Da kamen sie also, seine Kameraden. Einer nach dem anderen präsentierte sich ihm auf ganz eigene Art und Weise. Für Ryu war solch eine Show immer äußerst informativ, es war ganz so, als säße er in der Jury eines Schönheitswettbewerbs, darauf aus, die hübschesten Köpfe der Nation zu küren. Jeder Kandidat legte seine ganz eigene Vorstellung von einer Mission vor, reagierte anders, zeigte, was in ihm steckte. Und er saß da, blickte von seinem Limettenwasserglas auf und machte sich mentale Notizen zu ihnen, um dann am Schluss – Na ja. Mit ihnen auf Mission zu gehen. Zugegeben, zum Abschluss hin hinkte der Vergleich etwas, doch das hielt ihn nicht davon ab, sich jedem einzelnen Teilnehmer des Auftrages genau zu widmen, wobei es ihm natürlich ganz gelegen kam, dass sie alle einzeln antanzten.
Der Erste, den er nach einem flüchtigen Blick auf den Eingang zu sehen glaubte, war ein dunkelhaariger Junge, der suchend durch das Lokal blickte und dann bei ihm hängen blieb. Der Hyuuga wusste nicht, wer dieser war – entweder Mushiro oder Kaoru – und blieb deshalb sitzen, ohne sich groß darum zu bemühen, auf sich aufmerksam zu machen. Das war nicht arrogant gemeint oder so, als Mitglied seines Klans war es einfach nicht nötig, auf sich zu zeigen – wer ihm ins Gesicht schaute wusste ja sowieso sofort, dass er ein Hyuuga war. Recht zielstrebig kam der Grünäugige auch schon auf ihn zu und stellte sich neben seinem Sitzplatz auf, um sich vorzustellen. Ryus Mundwinkel verzogen sich zu einem höflichen Lächeln, als dieser sich vorstellte. Er nickte auf die Frage hin und antwortete mit einem lockeren “Natürlich” darauf, ob der Junge sich setzen durfte. So, das war also Yuzuki Kaoru. Der Name wurde abgespeichert, der Blick erwidert. Jaaah, nun hatten sie ein bisschen Zeit, sich kennen zu lernen. Der Genin legte den Kopf leicht schief, als der Dunkelhaarige zu reden begann und nickte auf seine Aussage hin. Er trank einen Schluck Wasser, bevor er den Mund aufmachte. “Nicht ganz in das Reich selbst, wir streifen eher die Grenze. Da die Entfernung aber kaum kleiner ist als wenn wir direkt hineinreisen würden, ist es wohl einfacher das zu sagen. Du kennst jemanden, der dort herkommt? Ich bin leider erst einmal dort gewesen, aber keine Sorge, ich kenne den Weg.” In und auswendig, er hatte ihn schon kurz nachdem er den Brief erhalten hatte umfangreich nachgeschlagen und studiert, um ihn ja nicht zu vergessen, aber das musste er ja nicht erwähnen.
Doch es war auch überhaupt nicht mehr nötig irgendetwas zu sagen, da in diesem Moment auch schon der zweite Junge im Bunde auftauchte, der nach logischer Schlussfolgerung Tochiba Mushiro sein musste. Er war klein und rothaarig, sah im Allgemeinen recht niedlich aus, wenn man das so sagen konnte – auf jeden Fall jünger als die beiden Genin, die etwa gleich alt anmuteten. Auch er schloss zügig zu ihm auf, fragte gar nicht lange, ob er es nun war, den er suchte, sondern ging gleich zur Sache. Leicht irritiert erwiderte er den Blick des Jüngeren. Natürlich war zumindest einer seiner Teammitglieder schon da? Kaoru saß direkt neben ihm...? Und was sollte eigentlich dieses “-dono”? Seltsam. Na ja, vielleicht war Mushiro ein wenig beschränkt, das konnte sein. Aber damit kam er klar. Mit offenkundig steigender Augenbraue betrachtete Ryu allerdings den verächtlichen Blick, welchen der Rothaarige seinem Kameraden schenkte. Kannten sich die beiden, oder hatte er mit dem Tochiba tatsächlich den verwöhnten Schnösel dieses Konzerns zu tun, dessen Waren ihm partout nicht einfallen wollten? Seine Frage brachte erneut Verwirrung in das höflich lächelnde Gesicht des Hyuuga, der nun beschloss, etwas gegen die Unfreundlichkeit des Kleinen zu unternehmen, bevor das noch eskalierte. Auf seiner Mission waren alle gleich viel wert! “Entschuldige, Mushiro-kun...”, begann er und