilfsverkäufer gut zu tun und so verstrich die erste Stunde wie im Flug. Yamato, der irgendwo noch Schürzen mit dem Rüberei-Logo gefunden hatte, war gerade dabei, einem völlig überforderten Familienvater mit drei Quengelkindern psychischen Beistand beim Gemüsekauf zu leisten („Ja, die sind ganz erntefrisch von heute morgen ... nein, das ist gar kein Problem, ich hebe das wieder auf ... aber ja, Sie werden den Tag überleben! Alles wird gut!“), und merkte daher nicht, was sich in unmittelbarer Nähe von Setsuko abspielte. Noch während andere Kunden bedient wurden, trat eine hochgewachsene Frau mit teurem Mantel und einem keuchenden Mops auf dem Arm an den Stand und begann, in der Kiste mit den losen Mohrrüben zu wühlen. Offenbar gefiel ihr nicht sonderlich, was sie fand, denn jede einzelne Möhre, die sie herausnahm, fiel unzeremoniell wieder in die Kiste zurück. Nicht nur einmal hinterließen die blutrot lackierten Krallen der Frau dabei Spuren.

Als die Kundin gerade seufzend eine weitere Möhre fallen ließ, tastete sich eine kleine Hand vorsichtig über den Rand der Verkaufsfläche in Richtung der Kiste vor. Der Mops glotzte hechelnd und triefäugig auf die schmalen, suchenden Finger.

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„Ach, Setsuko-san ... ich hab ja noch was für dich.“ Als Yamato ihr die Papiertüte hinhielt, wurden Setsukos Augen sofort doppelt so groß mit Begeisterung. Ob sie schon gefrühstückt hatte oder nicht war nebensächlich, er hatte ihr was Süßes mitgebracht! Das Mädchen öffnete die Tüte und freute sich sichtlich, als sie das Kirschteilchen darin erblickte. "Vielen Dank! Das sieht sehr lecker aus, wäre doch nicht nötig gewesen!", antwortete sie ihm und biss ohne Umschweife in das süße Gebäck. Und es war genau das, was sie jetzt gebraucht hatte, ohne dass sie es vorher gemerkt hätte. Für einen Moment war alle Aufregung und aller Stress vergessen. Sie waren gänzlich und in vollen Zügen der Freude über das süße Teilchen gewichen. Das Mädchen hatte wirklich nicht damit gerechnet, aber die Freude darüber ist deshalb auch umso größer.

Nachdem sie ihr Teilchen also inhaliert hatte, ging, wie Yamato schon erwartet hatte, auch so langsam der Ansturm der Kunden los. Sehr schnell entwickelte sich ein richtiggehender Trubel auf dem Marktplatz, sodass die beiden neuen Verkäufer bald schon gut zu tun hatten. In der ersten Stunde kam Setsuko verhältnismäßig gut zurecht. Die meisten Kunden waren zwar gestresst und hatten es eilig, waren aber genug freundlich und kooperativ, um ihnen mit ihrem Kauf irgendwie assistieren zu können. Es befanden sich auch keine Rüben-Experten unter ihnen, sodass auch das Wissen der Haemasu erst einmal ausreichte, um die Fragen der Kunden beantworten zu können.

Durch den Trubel um sie herum bemerkte sie allerdings erst nach einigen Minuten die recht unzufrieden aussehende Dame, welche die Kiste mit den losen Möhren durchwühlte. Dass sie dabei so achtlos Spuren auf ihrer Schale hinterließ, gefiel dem Mädchen zwar überhaupt nicht, aber bei dem Anblick und Benehmen der Frau wollte sie sich erst einmal zurückhalten, was derartige Meinungen anging. „Entschuldigung, werte Dame, kann ich ihnen beim Aussuchen der Möhren behilflich sein?“, fragte sie die Frau deshalb mit einem freundlichen Lächeln, in der Hoffnung, sie damit vom Wühlen ablenken zu können. „Wurde ja auch Zeit, dass sich einer von euch Blagen dazu bequemt, mir zu helfen. Und Möhren kann man das hier ja kaum nennen, das sind allenfalls Baby-Karotten.“, dabei runzelte sie fast angewidert die Nase. Warum genau sie die Auslage als so abstoßend empfand, konnte Setsuko weder ahnen noch verstehen. Ihrer Meinung nach waren sie völlig in Ordnung. Klar hatten sich die ersten Kunden die größten, geradesten Möhren bereits herausgesucht, aber auch die, die noch vorhanden waren, sind absolut qualitativ in Ordnung gewesen, fand sie. Trotzdem antwortete sie: „Es tut mir sehr leid, dass unsere Auslage ihnen nicht zusagt, Madam. Kann sich sie stattdessen vielleicht für ein paar unserer Bundmöhren begeistern? Die-“, das Mädchen kam gar nicht dazu, ihren Satz zu beenden, da fiel ihr die Frau auch schon ins Wort und meinte: „Nein, nein, nein. Ich nehme nur von Hand ausgewählte, große Möhren für das Essen von meinem Pupsi! Er hat Augenprobleme und verdient nur das Beste, nicht wahr mein Schnucki-Wucki-Pucki?“ Die Frau rieb ihr Gesicht an dem von ihrem Mops. Ob dieser begeistert darüber war oder nicht, konnte Setsuko nicht sagen, er hechelte einfach mit tränenden Augen unbeirrt weiter.

