Yamanaka Akeno
Member
Geninprüfung von Yamanaka Akeno
Prüfer:
Kennt ihr das Gefühl, aufzuwachen und euch beim besten Willen nicht daran erinnern zu können, was genau ihr auf dem Flurboden mit einer Rolle Klopapier im Arm tut und warum euch das Kreuz schmerzt, als habet ihr die Nacht in der Badewanne verbracht? Wobei sie ja nicht einmal eine solche besaßen, auch wenn er manchmal gerne darin seinen Körper von dem Dreck des Tages befreit hätte, andererseits würde er manchmal auch gerne fliegen können oder auf dem Mond wandern – da zählten seine Wünsche irgendwann nicht mehr. Jedenfalls fuhr die schmale Hand erst einmal in die blonden Haare und rieben den Hinterkopf des Vierzehnjährigen, während sich dieser unter leichtem Stöhnen aufrichtete und leicht desorientiert auf dem Boden sitzen blieb. Kurz verzögert öffneten sich die babyblauen Augen und fixierten einen Dreckfleck an der Tapete, der immer mehr wie die ausladende Krone eines Baumes aussah, je länger er darauf blickte. Immerhin entstammte die Farbe wohl wirklich nur seiner Imagination, denn wäre sie tatsächlich grün, so würde das Schimmel bedeuten… was ja nicht besonders gesund sein sollte. Nicht dass es ihn von irgendetwas abgehalten hätte, in manchen Lebenslagen würde er sogar weggefaulte Eier essen, obwohl der Schwefelwasserstoff nur so aus ihnen triefte, aber das bedeutete bei ihm nicht viel. Manchmal knurrte er auch die Wand an, das kam wirklich immer sehr drauf an, wie er gerade drauf war. An diesem Morgen, nachdem er sich den Kopf gerieben hatte und festgestellt hatte, dass er noch heil war, aufgestanden war, das Klopapier ins Bad gepfeffert hatte und sich in die Küche begeben hatte, um sich eine Tasse Kakao zu machen, quälte jedoch ein ganz anderer Gedanke den noch schlaftrunkenen Schädel des Yamanakas: Er hatte irgendetwas vergessen. Das dumme war nur, dass er sich nicht sicher war, was genau es denn gewesen war, es hätte alles sein können… es war wie ein dumpfes Drücken in der Magengegend, das man auch recht einfach mit Aufregung verwechseln konnte oder gerne auch mit Hunger. Vielleicht hatte er Rakugakis Geburtstag vergessen! Nein, der war noch lange nicht… hatte er den Ofen angelassen? Ein kurzer Blick huschte zur Küchenzeile, nein, das Licht war erloschen. Hatte er die Blumen nicht gegossen? Aber halt, sie hatten gar kein schmückendes Grünzeug, das würde sonst nämlich in den Aufgabenbereich seines Mitbewohners fallen und hätte schon längst das Zeitliche gesegnet. Vielleicht hatte er sich auch einfach gestern nicht geduscht! Probehalber schnüffelte er unter seiner Achsel nach eventuellen unschönen Gerüchen, aber auch hier wurde er enttäuscht. Hm… was konnte es dann sein? Gedankenverloren nippte er an der heißen Flüssigkeit, ehe er einen tiefen Schluck nahm, der beinahe seine Schleimhaut in Flammen setzte und ihn dazu veranlasste, erst einmal nach kühlender Luft zu hecheln. Nachdem er hastig zum Wasserhahn gesprungen war, um sich kaltes Wasser über die gerötete Zunge fließen zu lassen, blickte er gelangweilt auf die Kacheln an der Wand, während sich der Schmerz in seinem Mund langsam in ein nerviges Kribbeln verwandelte. Was könnte er vergessen haben? Zählte das überhaupt? Was würde es ändern, wenn ihm auf einmal wie aus dem Nichts einfiele, was in seinem nichtsnutzigen Kopf verschütt gegangen war? Deprimiert ließ er den Kopf auf die Arbeitsfläche rumsen und bemerkte mit leisem Stöhnen, dass die ganz schön hart war. »Was… ist der Unterschied zwischen einem Akeno?«, murmelte er mit gedämpfter, in die Länge gezogener Stimme, während er mit zwei Fingern über die Arbeitsfläche wanderte, als seien diese Beine, einmal einen Wippschritt zurückwagte, schließlich zur Kante moonwalkte und auf dieser zu balancieren vorgab. »Je gewagter…!« Als habe er nicht noch gerade mit dem Kopf auf dem Tresen gelegen, sauste der blondhaarige Junge durch den Flur, rutschte fast auf einem undefinierbaren Stück Stoff (vermutlich ein T-Shirt von Rakugaki) aus und sprang, ohne sich vorher auszubremsen, in hohem Bogen auf das Bett seines Mitbewohners, der dummerweise noch in genau diesem lag. »…desto…!« Das breite Grinsen des Yamanaka hielt den Anderen dummerweise nicht davon ab, ihn mit einem wütenden Knurren gegen die schmale Brust zu treten und ihn postwendend auf den Boden zu befördern. Mit einem »…Au.« entwich die Luft aus seinem Körper, ehe er sich schon zum zweiten Mal an diesem Tag den Hinterkopf rieb, ehe er auf einmal alarmiert aufsprang, als wäre nichts gewesen und mit einem »Ach du verrückte…!