Nie, NIEMALS hätte die Brünette angenommen, dass sie tatsächlich irgendwas treffen würde, nachdem sie dermaßene Schwierigkeiten gehabt hatte, die Technik überhaupt auf den Weg zu bringen; aber dass sie sogar einen Feind traf, erleichterte sie ungemein. Trotzdem brauchte sie eine Weile, um zu begreifen, dass ihr halbultimativer, fastphänomenaler, pseudoperfekter „Plan“ aufgegangen war. Der Grund war denkbar einfach: Hinter ihrem eigenen Feuerball her hechtend, konnte sie nicht sehen, was sich vor ihr abspielte und wäre folglich beinahe in Ryuugu-san hineingerauscht, wenn sie nicht überraschend schnell reagiert und die Bremse angezogen hätte. Noch immer von ihren Todesängsten geplagt, kam das Mädchen einen guten Meter vor ihrem Klassenkameraden zum Stehen. Nach der anfänglichen Erleichterung, ihr Jutsu gewinnbringend eingesetzt zu haben, kam ihr ganz plötzlich der Gedanke, was wohl passiert wäre, wenn sie nicht den fremden Feind, sondern ihren Mitschüler getroffen hätte, der ja eigentlich dasselbe Ziel verfolgte, wie sie selber: Das Dingelchen, das noch immer in diesem Baum hing. Welch Wahnsinn hatte sie geritten, dass sie Katon: Bōya Dangān einsetzte, obwohl ein Verbündeter in unmittelbarer Nähe war? Zwar hätte sie anführen können, dass sie nicht wusste, dass er dort herumgestanden hatte, aber änderte das irgendwas daran, dass sie ihm großen Schaden hätte zufügen können? Nein, natürlich nicht: Wenn sie dieses unglaubliche Glück mit der Richtung nicht gehabt hätte, wäre es nicht der Arm ihres Feindes, der jetzt nutzlos an diesem herab hing und grauenvoll nach verbranntem Fleisch stank – der Einschlag war ziemlich genau auf Kopfhöhe ihres Mitstreiters eingeschlagen, die Folgen wären also fürchterlich gewesen, wenn dieser die Flammenkugel abbekommen hätte: Himeko würde sich dafür ausgiebig entschuldigen! Am besten sofort!
»A-alles in Ordnung?« Mehr bekam sie noch nicht zurande, ihre Nervosität war noch zu frisch, und zu präsent, um irgendwas Sinnvolleres zum Besten zu geben. Aber ihr Gegenüber schien sich daran nicht zu stören, oder er hatte es in dieser Stresssituation und der ungemein leisen Sprachlautstärke der jungen Dame schlicht nicht mitbekommen … so was in der Richtung musste es sein; Himeko würde sich später etwas mehr anstrengen, damit er ihre Entschuldigung zumindest hörte, jetzt aber musste sie damit klarkommen, was er ihr auftrug: Sie sollte ihrem Gegner den „Rest“ geben. Das hieße, sie sollte Gewalt gegen ihn anwenden, ihm vielleicht ganz, ganz schlimme Sachen antun und dafür sorgen, dass es da, wo er herkam, eine Familie gab, die um ihn trauern musste – ein widerlicher Gedanke! ‘A-ab-ab-a-aber ich, also wie? Warum ich? Das kann ich nicht! Das Kann ich nicht!‘ Hime-chans Äugelein wurden riesig, als sie die Tragweite seiner Worte begriff, sie musste ihm sagen, dass sie das nicht machen konnte, dass das viel zu grausam war, und sie würde es tun! »H-hai…« Tja, so viel zum Thema Befehlsverweigerung. Während Ryuugu-san an ihr vorbeirauschte – warum auch immer – gewann die Angst und die Verzweiflung in ihr von neuem an Stärke, die sie einen Augenblick wie gelähmt da stehen ließ: Hatte sie gerade echt zugestimmt, jemandem Verletzungen zuzufügen, oder diesen jenigen, welchen sogar … ähm … „Verschwinden zu lassen“? Wieder einmal hatte sich Himeko mit ihrem Durchsetzungsvermögen eines Glases Wasser in einem Vulkan selbst in das süße, kleine Popöchen gebissen. Der Junge war bestimmt sowieso schon böse auf sie wegen der angeflemmten Innenohrbehaarung, aber wenn sie jetzt nicht tat, was er sagte, würde er sie bestimmt abgrundtief bis ans Ende aller Tage hassen und verabscheuen und das höchste göttliche Gericht auf sie niederrufen. Es sah ganz und gar nicht danach aus, als hätte die Brünette auch nur die kleinste Wahl, was ihre Aufgabe anging sie musste irgendwie mit diesem Typen fertigwerden. Sie würde bestimmt nicht so kopflos losstürmen, wie vorhin, als es Umaezos Retter beinahe erwischt hätte; dieses Mal wollte sie sich wirklich ernsthafte Gedanken machen … teils um ihre Sache dieses Mal besser zu machen, teils um sich selbst hoffentlich erfolgreich von ihrer eigenen Verzweiflung abzulenken. Also, wie war die Situation?