Ungeachtet dessen, dass es dem Hund höchstwahrscheinlich ziemlich egal war, wie groß die Möhren für sein Essen waren oder wie sie aussahen, musste natürlich auch diese Kunden freundlich und zuvorkommend bedient werden. Setsuko glaubte nicht, dass sie diese Dame mit den Möhren zufriedenstellen konnte, die noch vor ihr lagen, deshalb sagte sie: „Natürlich, vollkommen verständlich. Vielleicht können wir dann zusammen aus der zweiten losen Rüben-Kiste einige schönes Exemplare für sie. Lassen sie mich hier nur kurz diese Kiste hier runterheben…“, damit nahm sie die besagte Bundmöhren-Kiste hoch und hockte sich auf den Boden, um sie vor sich unter den Tresen zu stellen. Dabei bekam sie unterwartet Blickkontakt mit einem kleinen Jungen und erschrak dabei für einen kurzen Moment ziemlich. Der Junge selber schien aber noch erschrockener als sie selbst zu sein. Er stand auf den Zehenspitzen, die Hand nach oben auf den Tresen gestreckt. Jedem, der den Jungen sah, wurde sofort klar, was dieser tun wollte. Er sah für sein alter ziemlich dünn und ein wenig dreckig aus. Das Haar zerzaust und die Hose mit ein paar Löchern darin. Setsuko hatte auf jeden Fall nicht erwartet ihn her zu sehen. Aber ihn wegzuscheuchen brachte sie einfach nicht übers Herz. Stattdessen legte sie einen Finger auf die Lippen und bedeutet ihm näher zu kommen und unter dem Tresen zu bleiben. „Bleib ruhig, ich geb dir gleich was ab, warte nur kurz.“, flüsterte sie ihm zu, ehe sie schon die wirklich engelsgleiche Stimme ihrer Kundin hören konnte. „Was DAUERT denn da so lange?!“ Schnell richtete sich das Mädchen wieder auf und antwortet ihr: „Tut mir sehr leid, schauen wir doch eben die Möhren in dieser Kiste an, ja? Da werden wir sicherlich etwas für sie finden.“ „Lehn dich mal nicht so weit aus dem Fenster, von dem was ich von hier erkennen kann, ist in der Kiste auch nicht viel Besseres drin als in der davor.“ Setsuko atmete, den Mund zu einem Lächeln geschlossen, einmal tief durch die Nase ein und wieder aus. Diese Frau war wirklich anstrengend.

Sie begann verschiedene Möhren aus der Kiste zu nehmen und sie der Frau zu zeigen. „Nein, zu klein.“ „Nein, zu krumm.“ „Immer noch zu klein.“ „Die ist zu hell!“ „Wie oft soll ich es noch sagen? ZU KLEIN!“ „Du willst es wohl nicht lernen, oder? ZU KRUMM!“ Jedes Mal, wenn Setsuko ihr eine Möhre präsentierte, wurde die Dame lauter und unzufriedener. Dabei waren die Möhren für sie selber total in Ordnung, knackig und mit die größten und geradesten Rüben, die sie bisher gesehen hatte. Sie wusste so langsam wirklich nicht mehr, was sie der Frau noch zeigen sollte, sie war einfach mit allem unzufrieden. „Es tut mir sehr leid, vielleicht können sie mir sagen, wie genau sie die Möhren gerne hätten, vielleicht kann ich ihnen dann etwas besser helfen?“, meinte das Mädchen, mit ihrem Latein nun ziemlich am Ende. „Ach, jetzt soll ich dir noch deine Arbeit abnehmen, wie finden wir den das, Pupsi? Ja wie finden wir diese Unverschämtheit? Wie finden wir die? Absolut unverfroren, sowas. Die Möhren die ich will, sind MINDESTENS 30cm lang und haben einen Durchmesser von 6cm. Außerdem sind sie perfekt gerade und von einer wunderschönen, satten orangen Farbe. Nur DANN haben sie genug Nährstoffe für meinen kleinen Pupsi-Wupsi!“ Setsuko schaute auf die Möhren-Kiste vor ihr. Eigentlich musste sie das gar nicht, derart außergewöhnlich schöne und große Möhren hatte sie in der Kiste nicht gesehen, also war es schier unmöglich diese Frau hier zufrieden zu stellen. „Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich glaube derartige Möhren haben wir hier leider nicht-“ „DAS KANN NICHT DEIN ERNST SEIN! Was für eine Unverschämtheit! Du verschwendest hier meine Zeit, als wäre sie nicht wichtig! Also wirklich, sowas erlebt man viel zu oft hier! Lass uns gehen Pupsi, wir werden einen anderen Bauern finden, der unser Geld WERT ist!“

