Misumi Kimihiro
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Es war ein großartiger Spass - das erste Mal seit langer, langer Zeit, dass Rei etwas derartiges erlebte. Jahrelang sein Dasein in einer morschen Villa fristen zu müssen war ein Fluch, der düster über dem Gemüt der Schneiderin hing und ihren Geist mit jeder Minute ein klein wenig mehr umwölkte. Etliche Tage, Wochen und Monate der Verzweiflung hatten aus der ehemals gutmütigen Frau, die mit der Schere schneller war als jeder andere in der kleinen Siedlung, und die für jeden ihren Kunden stets ein Lächeln erübrigen konnte, ein gehässiges, missgünstiges Weib gemacht, dass Freude nur noch dann verspüren konnte, wenn es auf Kosten anderer war.
Und genau das war es, was die kleinen, naiven Ninja, die an jenem Tag das Herrenhaus betreten hatten, der verbitterten Seele nun lieferten.
Kichernd und gackernd beobachtete sie von jenseits der Wand durch einen Spalt, wie die unzähligen Kleider durch den Raum tanzten und die zwei Shinobi, den Jungen und das Mädchen, umzingelten. Die lebende Rei hätte in den Kindern ein hübsches Pärchen gesehen; der silberhaarigen jungen Dame stünde ein leichtes Sommerkleid aus hellblauem Stoff sicherlich fabelhaft. Auf der Schwelle zwischen Sein und Nichtsein gefangen hatte das gepeinigte Wesen im Körper von Yuudari Inoue allerdings nichts als Spott und Hohn für die Heranwachsenden übrig. Eine runde Windböe, die der Rotschopf der angreifenden Gruppe entgegenschickte, schleuderte die erste Welle zwar um viele Meter zurück und verwirrte die hungrigen Geister in den Gegenständen, doch solange sie, Rei, die Mutter all dieser Kleider noch am Unleben war, solange würde sie den Kinderchen Angriff um Angriff entgegenschleudern.
Während die kopflose Schneiderpuppe unsicher aus dem Raum wankte sammelten sich die restlichen Kleider erneut im Raum. Genauso wie sie bereiteten sich auch die Kinder auf das bevorstehende Scharmützel vor: Das Mädchen rappelte sich überraschend zuversichtlich mit einem eindrucksvollen Fächer zu voller Größe auf, an ihrer Seite hielt sich wacker der Rotschopf. Sogar ihre Stimme hatten sie wiedergefunden – die Göre traute sich sogar einen schnippischen Kommentar zu! Ja, es wäre zauberhaft, dieses eingebildete Mädchen wimmernd am Boden zu sehen… nicht jedoch durch einen windschiefen Spalt. Rei würde ihm direkt in die Augen sehen, von Angesicht zu Angesicht, und sich an der Angst der Kunoichi laben.
Während Rei sich von ihrem Beobachterposten löste spürte sie, wie bereits die ganze Zeit, ein immer stärker werdendes Pulsieren. Die kleine Yuudari mochte zwar glauben, dass sie still auf den richtigen Moment warten konnte, um ihre Besessenheit abzuschütteln, doch die Schneiderin konnte jeden Augenblick die Präsenz der eigentlichen Inhaberin des Körpers neben sich spüren. Es war wie das Schlagen von Wellen gegen die Brandung, die einen Schwimmer immer kräftiger in Richtung Ufer drängten. Bald würde eine dieser Wellen Rei unsanft aus dem fremden Gefäß werfen, und zwar bestimmt in einem entscheidenden Moment.
*Das heißt es wird Zeit, Lebwohl zu sagen. Yuudari-chan?*
Stille, keine Antwort.
*Ich weiß, dass du da bist. Mach den Mund auf Mädchen, oder ich tue deiner weichen Haut noch schlimmeres an bevor ich gehe.*
Bei diesen Worten nahm sie mit dem fremden Fingern die rostige Schere aus einer der unzähligen Manteltaschen. Das kalte Metall glitt lautlos an das Gelenk der freien Hand und berührte zärtlich blankes Fleisch.
*…was ist?*
Niedlich, das kleine Mädchen. Eine kleine Drohung, und schon fügte es sich.
