Kurz bevor Yasus Kopf aus der Schachtöffnung hervorkam, war Kisuke von der Kiste gesprungen. In hohem Bogen flog er über die Kinder, machte mehrere Saltos. Ein lauter Knall erschütterte den Boden der Halle, die Wand aus Kisten brach in sich zusammen. Panik breitete sich unter den Kindern aus, panisch rannten sie in Richtung des großen Tores, aus welchem sie eilig hinausströmten. Die Ablenkung nutzend landete Kisuke auf dem Boden, verschwand daraufhin in den Wolken aus aufgewirbeltem Staub. Sich schnell einen Weg bahnend, peilte der Shinobi die zwei Jugendlichen an. Diesmal war er wirklich in der Lage einen Überraschungsangriff zu starten, war sein Körper in der Staubwolke versteckt und nicht zu sehen. Einige Meter hinter den Rücken der beiden Jungen tauchte sein Körper wieder aus der Staubwolke auf, schlich sich lautlos an. Fünf Meter trennten ihn noch von den Jugendlichen, als ein schriller Kampfschrei seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zog. Ein kleiner Junge stürmte auf ihn zu, in seinen Augen waren weder Furcht noch Zurückhaltung zu sehen. Schien so, als hätte die Explosion ihn nicht beeindrucken können. Ein kurzer Funken Respekt flackerte in Kisuke auf, jedoch konnte er sich kaum um dieses Kleinkind kümmern. Kurze, strubbelige Haare in einem kräftigen Rot, ein rundes Gesicht, welches nicht ahnen lassen konnte, was sich hinter ihm verbirgt. Kisuke schätzte das Alter des kleinen Jungen maximal auf acht Jahre ein, was ihn spontan nicht zu einer großen Gefahr machte – Auch, wenn er soeben seinen Überraschungsangriff zunichtegemacht hatte. Seufzend schritt Kisuke auf den mickrigen Angreifer zu, streckte im richtigen Moment seinen Arm aus und griff mit seiner Hand nach seinem Kopf. Wild mit den Armen fuchtelnd versuchte er nach Kisuke zu schlagen, seine kurzen Arme verfehlten Kisuke aber deutlich.
„Shun, lass es sein!“ Die Stimme von einem der beiden Jugendlichen, Kisuke vermutete, er war der Ältere von beiden, ließ den kleinen Jungen in seinem Gefuchtel zusammenzucken. „A-Aber Takeru-Nii-san…“ Mit großen Augen drehte Shun seinen Kopf zurück, blickte seinen Bruder fragend an. Dieser nickte nur einmal zur Seite, machte ihm deutlich, dass er zu den anderen sollte. In einem Moment der Unachtsamkeit riss sich der kleine Junge los, rannte anschließend zu den restlichen Kindern, die noch nicht aus der Halle gerannt waren, begann mit ihnen zu flüstern.
Das typische Geräusch eines Kunai, der durch die Luft flog, riss Kisuke aus seiner Starre, zeigte ihm wieder, das er hier keine Zeit für andere Dinge hatte. Mit einem gekonnten Ausfallschritt zur Seite und einer leichten Drehung ließ er das Wurfgeschoss an ihm vorbeisausen. In einer der nicht zerbrochenen Kisten schlug er ein, zerstörte die Außenwand zu kleinen Teilen, hinter welcher sich eine weitere Ladung vergammelter Fisch befand.
„Ich bin dein Gegner, Junge!“ Der Junge, der von dem kleineren als Takeru angesprochen worden war, ging langsam auf ihn zu, seine Schritte halten durch die Halle, klar und deutlich. „Mir gefällt es gar nicht, wenn sich irgendwelche Möchtegernhelden in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angehen.“ Seine zur Faust geballte Hand schlug auf seine Handfläche, sein Gesicht war kalt und emotionslos. Aufmerksam musterte er seinen Gegner, solange ihm denn noch Zeit dafür blieb. Wie bei seinem Bruder prägten leuchtend rote Haare seinen Kopf, auch wenn sie so lang waren, dass sie zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Sein Körper war kräftig gebaut, die Arme muskulös, die Schultern breit und stark. Ein zerrissenes, schwarzes Shirt, dessen Ärmel abgerissen waren und eine Hose, die eindeutig mal bessere Tage erlebt hatte, bedeckten seinen Körper. Ein schwarzes Band war um seinen rechten Oberarm gebunden, auf den ersten Blick aussehend wie der Stoff eines Ninjastirnbandes, war bei näherer Betrachtung deutlich zu sehen, dass das metallene Emblem eines Dorfes auf selbigen fehlte. „Es wäre klug, wenn ich für den Beginn seinen Angriffen ausweiche. Er scheint zwar ernorme Kraft zu haben, jedoch bezweifle ich, dass er mir in Sachen Geschwindigkeit das Wasser reichen kann.“
Um sich in seiner Sache sicher zu sein rannte Kisuke frontal auf seinen Gegner zu, dessen Größe ihm erst jetzt wirklich klar wurde. Der Typ war mindestens anderthalb Köpfe größer als er! Ein lauter Schrei und die Faust seines Gegners setzte sich in Bewegung, auf den Magen des Hinketsu zielend. Kein Problem für Kisuke auszuweichen, war dieser Angriff doch zu berechenbar. Kurz vor Takeru bremste Kisuke im Lauf, drehte seinen Körper auf der rechten Ferse um neunzig Grad zur Seite. „Nagaréru-bogyo: otonáshii“ Blitzschnell packte Kisuke den Arm seines Gegners, die Wucht des Angriffes nutzend schleuderte er ihn sofort einige Meter von sich. „Für den Anfang nicht schlecht.“