Etwa dreieinhalb Meter vor ihr stand ein selbstverständlich voll ausgebildeter Ninja, dem sie wie durch ein Wunder bereits einen Schlag hatte beibringen können, der ihn einen Großteil seiner Kampfkraft gekostet hatte: Sein Waffenarm war hin und vermutlich für diesen Kampf absolut nicht mehr zu gebrauchen. Trotzdem wusste Himeko mit alarmierender Klarheit, dass er sie trotzdem in handliche, kleine Mädchenfetzen reißen könnte, wenn sie nicht vorsichtig und Klug vorging. ‘Was würde ich machen, wenn ich in seiner Situation wäre?‘ Die Antwort darauf lautete: Sich auf dem Boden zusammenrollen, aufgeben und leise schluchzend Tränen vergießen; also keine sehr brauchbare Art, auf die aktuelle Situation zu reagieren, denn ihr Gegner schien dieser Reaktion nicht mal nahe zu sein – sein Blick zuckte zwischen dem Katana, das er wegen ihres Feuerballs verloren hatte und einem ganzen Haufen Fernkampfwaffen hin und her, er würde also gewiss nicht so schnell aufgeben, wie sie gehofft hatte. ‘Er hat seinen Waffenarm verloren, mit dem Schwert wird er also nicht mehr so gut umgehen können, wie vorher.‘ Leider hatte Himeko nicht die geringste Ahnung, wie gut er mit diesem Teil überhaupt umgehen konnte, damit konnte sie also keine Entscheidung treffen, also musste zwangsläufig auch das andere Arsenal bewertet werden, der Haufen Fernkampfwaffen sah da schon vielversprechender aus: ‘er würde sie nur mit einem einzigen Arm bedienen können. Das Heißt, er kann nur halb so schnell angreifen und hätte, wenn er ein Kunai im Nahkampf nutzen wollte, einen Reichweitennachteil gegen das Katana.‘ Die Reichweite war noch so ein Aspekt; Das Katana war im Nahkampf wegen seiner Länge stärker, aber wäre im Nachteil, wenn es um den Fernkampf geht.
Himeko entschied sich gerade dafür, sich des Katanas anzunehmen, als ihr einfiel, dass sie eigentlich fast direkt neben dem Baum stand, an dem der heiß begehrte Stofffetzen hing: Wenn ihr Gegner die Fernkampfwaffen unter seine Kontrolle brachte, könnte er sie auch einarmig ganz entspannt aus der Baumkrone pflücken, wenn sie sich fast gar nicht wehren konnte. Damit war das Ziel klar: Die Waffensammlung ihres Gegners; sie würde sich der Fernwaffen bemächtigen, so gut es eben ging, und ihn beharken um an den Baum zu kommen, damit er mit dem Katana im Notfall nicht so gut an sie herankäme – das Mädel zweifelte nicht daran, dass er enorm viel schneller sein dürfte, als sie selber. Jetzt nur noch hoffen, dass sich ihre Hände auch an den Plan hielten … wenn sie genau so viel Glück hatte, wie mit den Fingerzeichen vorhin, könnte sie ihren Gegner auch gleich um eine Schaufel bitten, damit sie schon mal ihr Grab ausheben konnte. Himeko schluckte schwer, als sie einige Male tief ein- und ausatmete und sich widerwillig, aber zielstrebig in Bewegung setzte.