Setsuko seufzte einmal leicht, ehe sie sich über den Tresen beugte und drei Möhren aus der Kiste auflas, welche die Frau mit ihren Krallen gekratzt hatte. Diese hätte sie eh niemandem mehr verkaufen wollen. Eine gute Sache hatte die Dame ja doch gehabt, die Kunden um sie herum hatten sich vom Acker gemacht, so lange wie sie die Aufmerksamkeit des Mädchens gepachtet hatte. Zwar war es schlecht für das Geschäft, aber so beobachtete sie hoffentlich niemand, als sie sich wieder unter den Tresen bückte und dem Jungen, der tatsächlich immer noch da war, die drei Möhren hinhielt. „Die hätte ich eh nicht mehr verkauft, ich werde für die bezahlen. Und jetzt lauf weg und sieh zu, dass dich niemand sieht.“, flüsterte sie ihm zu. Dieser ließ sich das nicht zwei Mal sagen, riss ihr die Möhren förmlich aus der Hand und machte sich seltsam geübt daran, sich zurückzuziehen. Zufrieden kam Setsuko also wieder unter dem Tresen hervor, in der Hoffnung, dass sie vielleicht niemand gesehen hätte...
 
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Teilchen gut, alles gut. Setsuko schien die kleine Stärkung sehr zu freuen und Yamato konnte nun auch endlich den leisen Zweifel über sein Mitbringsel ad acta legen. So konnte es gern weitergehen. Ohnehin konnte sich der Tsukigata keine weiteren Gedanken machen, denn der ganz normale Wahnsinn eines Marktmorgens nahm seinen Lauf. Die Kunden kamen Schlag auf Schlag und nur aus dem Augenwinkel sah er, dass Setsuko sich mit einer sehr hartnäckigen und unliebsamen Kundin herumschlagen musste (und was um Himmelswillen hatte die Frau da auf dem Arm?!). Oh je ... das hatte die arme Haemasu nun wirklich nicht verdient. Gern wäre Yamato ihr zu Hilfe geeilt, um sie mit einem halbwegs sinnvollen Ablenkungsmanöver aus der misslichen Situation zu befreien. Aber da drängten sich schon die nächsten Menschen an den Stand und erforderten seine Aufmerksamkeit. Es war bemerkenswert, mit wie viel Enthusiasmus, aber auch Verzweiflung man Gemüse kaufen konnte...

Erst als die seltsame Dame mit dem hechelnden Mops ihre Suche nach den perfekten Möhren zutiefst entrüstet an einem anderen Ort fortsetzte, hatte Yamato genügend Luft, und nach seinem gebeutelten Schützling zu schauen. Als er sich zu Setsuko umwandte, sah er gerade noch, wie sich das junge Mädchen unter den Verkaufstresen beugte und drei ziemlich malträtierte Mohrrüben hinunter reichte. War das ein Kind ...? Bei Yamatos Sehkraft hätte es sich auch um einen zu groß geratenen Hasen handeln können, aber das spielte gerade keine Rolle. Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht dunkelhaarigen Jungen. Ein gutes Herz hatte sie also auch noch und tat das Richtige, obwohl es ihr zum Nachteil gereichen könnte. Der Tsukigata beschloss, so zu tun, als hätte er von alldem nichts mitbekommen. “Puuuh!”, machte er sich bemerkbar. “Ganz schön was los, oder? Alles in Ordnung bei dir? Die Frau da eben klang ziemlich anstrengend.”. Er stemmte die Fäuste in den Rücken und streckte sich, sodass es lautstark knackte. “Pardon. Die alten Knochen...”, entschuldigte er sich mit einem schiefen Lächeln. “Hoffen wir mal, dass das der größte Ansturm war und es jetzt ruhiger weitergeht.“.
Aber wie das Schicksal es wollte, hatte er sich zu früh gefreut. Nicht dass Yamato mit irgendeinem glücklichen Umstand gerechnet hätte. Natürlich ging immer etwas schief – insbesondere dann, wenn er involviert war. Aber das es dann so kommen sollte, wie es kam ... damit hätte nicht einmal sein endloser Pessimismus gerechnet.

