Najikama Atsui hatte keine Ahnung, was ein Vergnügungspark nun genau war, aber das verwunderte ihn nicht weiter, obwohl das, würde er das nun fragen, bei allen anderen sicher auf Unverständnis stoßen würde. Die fehlende Kenntnis über die alltäglichen Dinge des bürgerlichen Lebens war nun einmal der Preis dafür, wenn man sein ganzes Leben innerhalb eines einzigen Anwesens verbrachte. Selbstverständlich war er auf der Akademie gewesen, doch dort hatte der Genin eher zu den Einzelgängern gezählt, die zwar sehr gut im Unterricht waren und die man gerne in seinem Team hatte, um Aufgaben hervorragend zu lösen, aber in den Pausen und nach der Schule hielt man sich doch lieber von ihnen fern, schließlich war er doch recht arrogant und so reich, dass er sich bestimmt für etwas Besseres hielt. In gewisser Hinsicht stimmte das sogar und sein erster Gedanke, als er die Situation verstand, war der, ob es nicht eigentlich Personal für soetwas gab. Für solche Fälle gab es doch ausgebildete Medic-Nins und Taucherteams. Wer kam also auf die Idee vier Genin, von denen zwei sehr unerfahren waren, auf eine solch lebensgefährliche Mission zu entsenden? Atsui wollte ja nicht die Dorfverwaltung anzweifeln, aber es kam ihm durchaus spanisch vor, was sich auch an seinem immer ausdrucksloserem Gesichtsaudruck widerspiegelte. Der Junge registrierte und verarbeitete die Informationen, die Jun ihnen lieferte, sah dabei aber eher aus wie eine Holzpuppe. Der Geist des kleinen Prinzen war nach innen gekehrt und dachte angestrengt über die Gesamtsituation nach, mit der nicht gerade zufrieden war. Es war nicht direkt so, dass er sich irgendwie zu edel dafür war, den Job zu erledigen, nein, er war ein äußerst mitfühlender Mensch und behandelte grundsätzlich alle Leute gleich. Es waren Zweifel, die an ihm nagten, denn so sicher und cool er sich auch gab, er fühlte sich einer solchen Verantwortung noch nicht wirklich gewachsen. Gleich bei seiner ersten Mission hatte er etwas hoch Gefährliches abbekommen. Wollte Soragakure etwa, dass er scheiterte? Oder vertrauten ihm die hohen Tiere dort so sehr? Er wusste, dass er überdurchschnittlich intelligent war und sich beim Training ausgezeichnet anstellte, aber die Praxis war doch etwas ganz anderes. Es ging darum, vom Ertrinken bedrohte Leute zu retten und das erforderte nicht unbedingt nur Grips, sondern auch eine kräftige Portion Muskeln. Etwas, womit er ganz sicher nicht dienen konnte. Es war natürlich wunderbar, dass Jun mit seinen Taijutsus einen Ausgleich zum Rest des Teams bot, aber man konnte ihm unmöglich alle körperlichen Arbeiten übertragen. Sie mussten sich etwas einfallen lassen, einen Plan schmieden, wodurch sie ihre Schwächen entkräften konnten. Sicher dachte ihr Teamleiter daselbe, auch wenn er sich so locker gab. Atsui hatte eine Ahnung von der Kunst der Gefühlskaschierung und im Endeffekt gab es nur wenige Kategorien. Erstens: Man ging locker an Schwierigkeiten heran und verbarg die wahre Unsicherheit so, indem man auf andere umso selbstsicherer wirkte. Das hatte den Vorteil, dass man durch das Vertrauen anderer seine Selbstsicherheit hochpushen konnte, ohne im Ansehen zu verlieren. Davon Gebrauch zu machen erforderte allerdings eine schon vorhandene Menge an Mut und natürlich schauspielerischem Geschick. Insofern war Jun - wenn er nicht tatsächlich total unbekümmert war - mehr als nur bewunderswert. Zweitens: Die Maske. Seine Taktik. Um Gefühle nicht durchzulassen, erschafft man eine Mauer um sich herum, die jegliche emotionale Regung abtötet, bevor sie nach außen dringt. Obwohl es kompliziert klang, war es das gar nicht wirklich. Man zahlte lediglich den Preis, dass man ein bisschen seltsam rüberkam. Kalt, unnahbar, arrogant. In diesem Fall hatte Jun also eine ganz gute Wahl getroffen. Für weitere Spekulationen über den Teamleiter blieb allerdings keine Zeit mehr, es ging nämlich los! Das Herz des Najikama begann heftig zu pochen, als er einen Fuß vor den anderen setzte