Als Daisuke den Sakkaku so über die Schlucht trug, wurde er so langsam wieder ruhiger. Die Situation war, selbst für ihn, nach wie vor anspannend, aber da sie sich momentan in ungefährer Sicherheit befanden, konnte er noch durchatmen. Daisuke war sich sehr wohl dessen bewusst, dass diese ruhige Atmosphäre jeden Moment kippen könnte. Es war schwer mit dieser Situation umzugehen, aber die ganze Zeit seien Wut immer weiter aufzustauen und sich aufzuregen, würde es sicher für keinen von ihnen leichter machen. Also sollten sie wohl oder übel den Moment genießen, in denen ihre Aufgaben noch machbar und erträglich waren. Sicher würde ihnen diese Luxus nicht mehr lang gewürdigt werden. Vielmehr hatte der Tetsuya das Gefühl, dass das alles hier Herausforderungen waren und es kam fast so rüber, als müssten sie sich als würdig erweisen. Die Handlanger des Gesuchten waren schon öfter in der Nähe gewesen, da war Daisuke sich sicher. Warum sie nicht zuschlugen, war allerdings ein Rätsel. Sicher war, dass dieser Typ scheinbar eine Herausforderung suchte, sonst hätte er die Shinobitruppe schon lang versucht vom Berg zu fegen. Stattdessen schien man sie vom Umkehren abhalten zu wollen… Gefangen nehmen, würde sich der Tetsuya aber lange nicht lassen. Das hatte er einmal über sich ergehen lassen und würde er nie wieder zulassen…
Dass er den Knoten am Enterhaken noch einmal festgezogen hatte, war eigentlich eine reine Routinemaßnahme. Von Daisuke erwartete man immer, dass er solche Aufgaben übernahm. Alles was mit körperlicher Arbeit zu tun hatte, wurde auf den Weißhaarigen abgeschoben. Oftmals war er dies sogar leid, denn er wusste, dass manche Menschen sich da ein wenig zu sehr auf ihn verließen und dadurch sogar teilweise faul wurden. Es war nicht so, dass er dem Kinzoku nicht traute, aber er wollte auch am Ende nicht auf sich sitzen lassen, dass sie zu viert in einen Abgrund stürzten, weil er nicht noch einmal alles überprüft hatte. Sein Verantwortungsbewusstsein war seit der Mission in Konoha vielleicht etwas sehr groß und der Drang alles richtig zu machen, war teilweise selbst für den kräftigsten Chuunin schwer zu tragen…
Jeder Mann, der ein gewisses Maß an Stolz hat, würde die Position, in der Hebi sich befand, als zutiefst peinlich empfinden. Für Daisuke selbst wäre es sicher sogar schwierig eine solche Position anzuerkennen… Nein, um genau zu sein, war der Weißhaarige lang nicht mehr in eine peinliche Situation geraten. Selbst der Fauxpas in Konohagakure war ihm nicht so unangenehm gewesen, weil dieses Versagen unausweichlich und nicht allein seine Schuld war, auch wenn er viel davon selbst auf sich nahm. Eine viel beschämendere Situation war beispielsweise auf einer S-Rang Mission gewesen, als Daisuke von einer nicht unbekannten Konohakunoichi beinahe in Streifen geschnitten wurde… Nicht die Tatsache war es, die das unangenehm machte, sondern sein Versagen und dass er sich allein nicht einmal mehr auf den eigenen Beinen halten konnte. So etwas war für ihn unvergesslich und nicht grade wenig schmerzhaft. Egal wie mies Hebi sich nach dieser, oder anderen Aktionen, von denen Daisuke nichts wusste, fühlte. Der Tetsuya wäre nie eine Person, die sich über ein solches Versagen lustig machen würde. Er hatte ja selbst genug Dreck gefressen und seinen Kopf in die unmöglichste Scheiße geritten…