verzichtete dabei auf eine förmliche Anrede wie “-san” oder seinen Nachnamen, für Respekt musste man ihm nämlich etwas vorweisen, was sich von einer Snobattitüde unterschied... “Es tut mir Leid, wenn du etwas falsch verstanden hast, aber denjenigen, den du hier so ansiehst als hätte er zwei Köpfe, das ist Kaoru-kun.” Ryus Augenbrauen zogen sich etwas zusammen, er nahm noch einen Schluck von seinem Wasser, damit Mushiro die Information verarbeiten konnte. “Davon abgesehen wäre etwas mehr Freundlichkeit gegenüber deinen Teamkameraden angebracht. Wenn du dir direkt Minuspunkte verschaffst, machst du es dir nur unnötig schwer.” Ein unverhohlen freundliches Lächeln traf das nun vielleicht entsetzte Gesicht des Kleineren, dann wandte sich der Hyuuga wieder der Tür zu. Der Platz neben Kaoru war noch frei. Es war schon nach zehn...Wo blieb Ririchiyo? Er kannte sie bisher eigentlich nur als pünktlich, wenn er sie überhaupt nach einem Job richtig kennen konnte – ob ihr wohl etwas passiert war? In Jôsei? Der Heimat von Dutzenden Shinobi? Nein, sie war wohl einfach etwas spät dran. Mit einer kurzen Handbewegung auf die Wasserkaraffe in der Mitte des Tisches und einem fragenden Blick bot er sich an, auch den anderen etwas zu Trinken zu geben, hielt jedoch inne, als er endlich das Mädchen in das Lokal kommen sah. Schnaufend und schlurfend hielt sie auf ihren Tisch zu, das schlechte Gewissen bildete einen tonnenschweren Sack auf ihren Schultern, den er förmlich vor sich sehen konnte. Ihre Kleidung war wie immer zuckersüß, ihr ganzes Aussehen eine Kalorienbombe der Extraklasse – ihre beschämte Schnute tat sein Übriges. So wie sie sich verbeugte und sich eilig entschuldigte erinnerte sie Ryu ein bisschen an seine kleine Schwester, wenn diese irgendwie Mist gebaut hatte... Auch ihre Entschuldigung konnte er nachvollziehen. Als Diener und Sklave eines ganzen Klans wusste er nur zu gut, was es hieß, “schnell” eine Arbeit auszuführen. Besonders seine Mutter kannte den Trick, wenn sie meinte, ob er ihr vielleicht eine Stunde helfen könnte und daraus dann plötzlich der halbe Tag wurde. Dennoch durfte er nicht, wenn er Mushiro schon für seine herablassende Art gemaßregelt hatte, das einfach so durchgehen lassen, sonst hielten sie ihn noch für parteiisch, nur weil sie ihn kannte. “Guten Morgen, Ririchiyo-san. Es ist schon in Ordnung, aber versuch das nicht mehr vorkommen zu lassen. Möchtest du etwas trinken?” Da er, geistreich wie er war, noch immer den Wasserkrug in der Hand hielt, beschloss er, ihr einfach mal ein bisschen davon in das bereitstehende Glas einzuschenken. Somit würdigte er möglichst diskret, dass sie sich so beeilt hatte und gab ihr Gelegenheit, sich mit dem Glas zu beschäftigen.
Nun, da sie alle da waren, konnte sich der Hyuuga ja endlich an's Eingemachte machen. Mit einem weiterhin sehr höflichen, aber nun eher geschäftsmäßigem Lächeln suchte er einmal Blickkontakt durch die Runde und begann dann, nachdem er sich vergewissert hatte, die Aufmerksamkeit aller einigermaßen gefangen zu haben, mit einem kurzen Vortrag: “In Ordnung. Ich habe dieses Treffen einberufen, damit wir uns im Vorfeld schon etwas beschnuppern können. Da wir einen längeren Marsch vor uns haben, ist es wohl einfach angenehmer, wenn wir hier alles klären. Wir hatten noch keine Mission zusammen, also wäre es wohl angebracht, wenn wir uns einander einmal unsere Erfahrung und unsere Talente näherbringen, also, was ihr so beherrscht. Ich bin ein Hyuuga, also beherrsche ich das Byakugan und eine Chakratechnik – allerdings stütze ich mich eher auf Ninjutsu und habe Kenntnisse in Medizin und Fuuton.” Nach dieser Informationsschwemme lehnte sich der Genin zurück und ließ die weißen Augen durch die Anwesenden schweifen. Auf eine gewisse Art war ihm die Neugier wohl anzusehen – ob sie sich wohl alle gut ergänzten?