« ins Wohnzimmer abdüste, um dort den Kalender in dem Versuch, auf das heutige Datum zu blicken, beinahe von der Wand zu reißen. Er glaubte wieder zu wissen, was ihm denn zuvor entfallen war… konnte es sein, dass… Tatsächlich? Wie konnte er die letzten Tage nur so verplant haben, dass er vollkommen übersehen hatte, dass heute die Geninprüfung stattfinden würde?! Wobei! Es war nicht nur irgendeine x-beliebige Geninprüfung, es war seine eigene, Akenos Prüfung! Und er hätte sie fast auf dem Boden seiner Wohnung verpennt! Das war… unheimlich witzig! Ein Kichern drang aus seiner Kehle, er fasste sich an die Schläfe, ehe es zu einem ausgewachsenen Lachkrampf mutierte und ihn gleich zum dritten Mal auf dem Boden landen ließ, mit ausgestreckten Gliedmaßen und bebendem Körper, ehe er sich selbst die Hand auf den Mund presste und die prustenden Heiterkeitsbetonungen erstickte. Nein, das war beunruhigend, da er sich nicht sicher sein konnte, ob er die überhaupt bestehen würde. Natürlich, er war nicht unbedingt schlecht, aber eben auch nicht unbedingt gut… es kam bei ihm immer ziemlich auf die Tages- an, nein, die Minuten-, Sekundenform an! Wie sollte er das nur überleben?! Und wie viel Uhr war es eigentlich, nicht dass er hier auch noch zu spät kam! Der alarmierte Blick beruhigte sich, als er auf die leise tickende Uhr an der Wand fiel, laut der er immer noch zwei Stunden Zeit hatte. Das wäre alles in allem eine gute Möglichkeit, sich einen Plan zu überlegen… Oh Gott, ein Plan! Er konnte so etwas nicht, er hatte es noch nie gekonnt! Nein, dieses Mal würde er es schaffen! Mit entschlossen geschwellter Brust stand er auf und tapste in sein eigenes Zimmer, in dem das Bett noch säuberlich gemacht war und hopste zum Schreibtisch, auf dem ein kleines Döschen mit etwas stand, das er normalerweise mit Vergnügen verweigerte: Seiner Medizin. Er war ja nicht krank oder so, aber wenn er seine Stimmungsschwankungen nicht unter Kontrolle bekam, würde er nie im Leben dazu in der Lage sein, auch nur ein sinnvolles Wort im Laufe der Prüfung zu sagen… was wiederum ein trauriger Abgang für Akademieschüler wäre. Nya… aber er wollte die eigentlich gar nicht nehmen! Das war geschummelt und doof und überhaupt gar nicht sein Ding. Er würde sie mitnehmen, das würde bestimmt schon reichen! Ja… würde es… natürlich nicht und Akeno wusste es. Aber er konnte sich nicht überwinden, die kleinen weißen Pillen einfach zu schlucken. Es ging einfach nicht. Sie lagen da auf seinem Handteller – drei an der Zahl – und blickten ihm beinahe hämisch entgegen, rollten leicht herum, als er die Hand bewegte, aber machten keine Anstalten, von selbst in seinen Mund zu hüpfen. Es wäre eine Sache von Sekunden, aber es widerstrebte ihm zutiefst. Normalerweise hatte er schon nicht das Gefühl, Herr seiner eigenen Emotionen zu sein, aber mit den Dingern intus kam er sich fremdgesteuert vor, auch kein besonders schönes Gefühl. Deswegen wanderten die Pillen auch nicht in seinen Mund, wo sie hingehörten, sondern in seine Hosentasche und blieben dort, auch als er eine Stunde später aus der Tür der Wohnung marschierte und sich in Richtung Akademie aufmachte. Auf dem Weg hüpfte er insgesamt zweimal auf Mülltonnen, um einmal beinahe umkehren zu wollen und einen kleinen Umweg zur Bäckerei zu machen, weil er auf einmal Lust auf Süßes hatte. Welch ein Glück also, dass er schon früher losgegangen war, sodass er gerade rechtzeitig zur Prüfung antanzte…
1. Aufgabe: Theorie (Über eine schicksalhafte Entscheidung, Einwirkzeit, Jutsus und die Kunst, zu schummeln)
Tanzen war allerdings nicht die richtige Beschreibung der Gangart des Jungen, als dieser bei der Akademie des Dorfes ankam. Seine Laune war im Laufe der Zeit, die er für den Weg aus der Wohnung der beiden Akademieschüler gebraucht hatte, rapide gesunken, vor allem letzten Stufen, ehe er das Gebäude erreichte, kosteten ihn wahre Überwindung. Nicht, dass er jemals unter Prüfungsangst gelitten hatte, aber gerade hatte er das Gefühl, die Welt würde wohl einfach zusammen brechen. Das kam manchmal vor, unbegründet, einfach so, von einem Moment auf den anderen, aber was ihn verblüffte, war sowieso eher die plötzliche Intensität des ganzen. Er war es ja gewöhnt, dass er im einen Moment noch willkürlich Leute umarmen wollte und schon im nächsten am liebsten alles daran setzen wollte, dass besagte Menschen bloß nicht in seine Nähe kamen, aber das war gerade alles ein wenig arg heftig. Da wirkten die Medikamente in seiner Hosentasche auf einmal doch ganz attraktiv… aber man würde ja noch sehen, ob man auf die Dinger zurückgreifen musste. Dafür, dass heute kein Unterricht stattfand, war die Akademie des Dorfes Shirogakure dennoch gut besucht, anstatt dass man kleinere Akademieschüler herumgeistern sah, bemerkte