*Braves Kind. Ich wollte mich nur von dir verabschieden. Es war schön mit deinem Körper, pass gut auf ihn auf… solltest du hier rauskommen, versteht sich. Und danke.*
Rei konnte das aufflammende Misstrauen der Yuudari regelrecht spüren. *Wofür?*
Leise kichernd trat Rei zu der verwirrten Schneiderpuppe, die jenseits der Tür durch den Gang vor dem Kinderzimmer irrte. Durch die Augen der Yuudari erkannte sie den zerbrochenen Geist, der in dem Körper gefangen war. *Für… nun, alles. Besonders aber für die Kraft, die mir der kleine Ausflug in deinen Körper spendiert hat. Schlaf gut, Kleines.*
Die Worte der fremden Frau verhallten. Inoues Hand hob sich, und mit ihr die braunrote Schere. Das Metall zuckte durch die Luft und bohrte sich spielendleicht von hinten in den angerissenen Körper der Schneiderpuppe – genau dorthin, wo bei einem Menschen das Herz lag. Im selben Moment löste sich Reis Geist tatsächlich von der Yuudari. Inoue wusste nicht wirklich, wie ihr geschah – im ersten Moment war da nur ein unverständliches, verwirrendes Gefühl der Leere, so als hätte sie etwas Wichtiges vergessen, oder etwas oder jemanden verloren. Dann traten die Sinneseindrücke ihres Körpers, die sie bisher nur wie durch einen dicken Schleier wahrgenommen hatte, immer deutlicher in ihr Bewusstsein. Die Kontrolle über ihren eigenen Leib kehrte zurück, doch die Kraft, ihn auf den Beinen zu halten, fehlte ihr. Inoue sank auf die Knie und atmete schwer. Es würde dauern, bis sie wieder bei Kräften war… Vorerst mussten Yuto und Junko also allein zurechtkommen.
Aus toten Augen blickte die erneut körperlose Schneiderin auf den zusammen gekrümmten Leib ihres ehemaligen Behältnisses. Das Mädchen würde so schnell nicht in den Kampf eingreifen können, und an Jutsus war ihr mit Sicherheit sowieso nur noch eine Verwandlung oder etwas Ähnliches möglich. Das Kind war am Ende, nicht mehr der Rede wert. Und doch konnte sich Rei nur widerwillig vom Anblick der Blondine lösen. Schlichen sich plötzlich Gefühle in den Sinn der Spukgestalt? Sicherlich nicht. Bestimmt war es nur ein jämmerlicher Anflug von Sentimentalität, ein Überbleibsel aus längst vergessenen Tagen.
Das einzige, was jetzt zählte, waren die beiden Kinderchen, die noch nicht der Bewusstlosigkeit nah waren, im Gegenteil: Sie waren bereit für mehr, und das sollten sie bekommen… genauso wie Rei ihren Spass bekommen sollte. Rasch wandte sich der Geist deshalb von der Yuudari ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den flickenbesetzten Körper, an dem ihre Existenz bereits haftete. In dem Moment, in dem die Schere das Objekt durchstoßen hatte, war der Geist darin einfach beiseite gefegt worden. Normalerweise war es etwas schwieriger, ein bereits besessenes Objekt zu vereinnahmen, doch mithilfe eines Gegenstands wie der Schere, der dem Verstorbenen zu Lebzeiten viel bedeutet hat, war es beinahe ein Kinderspiel. Dennoch würde Rei ihre ganze Kraft erst nach einer bestimmten Zeit entfalten können, den erst musste sie sich wirklich in dem neuen Gefäß einleben. Doch ihre Gegner wussten das nicht, und bis Rei ihnen die Bedeutung wahrer Angst zeigen konnte, würde sie sich mit einigen schlichten Illusionen bei der Stange halten. Auch das würde ihr sicherlich Freude bereiten…
Als schließlich die Schneiderin in ihrem neuen Körper durch die Tür trat, war dort nicht nur eine einfache Schneiderpuppe zu sehen. Sicherlich waren deren Umrisse die am deutlichsten zu sehenden, doch ganz sichtbar wurde der Stoff auch von anderen Konturen umwabert. In der regnerischen Dunkelheit des Zimmers trat immer wieder die Silhouette einer Frau mit bleichem Haar zum Vorschein, deren weiße Haut sich wie ein Leichentuch über die Gliedmaße der Puppe spannte. Ein farbloses Kleid hüllte ihren abgemagerten Körper ein, und über eingefallenen Wangen lagen leere Augen, die die Dunkelheit durchstachen. Wollte man diese seltsame Gestalt genau erfassen, so zerflossen ihre Umrisse bereits wieder. Es war wie mit einem Objekt, dass das menschliche Auge in der Finsternis zu erfassen versuchte: Im Augenwinkel sieht man es, doch blickt man es an, ist es verschwunden.