Die Aktion an sich war für den weißhaarigen Chuunin nicht besonders herausfordernd. Das Einzige, um was er sich sorgte, war der Sakkaku, der ja quasi ungeschützt an ihm hing. Dass er sich selbst, durch seine Ohnmacht, nicht festhalten konnte, erschwerte es eben doch irgendwie. Deswegen sah der Shinobi mehr nach unten in die Schlucht, als nach vorn, was für jeden Angstpatienten wohl die reinste Folter wäre. Für ihn spielte das keine große Rolle. Er beschloss, für sich selbst, in solchen Situationen, dass ihm einfach kein Fehler unterlaufen würde. Und selbst wenn dem so wäre, würde Daisuke eher darauf achten, dem Genin zwischen seinen Beinen die Haut zu retten, als sich selbst zu schützen. Dabei hing er eigentlich doch sehr an seinem Leben, aber mit der Schuld, nicht alles getan zu haben, um einen Kameraden zu retten, könnte er ohnehin nicht weiterleben…
Nun kam auch schon das Ende der Kletteraktion, welches sich am Rand der Schlucht sichtbar machte. Der Tetsuya legte seine Hand an den Abgrund und zog den Sakkaku mit der anderen Hand wieder aus seiner unangenehmen Position heraus. Ihn auf den Boden zurück zu befördern, erforderte viel Feingefühl bei dem Tetsuya, sodass er ihn, so wohlbehalten wie möglich, auf den Boden schieben, oder eher schwingen musste. Nachdem das erledigt war, zog er sich selbst rauf und stellte sich wartend am Ende der Schlucht auf. Da der Kinzoku ein eher stolzer Typ war, beobachtete Daisuke ihn genau beim Klettern, bevor er abwog, ob er ihm auf den letzten Metern helfen sollte. In dieser Situation konnte er ihn aber sicher gewähren lassen, denn auf das Stückchen kam es bei ihm sicher nicht an. Nachdem der Kinzoku das aber geschafft hatte, beobachtete Daisuke schmunzelnd, wie die kleine Ikari die Schlucht überwand. Ihren Körper und ihre Möglichkeiten so effizient wie möglich zu nutzen, darauf verstand Yukiko sich. Ob es ihr egal war, wie affig das grade aussah? Bei dem quasi emotionslosen Mädchen ließ sich immer schwer sagen, ob sie innerlich kochte oder eben nicht. Daisuke beschloss in diesem Moment wenigstens ihr ein wenig zu helfen. Schon allein, weil sie ein Mädchen war und wirkte, als könne sie seine Hilfe gut gebrauchen. Ob sie dankbar dafür sein würde, stand auf einem anderen Blatt Papier, aber da sie einen solch falschen Stolz hasste, schätzte er sie nicht so ein. Also wartete er, bis sie nahe genug dran war, ging in die Knie und streckte seine Hand nach ihrer aus. Ein erstaunlich ruhiges und warmes Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Tetsuya, was wohl nicht bei jeder Person in solchen Situationen heraus zu kitzeln war. Ja, Daisuke hatte seine charmanten und freundlichen Seiten, die er jedoch nicht immer zur Schau trug. So zog er das Mädchen mit einer Leichtigkeit zu sich und half ihr am Abgrund wieder hoch. „Alles in Ordnung?“, fragte er noch immer erstaunlich gelassen, fast so, als hätte er den Ernst der Situation für einen Moment völlig ausgeblendet und auch ihre Worte absolut überhört…
Die kurze Idylle wurde aber kurz darauf durch ein leises Geräusch wieder zerschlagen. So leise, dass man es kaum wahrnehmen konnte, wenn man nicht sehr genau darauf achtete. Da Daisuke mit dem Blick zur Schlucht gewandt war, entging ihm dies nicht. Innerhalb kürzester Zeit nachdem sie die Schlucht überquert hatten, durchtrennte ein Wurfmesser ihr Seil. „Yare, yare… Das gute Seil.“, murmelte er kurz noch sehr ruhig, ehe wenige Sekunden später eine ganz andere Reaktion des Weißhaarigen in seinem Gesicht wiedergespiegelt wurde. Das eben noch so herzliche Lächeln wurde weggewischt und übrig blieb ein strenger, angespannter Blick. „Tsk… Das pisst mich an.“, fluchte er leise und warf einen Blick auf ein Loch in der Wand, durch das das Wurfmesser gekommen sein musste. „Ich frage mich, wie lang die schon hier sind, dass sie solche Vorbereitungen treffen.