Obwohl die meisten Händler ihre Stände längst aufgebaut hatten und wie Setsuko und Yamato damit beschäftigt waren, die vielen Kunden zu versorgen, wurde hier und da noch immer Ware angeliefert. Vielleicht war es auch schon der erste Nachschub, denn die Leute kauften, als gäbe es kein Morgen. Es war daher nicht ungewöhnlich, dass dann und wann Karren zwischen den Ständen hindurch ruckelten. Auch der von einem Esel gezogene einachsige Wagen, der sich vom Eingang der Gasse näherte, machte zunächst niemanden misstrauisch. Großer Fehler! Rückblickend konnte niemand sagen, was eigentlich schiefgelaufen war. Ein panisches „IIIH-AAAAH!“ mischte sich in die vielfältigen Geräusche des belebten Marktes. Dann brach Chaos aus. Menschen schrien und sprangen zur Seite, als der Esel durchging und wie von der Tarantel gestochen samt dem Wagen losbretterte. Das Poltern, Krachen und Schreien kam schnell näher. Zu nahe. “Pass auf!“. Yamato riss das Mädchen beherzt hinter sich, dann krachte der Wagen ungebremst in den Stand der Rüberei. Holzsplitter und die schönen Mohrrüben flogen in alle Himmelsrichtungen, dann legte sich bedrückende Stille über den Markt. Yamato blinzelte perplex in den Staub, der sich gerade zu legen begann. Bis auf ein paar Splitter war ihm nichts passiert, allerdings war wohl ein Teil der Verkaufsfläche gegen ihn geschleudert worden und an ihm kaputt gegangen. Alarmiert blickte er sich nach der Haemasu um. „Setsuko! Bist du in Ordnung?“. Ein Krachen über seinem Kopf ließ ihn erneut herumfahren. Oh nein, konnte es denn wirklich so schief gehen? Es konnte. Yamato hatte ein Deja-Vu, als er sah, dass das Dach des Standes gefährlich schief hing. Der Tsukigata stützte es mit den Armen ab, in der Hoffnung, dass sich ein paar der umstehenden Schaulustigen erbarmten und einen Stützbalken oder etwas Ähnliches besorgten. Na, wenigstens war das hier keine tonnenschwere Abenteuerrutsche, auf der noch Menschen herumturnten...

Und der Esel? Machte sich gerade genüsslich über die Möhren her.

@Haemasu Setsuko
 
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Setsuko musste zugeben, dass sie leicht unruhig wurde, als Yamato sie, direkt nachdem sie unter dem Tresen hervorkam, ansprach. Hat er das etwa gesehen? Aber selbst wenn es der Fall gewesen sein sollte, der Shinobi sagte nichts dazu, was sie da unten gemacht hatte, sondern sprach sie auf die Kundin von eben an. "Alles okay, die Kundin hatte eben eine sehr spezifische Vorstellung davon, was sie hier kaufen wollte. Dass sie die passenden Möhren hier nicht finden konnte, das konnte ja vorher niemand ahnen.", antwortete sie ihm. Auch wenn die Haemasu es eindeutig bevorzugen würde, diese Kundin nicht noch einmal wiederzusehen, so unhöflich wie sie gewesen war, entschied sie sich dagegen, sich zu beschweren. Wenigstens war das Verkaufsgespräch ja auch verhältnismäßig schnell vorbei gewesen und wenn sie sowas nicht aushielt, dann wäre es sicher sehr schlecht um sie bestellt in der Welt der Shinobi.

Yamato streckte sich und seine Knochen knackten. Sogar so laut, dass er sich im Spaß dafür entschuldigte. Alte Knochen“? Aber er ist doch in meinem Alter? Vielleicht zwei, drei Jahre älter, aber auch nur aller, allerhöchstens…, dachte sie lachend. Sie konnte ihrem Gegenüber nur zustimmen, die Haemasu hoffte auch, dass es so langsam wieder weniger geschäftig werden würde auf dem Markt.