man aber vor allem, dass sich Jungen und Mädchen in seinem Alter auf den Korridoren tummelten, manche mit bangem Gesicht, andere hoch konzentriert und einige wenige bereits mit einem Ausdruck, als wären sie schon durchgefallen. Der kleine blonde Junge steckte die Hände in die Taschen seiner blaugrau karierten Hose und musterte angestrengt den Raumplan, der unten in der Aula aushing – damit er auch am richtigen Ort wartete, wenn seine Prüfung dran war. Da man nach Familiennamen ging und sein Clan nun einmal recht weit hinten im Alphabet angesiedelt war, musste er auf dem letzten Blatt nachsehen, auf dem noch einige andere Schüler standen, die ihn aber alle herzlich wenig interessierten. Es war kein anderer Akademieschüler aus seinem Clan dieses Mal dabei, früher waren es wohl mal mehr gewesen, aber auch irgendein Lehrer hatte mal was davon gefaselt, dass weniger Clankinder zur Akademie kamen… was auch immer sie damit meinten. Er drehte sich auf den Fersen um – zweimal, um genau zu sein – und hüpfte in Richtung des Klassenraumes davon, in dem er sogar Unterricht gehabt hatte. Nachdem er die Akademie wieder aufgenommen hatte, versteht sich, vorher hatte er ihn nie betreten gehabt. Oder vielleicht doch, er erinnerte sich nicht an besonders viel, da er nie wirklich Acht gegeben hatte, was der Lehrer faselte oder in welchem Raum er denn nun an einer Bank saß. Erst nachdem er wieder ein wenig mehr ins Reine mit sich selbst gekommen war, hatte er begonnen, seine Umwelt und Mitschüler etwas genauer wahrzunehmen. Im Moment waren sie ihm aber wieder egal, wie sie mit ihm auf dem Gang vor besagtem Zimmer lümmelten und er auf einem Stuhl saß, vornübergebeugt, die Unterarme auf die überschlagenen Knie gelegt, den Kopf hängend. Er wusste, wie das etwa ablaufen würde, schließlich hatten sie die Lehrer ja nicht vollkommen unvorbereitet ins Wasser geworfen: Es würde einen theoretischen und einen praktischen Teil geben, zuerst derjenige, bei dem er Fragen gestellt bekommen würde. Nervös zog sich die Unterlippe des jungen Mannes zwischen seine Zähne, die blauen Augen wanderten zur Seite. Akeno war eigentlich kein schlechter Schüler – zumindest nicht, was sein reines Wissen anbelangte. Er war nur unaufhaltsam unaufmerksam und oft gar nicht in der Lage dazu, wie ein Junge in seinem Alter Informationen an andere weiter zu geben. Es konnte gut passieren, dass er in Kleinkindsprache zurückfiel oder mitten drin zu lachen begann, was sicherlich keinen besonders guten Eindruck auf die Prüfer machen würde. Er wollte auch eigentlich bestehen – wirklich! Er hatte sich schließlich vorgenommen, es zu tun, er wollte endlich die Akademie hinter sich lassen und den Start in einen neuen Abschnitt seines Lebens wagen… aber… das Mädchen da vorne hatte schon einen ziemlich albernen Rock an, oder? Er war ganz pink, so knallig, dass man sich fragen sollte, ob sie bei einer Modenschau oder einer Ninjaprüfung mitmachen wollte. Mit dieser Camouflage würde selbst ein ansatzweise sichtbehinderter Mensch sie erkennen… oh, wo war er gleich stehen geblieben? Richtig! Er musste dieses Ding wie ein Mann durchziehen! Ahaha, fast. Ein Blick nach oben, noch zwei Schüler vor ihm. Oh verdammt. Er sollte sich langsam mal klar werden, ob er nun vorhatte, diese Medikamente zu nehmen oder es zu lassen, denn erfahrungsgemäß brauchten diese eine Einwirkzeit von etwa fünf Minuten. Die Zeit schien zu rasen, immer wenn sich seine Augen zu der Uhr hoben, waren wieder fünf Minuten vergangen, Schweiß brach aus, die Hände wurden klebrig, ihm wurde ganz flau im Magen. Schließlich klappte seine Hand ein und beförderte drei kleine, weiße Kugeln in seinen Mund, ehe er schluckte und das Gesicht verzog. Hops, da waren sie weg. Nun brauchte es noch ein wenig Zeit, ehe er dazu in der Lage sein würde… »Yamanaka Akeno?« Mist. So viel zu besagter Einwirkzeit, die von nun an abzuzählen war. Mit einem schnellen Blick auf die Uhr richtete sich der schmale Körper zu halber Größe auf und dackelte hinter einem Riesen von Lehrer mit roten Haaren her, dessen mit Pelz besetzter Kragen ihn irgendwie an eine alte Frau erinnerte. »Die Jacke ist unpassend…«, stellte er mit uninteressierter Miene in halblautem Flüsterton fest, »Als wäre er ne Oma mit ihrem hässlichem Fuchsschwanz um.« Keine Ahnung, ob der Lehrer es gehört haben mochte, aber wenn, dann ignorierte er es wirklich hervorragend, den jungen Yamanakasprössling hätte es aber auch nicht gewundert, wenn er ihm eine gedonnert hätte. Das taten die Lehrer nicht und sie wurden auch nicht dazu angehalten, aber er war es irgendwie gewöhnt. Auch wenn er momentan sogar keine drei blauen Augen besaß.