“, fügte er knurrend hinzu und richtete seinen Blick nun auf Yukiko. „Ich schätze, deine Annahme, dass hier keine Menschen sind, ist nicht ganz richtig. Diese Typen wollen uns entweder verarschen oder herausfordern… Zumindest kann ich mir sonst nicht erklären, warum sie uns stets und ständig im Auge haben, aber uns scheinbar „nur“ den Weg abschneiden wollen…“ Er warf einen Blick auf seine beiden Genin. „Was denkt ihr darüber?“ Während er das sagte, blickte er sich um. Hier gab es nichts mehr, außer dem mysteriösen Schalter. Zu gern hätte der Tetsuya ihn probiert, um herauszufinden, was sie dort erwartete, aber seine Teammitglieder konnte er nicht so leicht in Gefahr bringen. Der weitere Weg war sehr offensichtlich gekennzeichnet, was auch durch das Licht im Raum gut zu erkennen war. Wieder ein großer Stein, der den Weg versperrte. „Diese Spielchen pissen mich an…“, fluchte er erneut, während er sich den Sakkaku wieder vorsichtig über die Schulter warf und seine Genin mit einem Winken der freien Hand darauf aufmerksam machte, dass sie ihm folgen sollten. Sie sollten hier nicht grundlos verweilen, vor allem nicht, wenn man sie beobachtete…
Dass Daisuke nicht besonders gut gelaunt war, ließ sich daran erkennen, wie er den Stein aus dem Weg räumte. Mit einem Schnipsen, nur mittels seines Zeigefingers, zertrümmerte er den Fels in viele kleine Kiesel… Dabei grummelte er etwas vor sich hin, was nicht unbedingt ausgeschrieben werden sollte, weil es sich dabei um ziemlich üble Flüche handelt. Hinter dem Fels wurde ziemlich deutlich, dass es hier drin auch noch dunkel war. Daisuke ließ Hebi auf seiner Schulter hängen, holte die Fackel wieder hervor und entzündete sie, ehe er den Jungen auf seiner Schulter wieder zurechtrückte und voranging. „Warum machen die nicht gleich überall Licht, wenn sie hier schon Strom legen?“, fragte er mit einer etwas ironischen Tonlage und lief voran in den Raum… Dieser entpuppte sich schon auf den ersten Blick als kleiner als der Letzte und ja, diesmal gab es sogar einen festen Boden unter ihren Füßen. Rund herum ließen sich Fackeln erkennen, weswegen der Tetsuya sich auf den Weg machte, diese zu entzünden. War das eine Art Test? Schwachsinn… Nachdem er recht rasch alle Fackeln entzündet hatte, erhellten sie den Raum und zum ersten Mal wurde ihnen ein richtiger Blick auf diese Umgebung gewährt. Daisukes Blick wurde wieder streng… Was genau sollten sie hier tun? Links von ihnen befand sich ein riesiger, metallener Brennofen, der scheinbar mit Kohle funktionierte oder so. Er war abgestellt, es schien so, als würde hier momentan keiner arbeiten… Rechts von ihnen befand sich, sozusagen, ein Waffenarsenal. Wirklich, so viele Waffen auf einem Haufen hatte der Tetsuya zuvor noch nicht gesehen. Vor allem sein fragwürdiger Blick drückte aus, dass das nicht das war, was er unter Waffen verstand. Zwar ließen sich ansatzweise Waffenarten wie Kanonen, Pistolen oder auch Schwerter erkennen, doch all das war dem Tetsuya in diesen Kombinationen sehr unbekannt. Ein Waffenkenner würde sicher erkennen, dass es sich hierbei um sehr moderne und fortschrittliche Technologien handelt, ungefährlich wirken sie auch nicht grade, vor allem weil ihr Verwendungszweck nicht immer ganz offensichtlich ist. Erst nach einem Moment nachdenken äußerte sich der Tetsuya zu dieser Situation und zwar sehr deutlich. „Wir sollten hier lieber nichts anfassen, oder? Ich meine… Ich weiß nicht mal wozu das Zeug hier gut sein soll… Das wirkt schon wieder wie eine Falle… Am besten wir gehen einfach weiter.“ Daisuke wartete auf eine Reaktion der Shinobi. Vielleicht wollten sie sich doch ein wenig umsehen? Blind in den nächsten Raum zu stürzen, war vielleicht nicht so gut… Und wer weiß, wer oder was sie hinter der nächsten Tür erwartete. Hier war es ruhig, viel zu ruhig…