und sich dicht am Schwarzhaarigen hielt, immernoch darauf bedacht, seinen Blick von Moritaka fernzuhalten. Gerne hätte er ein paar Worte mit dem gewechselt, aber momentan war der Blondiner mit sich selbst leider mehr als genug beschäftigt und auch der andere wirkte eher angespannt. Vermutlich dachte er, wo er doch erstaunlicherweise viel erfahrener als er selbst war, über die Situation nach. Wie auch immer, er wollte ihn weder belästigen noch stören, also fesselte er seinen Blick einfach auf den breiten Rücken ihres Teamleiters und stolzierte königlich über den Asphalt, bis sie nach einer schweigsamen Weile in Getsurin ankamen. Dort stellten sich sogleich mehrere Dinge heraus: Zum Einen war dort ein Parkangestellter, der sich als ihr Chauffeur herausstellte und sie mit einem Schnellboot Richtung Teki no Tendou kutschieren würde. Verwundernswert war, für ihn selbst, dass er bereits nach so kurzer Zeit sein eigenes Fachwissen anwenden konnte. Tatsächlich gab es nämlich schon wieder etwas, von dem der Najikama sehr viel Ahnung hatte: Fahrer. Alle großen und kleinen Strecken, die er jemals zurückgelegt hatte, waren stets von verschiedenartigem Personal begleitet gewesen, insofern wusste er, wie man solches einschätzte und bewertete. Auf einer Skala von 1 bis 10 gab es allerdings für den Schnellbootfahrer aber allerhöchstens eine 4. Er wirkte viel zu gehetzt und zeigte sogar, dass er anwesend war. Ein professioneller Kutschierer war höflich, aber distanziert und wurde unsichtbar, sobald die Arbeitgeber sich auf dem Gefährt befanden, um sich dann wieder zu melden, wenn es ans Aussteigen ging. Zumindest hatte er eine entfernte Ahnung davon, was gute Manieren waren, denn er bot dem etwas ratlos neben dem Boot stehenden Jungen Hilfe an, um in das auf den Wellen treibende Gefährt zu steigen, die er natürlich dankend annahm. Der Typ wurde schließlich dafür bezahlt, dass er den Leuten half, und er hatte sicher nicht vor, vor all seinen Teamkameraden auf die Nase zu fallen. Mit einem höflichen "Arigatou." suchte er sich einen Platz weiter vorne, möglichst weit vom lärmenden Motor entfernt, und hielt den Blick auf die Inselgruppe gerichtet, die langsam Gestalt annahm. Der Najikama war durchaus offen für all die Wunder der Natur, sicher, aber im Moment hatte er Besseres zu tun als das Meer anzuschmachten oder sich ob er Großartigkeit der künstlichen Inseln zu erfreuen. Das hier war Arbeit. Wenn er das Meer genießen wollte, machte er Urlaub in Getsurin und den Vergnügungspark konnte er genausogut beobachten, wenn sie ihn gerettet hatten und er wieder für Besucher freigegeben wurde. Wobei...das war eher zweifelhaft, auch wenn die Informationen eher spärlich waren, die sie erhielten, so würde diese Katastrophe sicher für einen Skandal sorgen, welcher der Parkleitung mit oder ohne Todesopfer die Besucherzahlen kosten könnte. So lief das Geschäftsleben nun einmal. Es war brutal, aber für die Zukunft des Parks war es vollkommen unerheblich, ob einer, keiner, oder gar alle starben. Für ihn persönlich war es das natürlich nicht. Atsui betete inständig, dass sie alle retten konnten und er würde alles in seiner Macht stehende tun, um sie zu bergen. Als ein Diener seines Landes war es seine Aufgabe, ein Held zu sein! Das Ganze ging dem Kleinen doch ziemlich nahe, weshalb er sich schnell auf etwas anderes konzentrierte, um nicht noch aus Versehen loszuheulen. Wie sähe das denn aus?!