Der Raum, in den der lange Lulatsch ihn führte, war dank einiger großer Fenster recht hell und bedurfte keines zusätzlichen natürlichen Lichts, damit die pinkhaarige Frau mit den wahnsinnig großen… Händen, an denen die Augen des Jungen aber dennoch nicht länger als an ihren Augen klebten, die Formulare, die vor ihr lagen, auch noch gut genug sehen konnte. Viel interessanter schien dem Blonden jedoch die Tatsache, dass die Wolken in geradezu abstrakten Formationen am Fenster vorbei segelten. Wie ein kleines Kind blickte er mit großen, babyblauen Augen aus dem Fenster und hinauf zu den Schafen, Weihnachtsmännern, Schlitten, bösen Schneemännern und einem lächelnden Gesicht, das sicherlich ein verrückter Wolkenmaler an den Himmel gezaubert hatte… Da flog ein Vogel an seinem Blickfeld vorbei und er streckte die Hand nach dem Tier aus, obwohl dieses nicht nur durch eine Glasscheibe, sondern auch durch etliche hundert Meter von ihm getrennt war. Es zu erreichen war unmöglich und doch strebte er danach, wie so viele Menschen Ziele hinterhereiferten, die nicht zu haben waren. Weltfrieden war es oft, der sie trieb oder sonst etwas Urgutes und dennoch spottete man nur selten über sie. Wie konnte man da etwa ungeduldig werden, wenn der Junge seine Aufmerksamkeit vollkommen auf die Außenwelt lenkte und die Prüfer (der rothaarige Mann hatte sich inzwischen neben die Dame gesetzt) ungewollt außen vor ließ? Er beschäftigte sich immerhin gerade mit transzendenten Beziehungen zwischen ehrenhaften Zielen und Vögeln, wenn das nicht Erwähnung Wert war, was dann? Masaru – denn um diesen Lehrer, auch wenn Akeno ihn nie gehabt hatte, handelte es sich – räusperte sich kurz, um den Jungen zurück zu holen und der wandte auch den Kopf. Leider allerdings zur falschen Seite, sodass er nun erst einmal den Stuhl, auf dem Ayaka, was der Name der anderen Lehrerin war, ausführlich musterte, als wolle er sich überlegen, aus welchem Jahrgang der wohl stammen würde. »Das ist ein schöner Stuhl, auf dem Sie da sitzen…«, murmelte er mit beinahe träumerischem Gesichtsausdruck, ehe er zu Masaru schaute und bemerkte, dass er offenbar gerade was falsch gemacht hatte. Wirklich? Hätte er etwa hereinkommen sollen und einen zackigen Appell ausführen sollen oder so? Hatte er nun schon versagt? Das war irgendwie schneller als er in seinen schlimmsten Albträumen vermutet hätte… die Nase des jungen Yamanaka begann Unheil verkündend zu kribbeln. Wie konnte man nur so ein Idiot wie er sein? Welcher Akademieschüler beschäftigte sich mit Wolken, statt darauf zu warten, seine Prüfung abzulegen? Seine Augen wurden unaufhaltsam feucht und ehe auch nur einer der Prüfer ein Wort hätte sagen können, begann Akeno vor lauter Selbsthass zu heulen. Dicke Krokodilstränen quollen aus den blauen Augen, flossen seine Wangen hinunter und versickerten im Kragen seines T-Shirts, ehe er die Hände auf sie presste und die Flüssigkeit eilig wegwischte. »Alles in Ordnung, Akeno-kun?«, kam es leicht besorgt von Ayaka, doch bei dem Angesprochenen begann schon wieder alles besser zu laufen. Ob die fünf Minuten wohl schon um waren? Jedenfalls wurde sein Kopf auf einmal von einer geradezu umwerfenden Welle der Klarheit erfasst, die dafür sorgte, dass ihm klar wurde, was er hier eigentlich abzog. Besonders gelungen war es wahrhaftig nicht, er sollte sich kräftig am Riemen reißen! »Ja, alles Bestens, Ayaka-sensei, ich habe mich wieder gefangen.«, meinte er mit einem verlegenen Grinsen in ihre Richtung, ehe er sich etwas mehr aufrichtete und sich innerlich darauf vorbereitete, was nun auch immer kommen mögen würde. »Gut…«, begann die jung wirkende Lehrerin zögerlich, als sei sie sich noch nicht über den Wahrheitsgehalt seiner Aussage im Klaren, »Dann fangen wir mit dem Formellen an. Deine Geninprüfung ist in zwei Teile gegliedert: Zum einen in den theoretischen Teil, bei welchem wir uns gerade befinden, zum anderen in die Praxisprüfung, die in dem kleinen Wald neben der Akademie stattfinden wird.« So weit war alles klar, aber das auch schon seit Wochen. Er nickte, um sein Verstehen zu signalisieren. »Gut. Das Thema deiner theoretischen Prüfung lautet übergreifend Jutsus. Bitte erzähle uns doch, was du über die Arten von Jutsus, ihre Ausführung und Unterschiede, sowie Chakranaturen weißt.« Ein viel weit läufigeres Thema hätte sie sich aber auch nicht ausdenken können, oder? Die blauen Augen drehten sich kurz nachdenklich zur Seite, ehe er sich räusperte und aus dem Stand begann. Er hatte gelernt, das befand sich alles irgendwo in seinem Kopf, er musste es nur hervorkramen! »Jutsus, alles klar. Gut. Es gibt im Allgemeinen drei unterschiedliche Kategorien, in die ein Jutsu eingeordnet werden kann. Taijutsu, Ninjutsu und Genjutsu. Taijutsu ist das einfachste davon und beschreibt schlicht und ergreifend die Kunst, den Gegner mit Schlägen und Tritten zu attackieren. Nahkampf, Kampfsport prinzipiell.