Schnell hatte sich Takeru wieder aufgerappelt, nur ein wenig Dreck an seinem Körper war Beweis für den Angriff Kisukes. Sofort wurde ihm klar, dass dieser Hüne sicherlich einige seiner Angriffe einstecken konnte – Im Gegensatz zu ihm, der nach wenigen seiner Schläge einpacken konnte. „Nicht schlecht, du kleine Ratte!“ Mit mächtigen Schritten bewegte sich Takeru auf den Shinobi zu, schlug immer wieder mit seiner rechten Faust in Kisukes Richtung. Geschickt tänzelte der junge Hinketsu hin und her und wich so den Schlägen seines Gegenübers aus. Das war eindeutig zu einfach! Die Angriffe kamen immer in demselben Rhythmus, seine rechte Faust zielte immer auf dieselben Regionen seines Körpers. Ein weiteres Mal machte sich Kisuke auf einen Konterangriff bereit. Seine Beine parallel zueinander stellend wartete er auf den nächsten Faustschlag seines Gegners ab. Die Bewegung seines Gegners fixierend sah er sie auf sich zukommen, wie schon zuvor drehte er seinen Körper um neunzig Grad und ließ die Faust ins Leere gehen. Gerade wollte Kisuke den Arm packen, als er die zweite Faust in seinen Augenwinkeln auch sich zufliegen sah. Die Wucht des Schlages erfasste ihn und schleuderte ihn einmal quer durch die Halle, direkt in den Trümmerberg der Kisten. Die Landung war weicher, als er es sich vorgestellt hatte, war er doch direkt in etwas Glitschigen gelandet. Moment mal… Glitschig?! „Verflucht!“ Sein ganzer Körper war von stinkenden, glitschigen Fischen umgeben. Angewidert richtete sich Kisuke auf, versuchte sich, ohne auf einem Fisch auszurutschen, aus diesem Haufen zu befreien. „Hat dir das nicht gereicht, du Ratte?!“
Nein, er dachte nicht daran aufzugeben, dieser Kampf war erst vorbei, wenn dieser Typ kampfunfähig bei seinem Freund lag! „Du machst es dir echt zu einfach!“ Mit vielen kleinen, aber schnellen Schritten bewegte sich Kisuke auf seinen Gegner zu. Eine Idee war ihm in den paar Augenblicken zuvor in den Kopf geschossen. Sicherlich war der Fisch nicht daran beteiligt gewesen, aber dieser Plan würde hoffentlich funktionieren! Noch zwei Meter trennten den Shinobi von Takeru, welcher sich schon für einen heftigen Hammerhieb bereit machte. Die Hände zusammengefaltet wollte er wohl mit einem einzigen Treffer diesen Kampf beenden. Weit über seinem Kopf verharrten seine Hände, ehe sie mit einem mächtigen Aufschrei hinabsausten, als Kisuke in Reichweite gekommen war. „Nicht so!“ Im vollen Lauf bremste Kisuke ab, stieß sich vom Boden ab und wich dem heftigen Angriff mit einem eleganten Rückwärtssalto aus. Die Fäuste schlugen in den Boden ein, ein Aufkeuchen des Schmerzes entwich Takerus Kehle. „Jetzt bist du fällig!“ Kaum hatten Kisukes Füße Bodenkontakt, stieß sich der Hinketsu auch schon ab und schoss seinem Gegner entgegen, die Faust zum Schlag ausgeholt. Krachend traf sie den Brustkorb, ein weiteres Aufkeuchen war die Folge. Etwas benommen taumelte Takeru zurück, schien es für einen Augenblick doch so, als würde der Hüne im nächsten Augenblick umfallen, gewann er schnell wieder seine Fassung. Eilig stieß sich Kisuke von dem Hünen ab, der sogleich einen Hagel von Schlägen ansetzte, denen der Shinobi immer schwerer ausweichen konnte. Ein eiliger Blick zurück zeigte ihm, dass er bald an die Lagerhauswand gedrängt sein würde. „Zeit, mein letztes Ass auszuspielen.“
„Nagaréru-bogyo…“ Kisuke machte sich für die Abwehr des Angriffes bereit, wie schon zuvor drehte er seinen Körper zur Seite, ließ den Angriff der linken Hand ins Leere laufen. Kurz darauf folgte schon seine starke Rechte, in Takerus Gesicht zeichnete sich ein Ausdruck des Sieges ab. „Freu dich nicht zu früh!“ Den zweiten Schlag teilweise ablenkend, nahm er doch einen großen Teil seiner Energie für die zweite Grundbewegung seiner Taijutsutechnik in gebrauch. „taikyáku!“ Sein Körper wurde zurückgeworfen, flog direkt auf die Wand zu. Mit einer schnellen Drehung in der Luft schaffte es Kisuke mit den Füßen voran auf der Wand zu landen. Seine Knie anziehend machte er sich für einen schnellen Gegenangriff bereit. Schnell sich von der Wand abdrückend zischte Kisuke auf Takeru zu, der wehrlos auf derselben Stelle stand und zusehen musste, wie die Faust Kisukes auf ihn zuschnellte. „Der ist für Kobayashi-san!“ Der Schlag traf ins Schwarze, durch die Wucht des Schlages flog Takeru in Richtung von Yasu. Mitgenommen von diesem doch kräftezehrenden Kampf sackte Kisuke in die Knie. Ein Blick zum reglosen Körper von Takeru, welcher einige Meter von Yasu entfernt war, verschaffte ihn das Gefühl eines Sieges. Er schien das Bewusstsein verloren zu haben. Da hatte es ihn doch um einiges milder getroffen. Nur seine Hand war von der Wucht des Schlages mitgenommen und vollkommen taub und zusätzlich waren seine Klamotten von Fischwasser durchnässt. Glücklicherweise nahm seine Nase den penetranten Geruch von vergammelten Fisch gar nicht mehr war.