Nun, eines sah auf jeden Fall schon mehr als schlecht aus: Die Mitteilungsbereitschaft ihrer Auftraggeber. Es war natürlich klar, dass man dem Fahrer nicht wirklich etwas gesagt hatte, er war schließlich ein viel zu kleiner Fisch im Vergleich zu den Geschäftsleuten, die sich den Bau einer unterirdischen Parkanlage leisten konnten (was auch immer sie genau gebaut hatten - was war denn nun ein Vergnügungspark?!). Allerdings war es nicht wirklich schlau gewesen, sie vier auf eine Unterwassermission zu entsenden, ohne etwas davon zu sagen. Der Najikama hatte sich darauf vorbereitet, zu kämpfen und sich deshalb vor allem mit dieser Art von Ausrüstung eingedeckt. Wie hätte er auch darauf kommen sollen, dass Schwimmflossen und Sauerstoffflaschen angebracht gewesen wären? Der Mangel an nützlichen Hinweisen stieß ihm ziemlich sauer auf. Einerseits erwartete man von ihnen, dass sie Leben retteten, aber sie waren doch auch keine Superhelden. Klar, Ninjas waren belastungsfähiger und stärker als normale Menschen, aber sie konnten auch nicht ewig die Luft anhalten oder sich nach Lust und Laune zwanzig Leute über die Schultern schmeißen. Zumindest er nicht. Und da man es nicht für nötig befand, Chuunin oder gar Jounin zu beordern, musste es einen anderen Weg geben. Oder die Parkleitung war zu geizig. Egal was es war, zunächst blieb Atsui nichts anderes übrig, als sich zurückzulehnen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Kurz bevor man ihm mit starken Armen, die er gerne annahm, vom Boot half, rief er sich den Namen ihrer Kontaktperson noch einmal ins Gedächtnis. Arai Kazuichi. Alles klar. Nachdem die kleinen Füßchen des Najikama wieder festen, wenn auch künstlichen, Erdboden berührt und er sich kurz bei seinem Helfer bedankt hatte, drehte er seinen Körper direkt in Juns Richtung, oder eher, in die Richtung des betagten Herren, der sie schick gekleidet erwartete. Abschätzend wanderten die großen, blauen Augen des Jungen über die Tracht des Mannes und registrierten sofort, dass es sich um hochwertige Kleidung handelte. Komisch, dass der Ingenieur so adrett und teuer behangen wurde...besaß die Parkverwaltung so viel Geld? Es blieb nicht lange Zeit, den erlesenen Geschmack des Personals zu bewundern, denn nach einer kurzen Begrüßung zog Kazuichi eine beinahe unmenschliche Geschwindigkeit an, die Atsui schon nach kurzer Zeit an die Grenzen seiner schwächlichen Lungen treiben würde...Na toll. Nichtsdestotrotz versuchte er den beiden (Jun und Speed-Ingenieur) so gut es ging zu folgen und ihr Gespräch mitzubekommen. Leider kam es, wie es kommen musste: Er brauchte schon nach kurzer Zeit eine Atempause und überließ Jun im vollsten Vertrauen das Beschaffen von Informationen, während er seinen Blick über die Umgebung schweifen ließ. Zuvor hatte er eher scheuklappenartig den Gänsemarsch hinter dem Teamleiter bevorzugt, aber jetzt, wo er die Augen aufmachte, erkannte er, dass er als einziger wirklich hinterhergetackelt war. Nami und Mori unterhielten sich beide mit irgendwelchen Personen, sollte er das vielleicht auch tun? Hm. Suchend blickte er um sich. Überall, wo er hinsah, befanden sich kleine Gruppen von Menschen, die sich im Allgemeinen in zwei Kategorien aufteilen ließen: Opfer und Ärzte. Oder: Kunden und Personal. Auch hier war auffällig, dass alles sehr teuer aussah. Nicht das teuer, über das man sich als normaler Bürger beschwerte...richtig kostspielig. Ihre Ausrüstung glänzte und glitzerte so sehr, dass er gar nicht wusste, wo er zu schätzen beginnen sollte. Und wenn er so recht darüber nachdachte, war das Schnellboot auch ziemlich luxuriös gewesen. Eigenartig....und etwas verdächtig. Atsui wusste ja nicht, was man als Parkangestellter so verdiente, aber es war schon etwas komisch. Verständlich wäre es gewesen, wenn die Kunden allesamt stinkreich gewesen wären, aber eigentlich sahen sie alle ganz normal aus. Wozu lieferte man so teure Ausrüstung für solche Leute...oder eher...woher kam der immense Profit, der damit einhergehen musste...? Stirnrunzelnd wandte sich der Najikama von der traurigen Szenerie ab. So viele Leidende und Verletzte konnte er kaum ertragen. Seltsam, wie er von einen Augenblick in den anderen die herzliche Linse über den fachmännisch-geschäftigen Blick schieben musste, um sich nicht ganz in der Gleichgültigkeit zu verlieren, die man ihm so gerne eingetrichtert hatte. All diese Menschen taten ihm wirklich aufrichtig Leid und er wollte, dass sie eine gute und effektive Behandlung bekamen, egal wie suspekt das Ganze