Dann ging aber alles ganz schnell. Gerade hatte sie das Rufen eines Esels gehört, da zog Yamato sie auch schon schnell hinter sich. Es knallte und krachte und das Mädchen konnte nicht anders, als die Augen zusammenzukneifen und sich zusammengezuckt hinter dem Tsukigata zu verstecken. „Setsuko! Bist du in Ordnung?“ Yamato riss sie mit seiner Frage wieder in das Hier und Jetzt zurück. Sie war unverletzt und machte sich auch viel mehr Sorgen um ihn, der sie ja beschützt hatte. Bevor sie aber die Möglichkeit hatte, sich irgendwie mit ihm zu verständigen, gab auch schon die Decke des Marktstandes nach und Yamato raste zur Seite, um sie zu stützen. Das Mädchen schaute zwischen dem Shinobi und den Schaulustigen hin und her. Genau wie sie selbst rührte sich wirklich keiner von ihnen auch nur einen Millimeter. Nachdem sie ein paar Mal hin und her geschaut hatte und nichts passiert war, wurde ihr klar, wenn sie selbst nichts tun würde, dann würde wahrscheinlich auch nichts passieren. Yamato hat mich zur Führungsperson gemacht, verdammt nochmal!

Sie ballte die Hände zu Fäusten und schaute einen kräftigen Mann in der Menge direkt an. „Wir brauchen einen Stützbalken! Schnell!“ Der Herr schaute sie zwar kurz verdutzt an, setzte sich dann aber auch schnell laut rufend in Bewegung. Ok, Punkt eins, Sicherung des Standes, ist in Arbeit. Wie sieht es mit Verletzten aus? Setsuko schaute sich erneut um, vor allem neben sich zu den anderen Verkäufern, die auch an dem Stand andere Rüben verkauft haben. „Ist hier wer verletzt?“, fragte sie die drei Leute, von denen sich einer den Arm hielt. Er nickte und das Mädchen lief zu ihm rüber und schaute sich den Arm an, nachdem sie sich ihm als Iryounin in Ausbildung zu erkennen gegeben hatte. Der Oberarm des Jungen war rot und leicht geschwollen. „Kannst du den Arm noch heben?“ Er versuchte es und verzog zwar das Gesicht dabei, aber es funktionierte. „Ok, du solltest den Arm erst einmal kühlen. Zur Sicherheit solltest du den aber später nochmal checken lassen, wenn die Schwellung nicht zurückgeht.“ Setsuko war in diesem Moment sehr froh, schon die ersten Grundlagen ihrer Iryounin-Ausbildung erhalten zu haben. So konnte sie relativ sicher davon ausgehen, dass der Arm des Jungen bald wieder in Ordnung sein sollte. Da sie aber noch keine vollwertige Kunoichi war, wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen und ihm sagen, wann er lieber doch noch eine zweite Meinung dazu holen sollte.

In dem Moment kam der Mann zurück, den Setsuko um einen Balken gebeten hatte. Mit Yamatos Hilfe brachte er ihn wenigstens so sicher unter der Decke an, dass sie nicht gleich wieder zusammenfallen sollte. Die Haemasu atmete einmal durch, ehe sie zu ihm ging. „Danke, dass du mich so schnell hinter dich gezogen hast, ich hoffe du hast dir dabei nichts getan? Ich muss ehrlich sagen, damit hab ich nicht gerechnet und…bin leicht überfordert damit, was ich jetzt tun soll?“ Sie hatte leicht gezögert, den letzten Teil zu sagen. Sie wollte natürlich kompetent und sicher wirken, aber sie war nunmal einfach nicht selbstsicher in dieser Situation. Setsuko hatte ihr Bestes bisher getan, aber jetzt brauchte sie einfach seine Hilfe. Könnte ihr das zum Nachteil ausgelegt werden? Wahrscheinlich. Aber jetzt war ihr einfach wichtiger, dass nichts weiter schieflief. „Also zum Beispiel…der Bauer muss benachrichtigt werden, es muss das kaputte Holz aufgeräumt werden und es muss rausgefunden werden, woher der Esel kommt und wem er gehört, aber…Was zuerst? Und apropos Esel-“ Ihr Kopf schnellte herum, den hatte sie vollkommen vergessen. Was noch von den Möhren dagewesen wäre, hatte er inzwischen fast vollständig vernichtet. Bei dem Anblick entwich dem Mädchen ein enttäuschtes Seufzen.