« Er deutete einen Schlag mit der rechten Hand an, verschränkte dann beide hinter dem Rücken. »Genjutsu ist die Kunst der Illusion, mit der man Gegner täuscht. Sie greift das Chakra im Gehirn an und verwirrt es, sodass es den Betroffenen Dinge weiß macht, die da gar nicht sind. Also macht es eigentlich Hallus, nur in gewollt…« Und er wusste, wovon er sprach, wenn es um Halluzinationen und Einbildungen ging! Er hatte sie zwar nur selten, aber dafür half rege Fantasie nach, wo sonst nur Wolken waren, man hatte es ja zuvor gesehen. »Ein typisches Genjutsu ist zum Beispiel das Bunshin no Jutsu, bei dem man einen Doppelgänger erstellt, der die Bewegungen kopiert. Da er aber nicht echt da ist, kann er auch niemandem oder gar sich selbst weh tun.« Kurz überlegte er, ob eine Demonstration angebracht wäre, formte ein paar Fingerzeichen und konzentrierte sich, ehe eine ziemlich gute Nachbildung seiner selbst neben ihm stand. »Und puff!« Er schlug nach ihm und der Fake-Akeno verpuffte in einer Rauchwolke. »Dann gibt es noch Ninjutsus. Die sind die komplexeste und vielfältigste der drei Bereiche, da es sie in unterschiedlichen Ausführungen gibt. Es gibt elementare Ninjutsus, aber auch solche ohne Element und medizinische Jutsus, generell kann man aber sagen, dass diese Künste mittels Chakra übernatürliche Dinge schaffen, die man ohne sie nicht in dieser Form bewerkstelligen könnte. Bei den Elementdingern muss man das Chakra zusätzlich noch mit seiner Chakranatur vereinigen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Es gibt fünf Naturen oder auch Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Wind und Blitz oder auch Katon, Suiton, Doton, Fuuton und Raiton, letztes habe ich übrigens. Ehm… Aber…«, er stockte kurz, fasste sich an den Hinterkopf, dachte nach. Da war noch was gewesen… ach ja! »Aber es gibt natürlich auch Mischelemente, die zwei Naturen verbinden können, um neues zu schaffen. Mokuton, das Holz zum Beispiel. Ähnlich wie diese Kekkei-Genkais gibt es natürlich auch Clans, die geheime Jutsus besitzen, die nennt man dann Hiden. Ich könnte zum Beispiel ganz toll schummeln, indem ich einfach per Telepathie Kontakt zu meinem Sensei aufnehmen würde und mir dann diesen Text vorsagen ließe.« Akeno kicherte biestig, tippte sich an die Schläfe, grinste dann aber abschließend, »Was ich natürlich nicht tue, keine Bange. Hm, hab ich was vergessen? Ach ja! Die Ausführung, richtig. Während man für Taijutsu natürlich keine Fingerzeichen braucht, muss man bei Genjutsu und Ninjutsu zuerst Fingerzeichen schließen, dann sein Chakra kontrolliert konzentrieren und loslassen. Die richtigen Fingerzeichen natürlich.« Er grinste wie ein Honigkuchenpferd und kippelte leicht auf den Fersen herum, ehe er noch einen Blitzeinfall hatte. »Oh, natürlich! Ein ganz tolles Beispiel für ein Ninjutsu ist natürlich das hier…«, er nahm Anlauf, lief auf die Wand zu und schließlich ohne besonders viel Mühe an dieser hoch. Dann breitete er die Arme aus, um mit einem »Tadaaa!« auf den Boden zu plumpsen und sich immer noch in scheinbarer Hochstimmung zu verbeugen. Warum er auf einmal so kindlich tat? Ob die Wirkung seiner Medikamente schon wieder zu schwinden begann oder hatte es wohl doch einen Sinn? Vielleicht tat er das ja, weil er schon immer der Meinung gewesen war, dass Ayaka eine Schwäche für Kinder hatte… wer wusste das schon genau? Jedenfalls war er für seinen Teil fertig mit den Erklärungen, ob er nun etwas vergessen hatte oder nicht, war ihm relativ egal, Hauptsache durch.
Nach einer kurzen Schweigepause erhob sich Masaru und nickte. »Gut, dann kannst du dich zum Wald begeben, wo deine praktische Prüfung in Bälde starten wird.« Und schon war der junge Yamanaka abgezischt, allerdings natürlich nicht, ohne Ayaka ein breites Lächeln zu schenken. War doch noch alles besser gelaufen – aber natürlich nur mithilfe dieser blöden Pillen, irgendwie ärgerte ihn das ja durchaus. Bestanden hatte er diesen Teil bestimmt – aber am Ende würde sowieso das komplette Ergebnis zählen.
2. Aufgabe: Praxis (Über Verstecken, die Wirkung von Wasser auf Damenoberbekleidung, Baumlauf und einen dreckigen Rakugaki)
Akenos Medikamente waren schon immer ein reines Zufallsspiel gewesen. Sie wirkten zwar immer und meist nach etwa fünf Minuten nach Einnahme, aber dafür konnte man nie sagen, wann ihre Wirkung denn abklingen würde. Manchmal hielt sie stundenlang, beinahe einen ganzen Tag, an anderen Stellen brauche es nur eine halbe Stunde, bis er wieder ganz der Alte war. Der alte Akeno war zwar putzig und niedlich, aber man sollte sich wirklich fragen, ob er dazu in der Lage sein würde, eine Prüfung ernsthaft zu begehen, geschweige denn zu bestehen. Als sich der angehende Genin also zum Wald begab, in dem der zweite Teil seiner Prüfung stattfinden würde, drehten sich seine erstaunlich klaren Gedanken um die Frage, wie lange sie wohl noch so entnebelt bleiben würden und wann er wieder zu dem kleinen, unkontrollierten Irren werden würde, der er im Normalfall war. Was auch immer kommen mochte, er hoffte doch sehr darauf, dass die Wirkung der eigentlich verhassten Medikamente nicht nur lange genug anhielt, sondern auch, dass es schnell vorbei sein würde, sodass er erst im Nachhinein wieder abdrehen würde. Er hatte ja bekanntlich