war. Als sich Atsui gerade so müßig und mitleidsvoll um die eigene Achse drehte, kam auch schon Jun auf ihn zu und nach kurzer Zeit war das Team wieder beisammen. Obwohl er es nicht sollte, schaute er ganz schnell nach Mori und musste wieder lächeln. Er war zu schüchtern, um das anzusprechen, aber Atsui hatte doch kurz beobachtet, wie er ein laut weinendes Mädchen beruhigt hatte - das war ja eigentlich gar nicht zu überhören gewesen. Wirklich beeindruckend und cool! Vielleicht las der Andere es ja irgendwie aus seinem Lächeln. Und wenn nicht, auch nicht so schlimm. Die höchste Priorität galt ohnehin dem, abzuwiegen, was das kleinere Übel war: Sich mit einem U-Boot nach unten zu begeben, welches möglicherweise nicht mehr auftauchen konnte (hierbei wäre nützlich zu wissen, inwiefern man ein U-Boot denn steuerte und ob es jemanden in ihren Reihen gab, der das wusste), oder aber man spielte Superman und tauchte hinab, was gelinde gesagt eher...lächerlich war. Und natürlich gab es noch das Problem mit dem Druck, der ihnen zeitliche Grenzen setzte. Kompliziert...Im kleinen Köpfchen des Prinzchens ratterten die Zahnräder, weshalb er am Ende natürlich wieder als Letzter dastand, um seine Meinung kundzutun. Die Kritikpunkte der anderen waren ebenso schwerwiegend, wie auch klug. Namis Taucherkrankheit war ein Aspekt, den es zu bedenken galt, aber besonders verwundert war er von Moritakas Argumentationsweise. Er wirkte zwar schüchtern und war total angespannt, aber unter seiner Stotterei und den weiten Kleidern war ein schlauer Kopf verborgen, wie es schien. Ich sollte mich nicht von Äußerlichkeiten blenden lassen. Bestimmt kann er mehr, als ich denke...oder es war Glück, aber das glaube ich nicht. Nun war es an ihm selbst, sich zu äußern. Die Brauen des Jungen wanderten zusammen, er verschränkte einen Arm und setzte den Zeigefinger des anderen an das Kinn, ehe er einen ernsten Blick in die Runde warf (Jun und Nami schaute er ins Gesicht, Mori gegen den Bauch). "Lasst mich die Situation zusammenfassen: Wir befinden uns auf einer künstlichen Plattform, unter uns liegt Umiparesu, der bedrohte Vergnügungspark. Durch den angesammelten Druck handelt es sich hierbei um eine tickende Zeitbombe, die wir nicht entschärfen können. Es ist also absolut sinnlos, da irgendwo anzusetzen. Und wir sind alle der Meinung, dass bloßes Schwimmen idiotisch ist. Wenn ich all diese Leute hier ansehe, die von Ärzten behandelt werden, frage ich mich, ob wir die ersten sind, die Rettungsversuche unternommen haben. Wohl kaum. Wir brauchen kein Jutsu, das uns ewigen Atem verleiht, wenn uns eventuell von der Parkleitung Taucherausrüstung gestellt wird. Zudem werden wir natürlich einen Techniker benötigen, der das U-Boot steuert, falls es hier nicht zufällig jemanden gibt, der das kann. Ein weiterer zu bedenkender Punkt wäre, wie wir hineinkommen sollen, ohne unsere Zeit da drin rapide zu verkürzen. Ich halte das für keine Option, zumal diese Leute überall sein können. Wäre es vielleicht möglich, auf demselben Weg wie das Wasser hineinzugelangen? Menschen können die Luft nicht länger als zwei Minuten anhalten, es muss da unten also ein trockenes Plätzchen geben, wo sich diese Personen aufhalten oder zumindest nach Luft schnappen können, ich gehe hierzu einmal davon aus, dass sie noch am Leben sind. Wir müssten also mit dem U-Boot nur bis zu dieser Position gelangen und könnten und dann vielleicht zu Fuß bewegen...Ich weiß nicht. Mit kommt das Alles etwas undurchsichtig vor und ohne irgendwelchen Kontakt zu den Gefangenen sind es mir beinahe zu viele 'eventuell' und 'vielleicht'. Ich würde sagen, lasst uns das U-Boot nehmen, aber die Entscheidung liegt bei dir, Jun." Tief ausatmend wandte er verlegen den Blick ab. Oh Mann, da hatte er ja einen Schwall hervorgesprudelt...hoffentlich war das auch okay so. Schrecklich, wenn er sich furchtbar blamiert hätte! Dennoch wollte er gerne die Meinung ihres Teamleiters hören - was würden sie nun tun?