@Tsukigata Yamato
 
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Den Göttern sei Dank, war dem Mädchen nichts passiert! Yamato atmete erleichtert aus, sowie er die junge Haemasu unversehrt wusste. Erschrocken ja, aber wer mochte ihr das verdenken? Für einen langen Moment dachte er, dass er angesichts der ganzen Misere vielleicht doch wieder die Zügel in die Hand nehmen sollte, aber da zeigte Setsuko erneut, dass mehr in ihr steckte, als ihre kleine Gestalt vermuten ließ. Ohne viel Möhren... Federlesen wurden die Umstehenden direkt in die Sicherung involviert, Verletzte versorgt ... und so dauerte es gar nicht einmal lange, bis Yamato aus seiner wenig komfortablen Position erlöst wurde. Im Laufe der Jahre hatte er allerdings auch einiges an Körperkraft hinzugewonnen, so dass er nicht besonders angestrengt war. Auch hatte er dieses Mal seine Knochen nicht ineinander wachsen lassen müssen, um nicht unter dem Gewicht einzuknicken. Es war eben doch nur ein Holzdach und damit wesentlich verträglicher für den Bewegungsapparat.

„Wenn man denkt, es kann kaum schlimmer kommen ...“, murmelte der Tsukigata und kratzte sich den Kopf, während er auf den lädierten Stand und die verstreuten Mohrrüben schaute. Nun, es hätte tatsächlich schlimmer kommen können. Um einiges schlimmer. Insofern waren sie heute doch mit einem blauen Auge davongekommen. Die Menge der herbeigeeilten Händler und Marktbesucher zerstreute sich allmählich wieder und es kehrte beinahe so etwas wie Ruhe ein. Als Setsuko auf ihn zukam, winkte Yamato beschwichtigend ab. „Alles in Ordnung.“. Zumindest, was ihn anging. Setsukos Zuversicht hatte mehr Schlagseite bekommen als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Dennoch bewies die Haemasu gerade in diesem Moment eine Qualität, die über die Anforderungen einer Geninprüfung hinausging. „Du machst genau das Richtige. Wenn du weißt, wann du dir Hilfe holen musst, bist du vielen Ranghöheren schon weit voraus.“, bemerkte Yamato, trotz der Zerstörung um sie herum seltsam entspannt schien. Ob es die Nachwirkungen des Schreckens waren oder die eigentümliche Ruhe, die einen befiel, wenn wirklich alles den Bach runter ging, konnte er selbst nicht sagen. Aber nicht einmal das möhrenvernichtende Langohr brachte ihn noch aus der Ruhe. „Lass ... das ist schon in Ordnung. Solang der frisst, rennt er wenigstens nicht rum.“. Und wie sie jetzt weitermachen sollten? Der Tsukigata überlegte kurz. „Ich würde vorschlagen, dass wir hier erstmal aufräumen und die bisherigen Einnahmen sichern. Danach prüfen wir noch mal, dass der Stand auch wirklich nicht mehr einsturzgefährdet ist, und gehen dann zurück zur Rüberei. Ich regel das schon mit Yazu. An vier verlorenen Gemüsekisten wird er nicht eingehen.“. Vor allem nicht, wenn er der Hauptlieferant für Tsukigata Momokos nächstes Spendendinner wurde.

„Oh, Hana-chan! Mein Blümchen!“. Ein älterer Herr mit fransigem Strohhut und dicker Hornbrille eilte auf den Esel zu. „Bist du verletzt?!“. Der Esel schaute kurz irritiert auf und fraß dann in Ruhe weiter. „Jo, Mann – dein Esel hat den Stand hier fast eingerissen. Und n Kind verletzt!“, rief einer der anderen Rüberei-Verkäufer. Erst jetzt schien der ältere Bauer das umliegende Chaos zu bemerken und wurde sichtlich blass. „Oh. Verzeihung ...“, murmelte er. „Das ... ähm, tut mir wirklich leid.“. Es brauchte noch einen weiteren Moment, bis er Setsuko und Yamato wahrnahm. „Oh ... ihr gehört zu Yazu, oder? Sagt ihm bitte, dass ich den Schaden bezahle ... ich weiß auch nicht, was in meine kleine Hana gefahren ist. Sie ist sonst so friedlich ...“. Ein betretenes Lächeln huschte über das alte Gesicht. „Vielleicht sind Yazus Möhren wirklich so unwiderstehlich, wie er immer sagt...“.