nicht vor, diese Prüfung zu verhauen, aber wenn die Wirkung nun schon nachlassen würde, wo er erst gerade am Waldesrand angelangt war, dann würde er wohl eher schlechte Chancen haben. Durch einen bösen Zufall oder seine eigene Lahmarschigkeit standen Masaru und Ayaka bereits dort und schienen auf ihn zu warten, Grund genug, den letzten Teil des Weges in etwas schnellerem Tempo zurückzulegen und sich mit einem Winken anzukündigen. Auch wenn er wirklich nur selten versuchte, Einfluss auf andere zu nehmen, man musste sich bei so einer wichtigen Prüfung ja nicht extra unfreundlich anstellen. Immerhin waren die beiden es, die beurteilen sollten, ob er bereit sei, Genin zu werden – und offenbar noch jemand anderes, nämlich eine junge Frau mit schwarzen Haaren und so typisch weißen Augen, dass gerade er, der er auch aus einem Clan aus Konoha stammte, erkennen musste, dass es sich um eine Hyuuga handelte. Die war aber doch kein Lehrer, oder? Na klar, es gab Frauen, die sich gut hielten und auch solche, die sich durch ein Genjutsu ewiges jugendliches Aussehen bescherten, aber sie sah wirklich ein wenig arg jung neben Masaru und Ayaka aus, wobei er das letzterer vielleicht nicht gerade sagen sollte. Danke Medikamente, denn ohne hätte er das nun sicherlich angebracht. »Da bist du ja, Akeno-kun.«, ergriff dieses Mal der große Lehrer das Wort, »Das hier ist Hyuuga Itoe, sie wird der Prüfung beiwohnen und uns etwas zur Hand gehen.« Der blonde Junge lächelte auch diese Dame an, ehe Masaru seine Aufmerksamkeit zurück forderte. »Gut. Nun zum zweiten Teil deiner Prüfung: Der Praxis. Wir, also die bezaubernde Ayaka, Fräulein Hyuuga und meine Wenigkeit, werden uns in dem abgegrenzten Waldstück verstecken. Natürlich mit etwas mehr Raffinesse als man das von Kindern gewöhnt ist. Deine Aufgabe wird es also sein, uns zu finden – und das in einer Zeit von fünf Minuten pro Person. Und natürlich solltest du aufpassen… man weiß nie, was der Wald alles zu bieten hat! An dieser Prüfung nehmen mehrere Genin teil, wer weiß, was die im Schilde führen werden… beim Schuss geht’s los!« Und damit verschwanden sie auch schon und ließen einen aufgeregten Yamanaka zurück. Ein Versteckspiel? Das klang ja noch einigermaßen human, er hatte sich in jedem Falle schlimmeres ausgemalt als das. Am Ende hätte er noch gegen irgendjemanden kämpfen müssen, denn um ehrlich zu sein, war das nicht gerade seine Stärke. Er war eine Taijutsuniete und das einzige, was er wirklich konnte, war auf Bäume oder anderes freihändig zu klettern. Oder er könnte natürlich auch ein wenig mit Miyuki plauschen… warum eigentlich nicht? Er wollte sich gerade auf die Verbindung konzentrieren, die er mit allen Mitgliedern seines Clans teilte, um die blonde Frau ein wenig zu nerven, als ihm einfiel, dass er sich vielleicht doch eher konzentrieren sollte. Ja, das war eine deutlich bessere Idee, am Ende verpasste er noch den Startschuss. PENG! Hatte er gerade Startschuss gedacht? Sofort hastete er los, hinein in den Wald, die Augen weit offen, damit er auch ja nichts übersah. Bis ihm einfiel, dass das nicht alles sein konnte. Sofort blieb er stehen und musterte seine Umgebung genauestes. Bestimmt würde es hier nur so vor Fallen starren und wer schon einmal einen Explosionstag zu nah an seinem Ohr gezündet hatte, der wusste, dass die Dinger mies waren. Er musste also nicht unbedingt in eine Falle rein laufen – aber wäre auf dem besten Wege dorthin gewesen, wenn er einfach weiter gerannt wäre. Die nächsten Meter wurden also vorsichtiger bewältigt, näher an den Bäumen, immer auf der Hut und Suche nach anderen Genin oder eben den Prüfern. Die Frage war, wie man sich denn etwas ninjamäßiger verstecken konnte, als Kinder das taten… was würde er zum Beispiel tun? Hm… er könnte sich verwandeln, genau! Aber wenn sie das getan hatten, dann würde er sie nie finden. Er könnte nun natürlich jeden Baum abtasten… er streckte die Hand aus und fuhr über einen Ast, den er im Vorbeigehen mit sich zog und dann zurückschnappen ließ. Huch! War das gerade ein Stöhnen gewesen? Hatte er gerade ernsthaft so viel Glück gehabt, dass er einen verwandelten Lehrer entdeckt hatte? Erstaunt drehte er sich um und… blickte in das Schmerz verzerrte Gesicht seines Mitbewohners, der sich offenbar von hinten an ihn herangeschlichen und den zurückschnellenden Ast in die Weichteile bekommen hatte – zumindest wenn man seine vornübergebeugte Haltung und den wütenden Blick bedachte. »Holla… was machst du denn hier, Gaki-kun?« Er blinzelte ein paar mal, bis ihm einfiel, dass er sich diese Frage wohl selbst beantworten könnte, er sich vielleicht aber entschuldigen sollte, immerhin sah der Andere – selbst wenn sich sein Gesicht ausnahmsweise mal auf Augenhöhe befand – ziemlich gereizt aus. »Sorry… aber du hättest dich auch nicht anschleichen brauchen.