In dieser Form, halb Geist, halb Gegenstand, nahm Rei einen Schritt nach dem anderen auf ihre Gäste zu. Das Fest konnte beginnen.
Und genau das war es, was die kleinen, naiven Ninja, die an jenem Tag das Herrenhaus betreten hatten, der verbitterten Seele nun lieferten.
Kichernd und gackernd beobachtete sie von jenseits der Wand durch einen Spalt, wie die unzähligen Kleider durch den Raum tanzten und die zwei Shinobi, den Jungen und das Mädchen, umzingelten. Die lebende Rei hätte in den Kindern ein hübsches Pärchen gesehen; der silberhaarigen jungen Dame stünde ein leichtes Sommerkleid aus hellblauem Stoff sicherlich fabelhaft. Auf der Schwelle zwischen Sein und Nichtsein gefangen hatte das gepeinigte Wesen im Körper von Yuudari Inoue allerdings nichts als Spott und Hohn für die Heranwachsenden übrig. Eine runde Windböe, die der Rotschopf der angreifenden Gruppe entgegenschickte, schleuderte die erste Welle zwar um viele Meter zurück und verwirrte die hungrigen Geister in den Gegenständen, doch solange sie, Rei, die Mutter all dieser Kleider noch am Unleben war, solange würde sie den Kinderchen Angriff um Angriff entgegenschleudern.
Während die kopflose Schneiderpuppe unsicher aus dem Raum wankte sammelten sich die restlichen Kleider erneut im Raum. Genauso wie sie bereiteten sich auch die Kinder auf das bevorstehende Scharmützel vor: Das Mädchen rappelte sich überraschend zuversichtlich mit einem eindrucksvollen Fächer zu voller Größe auf, an ihrer Seite hielt sich wacker der Rotschopf. Sogar ihre Stimme hatten sie wiedergefunden – die Göre traute sich sogar einen schnippischen Kommentar zu! Ja, es wäre zauberhaft, dieses eingebildete Mädchen wimmernd am Boden zu sehen… nicht jedoch durch einen windschiefen Spalt. Rei würde ihm direkt in die Augen sehen, von Angesicht zu Angesicht, und sich an der Angst der Kunoichi laben.
Während Rei sich von ihrem Beobachterposten löste spürte sie, wie bereits die ganze Zeit, ein immer stärker werdendes Pulsieren. Die kleine Yuudari mochte zwar glauben, dass sie still auf den richtigen Moment warten konnte, um ihre Besessenheit abzuschütteln, doch die Schneiderin konnte jeden Augenblick die Präsenz der eigentlichen Inhaberin des Körpers neben sich spüren. Es war wie das Schlagen von Wellen gegen die Brandung, die einen Schwimmer immer kräftiger in Richtung Ufer drängten. Bald würde eine dieser Wellen Rei unsanft aus dem fremden Gefäß werfen, und zwar bestimmt in einem entscheidenden Moment.
*Das heißt es wird Zeit, Lebwohl zu sagen. Yuudari-chan?*
Stille, keine Antwort.
*Ich weiß, dass du da bist. Mach den Mund auf Mädchen, oder ich tue deiner weichen Haut noch schlimmeres an bevor ich gehe.*
Bei diesen Worten nahm sie mit dem fremden Fingern die rostige Schere aus einer der unzähligen Manteltaschen. Das kalte Metall glitt lautlos an das Gelenk der freien Hand und berührte zärtlich blankes Fleisch.
*…was ist?*
Niedlich, das kleine Mädchen. Eine kleine Drohung, und schon fügte es sich.