Einige Formalitäten später war der alte Mann mitsamt der Eselin wieder abgezogen – allerdings nicht, bevor Hana-chan sich noch einen schnellen Happen für den Weg geangelt hatte. Kopfschüttelnd sah Yamato den beiden nach, dann wandte er sich zu Setsuko um, die hoffentlich wieder ein bisschen mehr Mut geschöpft hatte. Und falls nicht, taten es vielleicht die folgenden Worte. „Setsuko, ich weiß, das fühlt sich vermutlich gerade nach allem an, nur nicht nach einem Erfolg. Heute ist vieles schiefgelaufen, worauf niemand von uns Einfluss hatte. Das hat dich mehr gefordert als es Prüflingen normalerweise abverlangt wird. Aber du hast jede einzelne Chance genutzt, um zu zeigen, was in dir steckt. Und das war wirklich beeindruckend.“. Yamato nickte der Haemasu anerkennend zu. „Die Verwaltung hat vielleicht noch ein paar Fragen zu der Sache heute, aber in meinem Bericht werde ich ausdrücklich empfehlen, dich zur Genin zu befördern.“. Die Lorbeeren hatte sie sich nun wirklich mehr als verdient.

Auf dem Weg zurück zur Rüberei lief zum Glück dann nichts weiter schief. Aus dem Gebüsch am Wegesrand sprangen keine Säbelzahntiger, kein Spontanmonsun brach über die beiden Wanderer herein und kein Vogel kackte ihnen auf den Kopf. Man musste auch für die kleinen Dinge im Leben dankbar sein. Yazu trug die Nachricht über das Eseldesaster mit Fassung und nickte beim Namen Hana-chan nur wissend. Es war gerade einmal Nachmittag, als die Zeit des Abschieds gekommen war. „Tja, dann ... haben wir’s tatsächlich geschafft.“, schloss Yamato und lächelte müde, aber zufrieden. Der Stand würde bald repariert werden, Yazu bekam seine Möhren ersetzt und ein Esel war satt geworden. „Wenn du erstmal keine Fragen oder so hast, würde ich gleich zur Dorfverwaltung und den Bericht schreiben. Du kriegst dann bald nen Brief von denen, aber ein bisschen feiern kannst du schon.“. Oder auch ein bisschen mehr. Shirogakure konnte überhaupt froh sein, wenn Setsuko nach dem Tag überhaupt noch Kunoichi werden wollte. „Also, war mir eine Ehre, Setsuko.“. Der Tsukigata verneigte sich zum Abschied. Arata würde nicht glauben, was heute passiert war...
 
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Würde man Setsuko bitten, ihre Gefühlslage nach diesen ganzen Miseren zu beschreiben, so wäre „gemischt“ wohl die beste Antwort, die sie geben könnte. Zu ihrem Glück legte Yamato ihr es nicht schlecht aus, dass sie ihn um Hilfe bat. Das freute sie natürlich sehr und hob ihre Laune wieder ein bisschen. Aber sonst gab es für sie so ziemlich nichts zum Freuen. Dass sie nichts dafürkonnte, dass Hana in den Rübenstand gekracht ist, war auch nicht wirklich ein Trost. Wirklich gern hätte sie ihre Aufgabe ordentlich zu Ende gebracht. So konnte das Mädchen einfach nur hoffen, dass ihre Leistungen bisher ausreichend waren, um zu bestehen. Eher passiv beobachtete sie also die Unterhaltungen und Formalitäten, die Yamato mit dem Besitzer der Eselin klärte.

Yamato schien allerdings genau zu verstehen, wie es ihr gerade ging, denn als er sie wieder ansprach und ihr versicherte, sie zur Beförderung zur Genin zu empfehlen, lächelte sie direkt sehr erleichtert. Jeder, der sie ansah hätte erkennen können, was ihr da für ein Stein vom Herzen fiel. Fast schon wollte sie es nicht glauben, aber nach den netten Worten des Lobes, die er vorher an sie gerichtet hatte, zweifelte sie nicht an seinen Worten. Nicht, dass sie ihn sonst für einen Lügner gehalten hätte, aber so hatte er ihre Zweifel an ihrer Leistung noch einmal mehr zerstreut. Und so kam es, dass sie verhältnismäßig entspannt mit ihm zum Bauernhof zurückging und einem recht wenig überraschten Yazu die Lage schilderte. Und nicht lange danach stand sie Yamato auch schon für den Abschied gegenüber. „Danke dir sehr, Fragen habe ich soweit grad keine. Glaub mir, innerlich geht bei mir schon die Post ab, vielen Dank dass du mich empfiehlst.“, meinte sie grinsend zu ihm, bevor sie sich mit einem „Die Ehre ist ganz meinerseits, Yamato.“, verabschiedete.