« Vollkommen ignorierend, dass der Andere sich wahrscheinlich in Schmerzen wand (aber was hätte er auch dagegen tun sollen?) blickte er sich erneut um. In der Nähe konnte man Wasser plätschern hören. Gab es hier etwa einen See? Vielleicht sollten sie da mal suchen! Bevor er aber auch nur einen Schritt weiter machen konnte, prallte auf einmal etwas gegen seine Schläfe und ließ ihn den Baum knutschen – und was hätte es anderes sein können als die Faust seines werten Mitbewohners, die ihn vollkommen unvermittelt getroffen hatte und wohl vor allem deswegen, weil er ihn, wenn auch unabsichtlich, beinahe zum Eunuchen gemacht hatte. Einen Moment lang war er benommen, sah Sterne und krallte sich in der Rinde des Baumes fest, um nicht abzurutschen, ehe er sich an die Schläfe fasste und in Richtung See zeigte. »Wir sollten da mal gucken, finde ich.« Natürlich hatte er gerade vollkommen übergangen, dass er sicherlich eine nette Prellung in seinem Gesicht vorfinden würde, wenn er das nächste Mal in den Spiegel sah, aber schließlich gab es auch wichtigeres, um das er sich kümmern musste, zudem er es ja auch nicht anders von Rakugaki gewohnt war. Der konnte nämlich eigentlich gar nicht anders, als auf so etwas mit Gewalt zu reagieren… konnte man in ihrem seltsamen Falle eigentlich so generell von häuslicher Gewalt reden oder wäre das eine falsche Benutzung des Ausdrucks? Jedenfalls zog er den Größeren schließlich mit – aber nur am Ärmel, man wollte ja nicht gleich noch eine fangen – sodass sie schon nach wenigen Sekunden an einem kleinen See standen, der einem Gemälde hätte entspringen können. In wunderschönen Mustern plätscherte das kristallklare Wasser über den steinigen Untergrund eines Baches hinein in einen fast kreisrundes Becken, das – auch wenn man es kaum glauben mochte – scheinbar natürlichen Ursprungs wahr. Die ebenso blauen Augen des Yamanaka blickten sich suchend um, fanden aber nichts, was ihm einen Hinweis auf einen versteckten Sensei geben würde. Um besser nachdenken zu können, hüpfte er auf einen der Steine, streckte die Arme zur besseren Balance aus und hopste von einem zum nächsten, während er nach Fallen oder Hinweisen Ausschau hielt – und auf einmal ein Stein unter ihm nachgab. Mit einem erstaunten Quieken glitt er auf dem verblüffend weichen Untergrund aus und fiel mit einem wahnsinnig eleganten Rückenplatscher ins Wasser, wobei er den Stein und Rakugaki, der wohl zu nahe gestanden hatte, einmal komplett durchnässte. Das Mineral allerdings… sah irgendwie auf einmal nicht mehr ganz so steinig und hart aus. Dafür aber umso schärfer, da es sich in eine bildhübsche junge Frau mit rosa Haaren und weißer Bluse verwandelt hatte, die aufgrund der spontan angestiegenen Feuchtigkeit an ihrem Körper klebte wie eine zweite und verdammt durchsichtige Haut. Akenos Kopf hatte allerdings nur eine halbe Sekunde Zeit, um sich ganz ohne Henge in eine Tomate zu verwandeln, ehe ihn etwas packte und untertauchte. Erschrocken wand er sich unter Wasser, versuchte an die Oberfläche zu kommen, doch die Hand drückte ihn unerbittlich weiter runter, ehe sie ihn nach für den Jungen endlos vorkommenden Sekunden wieder Luft schnappen ließ. Dass es Rakugaki gewesen war, der das getan hatte, war ihm bewusst und dieser erntete auch einen giftigen Seitenblick, ehe sich der triefend nasse Blonde aus dem Wasser hievte und an Land platschte. Nein, das war gar nicht witzig gewesen! Es hätte ihn sogar umbringen können oder so, so etwas gehörte sich nicht! Er sah vor allem nicht einmal den Sinn für die spontane Rauferei, er hatte doch nichts falsches gemacht, er hatte die erste Sensei gefunden, auch wenn die – aus welchem Grund auch immer – schon wieder verschwunden war. Was sollte das also?! Beinahe unbemerkt wurde der Junge wütend, warum genau in solcher Intensität konnte er sich selbst nicht erklären, aber er verspürte gerade den bei ihm wirklich seltenen Drang, seinen Mitbewohner zu schlagen. »Was sollte das Atarashi-baka?!«, fauchte er beinahe, »Das war NICHT komisch!« Seine Augen funkelten sauer und er versteifte die Arme, machte ein finsteres Gesicht, wie ein Kind, das nicht bekam, was es wollte. Doch die Antwort, die ihm in trockener Manier gegeben wurde, trug nicht gerade dazu bei, dass sich sein erhitztes Gemüt beruhigte. »Sollte es auch nicht sein.«, kam es von dem Grauäugigen, was Akeno beinahe zur Weißglut trieb. Es hatte nicht einmal einen bestimmten Grund, denn eigentlich war er gerade in Rakugakis Fall nicht nachtragend, aber irgendwie war er einfach wütend, so wütend, dass er in Rumpelstilzchenmanier aufstampfte, um sich gleich darauf den Schuh vom Fuß zu ziehen und ihn vollkommen ohne Sinn und Verstand von sich zu werfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirkung seiner Medikamente gerade am Nachlassen war, stieg wohl exponentiell mit der verstrichenen Zeit, denn gerade schien er doch eindeutig in alte Muster zurückzufallen. Rakugaki wiederum schien solche Ausbrüche gewöhnt zu sein, zumindest, wenn man seine Antwort bedachte, die wie immer wenig freundlich war: »Schön gemacht. Du möchtest also die Geninprüfung im Wald auf einem Bein hüpfend abschließen? Nein? Dann krieg dich mal wieder ein, wir haben beim ersten Prüfer Glück gehabt, aber die gewonnene Zeit musst du nicht verplempern, indem du ein Idiot bist. Hol deinen Schuh und hör auf zu schmollen, Baby.