*Braves Kind. Ich wollte mich nur von dir verabschieden. Es war schön mit deinem Körper, pass gut auf ihn auf… solltest du hier rauskommen, versteht sich. Und danke.*
Rei konnte das aufflammende Misstrauen der Yuudari regelrecht spüren. *Wofür?*
Leise kichernd trat Rei zu der verwirrten Schneiderpuppe, die jenseits der Tür durch den Gang vor dem Kinderzimmer irrte. Durch die Augen der Yuudari erkannte sie den zerbrochenen Geist, der in dem Körper gefangen war. *Für… nun, alles. Besonders aber für die Kraft, die mir der kleine Ausflug in deinen Körper spendiert hat. Schlaf gut, Kleines.*
Die Worte der fremden Frau verhallten. Inoues Hand hob sich, und mit ihr die braunrote Schere. Das Metall zuckte durch die Luft und bohrte sich spielendleicht von hinten in den angerissenen Körper der Schneiderpuppe – genau dorthin, wo bei einem Menschen das Herz lag. Im selben Moment löste sich Reis Geist tatsächlich von der Yuudari. Inoue wusste nicht wirklich, wie ihr geschah – im ersten Moment war da nur ein unverständliches, verwirrendes Gefühl der Leere, so als hätte sie etwas Wichtiges vergessen, oder etwas oder jemanden verloren. Dann traten die Sinneseindrücke ihres Körpers, die sie bisher nur wie durch einen dicken Schleier wahrgenommen hatte, immer deutlicher in ihr Bewusstsein. Die Kontrolle über ihren eigenen Leib kehrte zurück, doch die Kraft, ihn auf den Beinen zu halten, fehlte ihr. Inoue sank auf die Knie und atmete schwer. Es würde dauern, bis sie wieder bei Kräften war… Vorerst mussten Yuto und Junko also allein zurechtkommen.
Aus toten Augen blickte die erneut körperlose Schneiderin auf den zusammen gekrümmten Leib ihres ehemaligen Behältnisses. Das Mädchen würde so schnell nicht in den Kampf eingreifen können, und an Jutsus war ihr mit Sicherheit sowieso nur noch eine Verwandlung oder etwas Ähnliches möglich. Das Kind war am Ende, nicht mehr der Rede wert. Und doch konnte sich Rei nur widerwillig vom Anblick der Blondine lösen. Schlichen sich plötzlich Gefühle in den Sinn der Spukgestalt? Sicherlich nicht. Bestimmt war es nur ein jämmerlicher Anflug von Sentimentalität, ein Überbleibsel aus längst vergessenen Tagen.
Das einzige, was jetzt zählte, waren die beiden Kinderchen, die noch nicht der Bewusstlosigkeit nah waren, im Gegenteil: Sie waren bereit für mehr, und das sollten sie bekommen… genauso wie Rei ihren Spass bekommen sollte. Rasch wandte sich der Geist deshalb von der Yuudari ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den flickenbesetzten Körper, an dem ihre Existenz bereits haftete. In dem Moment, in dem die Schere das Objekt durchstoßen hatte, war der Geist darin einfach beiseite gefegt worden. Normalerweise war es etwas schwieriger, ein bereits besessenes Objekt zu vereinnahmen, doch mithilfe eines Gegenstands wie der Schere, der dem Verstorbenen zu Lebzeiten viel bedeutet hat, war es beinahe ein Kinderspiel. Dennoch würde Rei ihre ganze Kraft erst nach einer bestimmten Zeit entfalten können, den erst musste sie sich wirklich in dem neuen Gefäß einleben. Doch ihre Gegner wussten das nicht, und bis Rei ihnen die Bedeutung wahrer Angst zeigen konnte, würde sie sich mit einigen schlichten Illusionen bei der Stange halten. Auch das würde ihr sicherlich Freude bereiten…
Als schließlich die Schneiderin in ihrem neuen Körper durch die Tür trat, war dort nicht nur eine einfache Schneiderpuppe zu sehen. Sicherlich waren deren Umrisse die am deutlichsten zu sehenden, doch ganz sichtbar wurde der Stoff auch von anderen Konturen umwabert. In der regnerischen Dunkelheit des Zimmers trat immer wieder die Silhouette einer Frau mit bleichem Haar zum Vorschein, deren weiße Haut sich wie ein Leichentuch über die Gliedmaße der Puppe spannte. Ein farbloses Kleid hüllte ihren abgemagerten Körper ein, und über eingefallenen Wangen lagen leere Augen, die die Dunkelheit durchstachen. Wollte man diese seltsame Gestalt genau erfassen, so zerflossen ihre Umrisse bereits wieder. Es war wie mit einem Objekt, dass das menschliche Auge in der Finsternis zu erfassen versuchte: Im Augenwinkel sieht man es, doch blickt man es an, ist es verschwunden.
In dieser Form, halb Geist, halb Gegenstand, nahm Rei einen Schritt nach dem anderen auf ihre Gäste zu. Das Fest konnte beginnen.