Sowie der Schwarzhaarige nicht mehr in Sichtweite war, lehnte die Haemasu sich erst einmal mit dem Rücken gegen die nächste Hauswand und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Sie hatte es geschafft. Sie würde eine Kunoichi werden. Auf Missionen gehen. Leuten helfen. Gedanken wie: Jetzt gibt es wohl kein Zurück mehr. Ich will doch nur Nähen. Und: Warum hab ich nicht auf meinen Bruder gehört? Erstickte sie im Keim und schlug sich einmal mit den Flachen Händen auf die Wangen. Für sowas ist nun wirklich viel zu spät.

Langsam trottete sie den restlichen Weg nach Hause. Es war noch verhältnismäßig früh, würde überhaupt schon wer daheim sein? Setsuko wusste nicht, welche Variante sie bevorzugen würde. Einerseits würde sie nach so einem Tag ganz gern ihre Ruhe haben wollen, aber andererseits wollte sie natürlich auch ihrer Familie die guten Nachrichten erzählen. Immerhin hatten sie die ganze Zeit mitgefiebert. Zögerlich öffnete sie die Haustür, machte einen Schritt hinein und kam gar nicht dazu, ihre Heimkehr zu verkünden, ehe sie auch schon stürmisch umarmt wurde. „Setsuko, mein Schatz! Da bist du ja wieder, ich will alles wissen! Wie ist es gelaufen? Also du hast bestanden, das ist ja klar, aber was ist genau alles passiert?!“ Ihr Vater konnte es offenbar gar nicht erwarten, von dem Mädchen alle Infos zu bekommen, die er kriegen konnte. Zumindest hatte er sie nicht einmal die Tür schließen lassen, bevor er sie mit Fragen bombardierte. „Lass sie doch erst einmal reinkommen, sie trägt ja sogar noch ihre Gummistiefel, verdammt nochmal.“, schalt Setsukos Mutter ihren Mann, der sie dann auch nach einigem Zögern losließ. „Ja gut, dann zieh die Schuhe schnell aus und komm ins Wohnzimmer. Und DANN erzählst du mir alles!“ Die junge Haemasu musste lachen, während sie tat wie geheißen. Es war alles ganz genau so, wie sie erwartet hatte. Und sowie sie die Türschwelle ins Wohnzimmer übertrat wartete dort auch schon wieder ihr Vater und schaute sie freudig erwartend an. „Ja…also du hattest Recht, ich hab bestan-Waaaah!“

Ganz im Sinne dessen, was bisher passiert war, kam Setsuko nicht dazu, ihren Satz zu beenden, ehe sie schon in einer starken Umarmung von ihrem Vater so umhergedreht wurde, dass ihr schwindlig wurde. Nach einigen Momenten wurde sie dann zwar wieder abgesetzt, aber auch ihre Mutter stieg nun in die Umarmung mit ein, sodass die junge Haemasu fast vollkommen zerquetscht wurde. Daran störte sie sich aber recht wenig und lachte fröhlich. Tatsächlich tat diese Umarmung sogar verdammt gut.
Und ihre Freude sollte noch einmal einen deutlichen Sprung machen, als sie Schritte von oben von den Schlafzimmern runterkommen hörte. Kitai, den sie eigentlich frühestens Morgen von seiner Mission zurückerwartet hatte, kam runter und blieb grinsend am Fuß der Treppe stehen. Fragend zog er eine Braue hoch. Setsuko schaffte es, eine ihrer Hände freizubekommen und zeigte ihm stolz lächelnd einen Daumen nach oben. Das Grinsen ihres Bruders wurde breiter, aber man konnte auch den Schalk in seinen Augen ablesen. „Achtung, hier komm ich!“

Ohne dass einer aus der Gruppenumarmung hätte reagieren können, hatte sich der Junge einfach ohne Rücksicht auf Verluste, Arme voran, auf die drei geworfen. Da allerdings auch die Schwerkraft da ein Wörtchen mitzureden hatte, waren sie deshalb alle gemeinsam umgefallen. Nach einem kurzen Moment der Überraschung fing aber die gesamte Familie dann an zu lachen. „Ach ja, übrigens, dein Bruder ist früher wieder da, da war ja was.“

Ende des Prüfunsjobs: "Wochenmarkt und Marktschreier"
 
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