« Akeno blies die Backen auf und hüpfte ohne ein weiteres Wort los, hin zu dem Baum, auf den der Turnschuh seines Wissens geflogen war. Erst auf die Rinde setzte er den in einer gelben Socke steckenden Fuß, um dann das Gewächs hoch zuhuschen und oben angekommen nach dem verlorenen Teil Ausschau zu halten. Wer sich nun verständlicherweise fragte, was nun schon wieder in ihn gefahren war, dem sei gesagt, dass die Psychopharmaka, die ihn während der theoretischen Prüfung geistig einigermaßen stabilisiert hatten, nun wohl endgültig den Geist aufgegeben hatten. »Sssssssumm!«, machte er, während seine Augen über das Geäst wanderten und schließlich eine kleine Baumhöhle erblickten, wedelte dazu auch noch nett mit den Armen und hüpfte schließlich zu der Einbuchtung im Holz des Baumes, um hineinzugreifen und… die Hand ganz schnell wieder zurück zu ziehen. Heute hatte er aber auch wirklich beinahe überirdisches Glück, oder? »Haaaaab dich, Itoe-san!«, prustete er los und pikste mit einem Finger gegen die Schulter der Chuunin, die sich dieses doch eher luftige Versteck ausgesucht hatte. Hyuuga waren ja eigentlich schon ein spannendes Völkchen, wie er fand, er fand ihre Augenkunst irgendwie faszinierend, auch wenn er sie ungerne selbst haben würde. Immerhin musste es doch auch nerven, wenn man nichts ahnend durch die Gegend spähte und auf einmal etwas verdammt unappetitliches vor die Linse bekam, einen alten, nackten, duschenden Mann zum Beispiel. Er persönlich fände das nicht ganz so witzig, aber vielleicht hatten sie sich daran gewöhnt? Oder saßen kleine Hyuugas nachts vollkommen verstört in ihren Betten, um schließlich zitternd einen Yamanaka mit den Worten »Ich sehe nackte Menschen!« zu konsultieren? Eine erheiternde Vorstellung, wirklich. Vielleicht sollte er Itoe das gleich mal fragen? Oder doch lieber nicht, denn die schwarzhaarige Chuunin streckte ihm gerade seinen Schuh mit einem Blick entgegen, der wohl bedeuten sollte, dass er gerade etwas arg albern war. War er das denn wirklich? Mit einem »Danke~« zog er sich den Schuh über, sprang vom Baum, kratzte sich am Kopf und watschelte zu Rakugaki zurück, während er über diese Erkenntnis nachdachte. Er war also zu albern… oh nein! Bedeutete das, dass seine Medikamente nicht mehr wirkten? Es war immer wieder erstaunlich, wie lange er selbst brauchte, um diesen Umstand zu verstehen, aber jetzt war es wohl so weit. »Uhhh… nicht gut. Ich glaub die Pillen lassen nach.«, murmelte er wie zu sich selbst, als er jedoch schon wieder in Rakugakis Hörweite war. Diese Erkenntnis brachte beiden eher wenig, dem Größeren mehr als dem Betroffenen selbst, da er so vielleicht besser abschätzen könnte, wie man mit ihm umzugehen hatte. Aber da Rakugaki eine Varianz in seinen Reaktionen besaß wie eine Fläche Sichtbeton in Sachen Maserung, würde es ihn sicherlich kaum interessieren, dass man unter Umständen bald wieder sinnlose Aktionen vom Yamanaka erwarten konnte – noch sinnlosere als seinen eigenen Schuh auf einen Baum zu werfen selbstverständlich. Dass Akeno dabei aber auch noch so ein Glück hatte, musste wohl eine Laune des Himmels sein, ebenso wie die Tatsache, dass er seinem besten Freund in der Prüfung über den Weg gelaufen war (Welch ein Zufall aber auch!), denn ohne ihn war wohl fragwürdig, wie er das ganze hätte überleben sollen. Dabei waren die beiden Genin noch nicht einmal auf eine der Fallen gestoßen, die Masaru indirekt angekündigt hatte, was ihn sicherlich gewundert hätte, wenn seine Gedanken nicht gerade damit beschäftigt waren, sich selbst nach seltsamen Anzeichen abzusuchen, die auf einen Stimmungswechsel hinweisen würden. Dabei würde er bestimmt nichts finden, bis es so weit war und er allein an seinem Verhalten bemerken würde, dass die Pillen wohl die längste Zeit gewirkt hatten. Das konnten kleine Dinge sein, konnte aber auch ebenso gut bedeuten, dass er auf einmal seinen ach so lieben Mitbewohner ansprang… wo er gerade dabei war, der sah wirklich so aus, als könne er eine Umarmung vertragen! Gedacht, getan und schon hatte der langhaarige Junge einen kleinen, blonden Klops am Körper kleben, der sein Gesicht gegen seine Brust drückte und wie ein Bescheuerter grinste. Durch den Schwung waren die beiden einige Meter weiter zur Seite getorkelt. »Oi, Gaki-chan, guck nicht immer so grantig!«, nuschelte er scheinbar in allerbester Laune, ehe die obligatorischen Hände ihn von ihm wegstießen, bevor eine Faust wohl gezielt in seinem Gesicht landete und ihn hinten über fliegen ließ. Leicht panisch suchten seine Füße stolpernd automatisch nach halt, aber irgendwie war der Boden auf einmal verschwunden, die Sohlen der Turnschuhe tasteten im Nichts herum, der schmale Körper kippte nach hinten, die blauen Augen weiteten sich, alarmierte Hände griffen vor sich und packten das einzige, was nah genug war: Den Kragen desjenigen, der ihn – ob gewollt oder nicht – den Abhang herunter geschlagen hatte, den sie zuvor wohl nicht bemerkt hatten. So riss also Akenos gesamtes Körpergewicht plus den Schwung seines eigenen Schlages an Rakugakis Stabilität und ließ auch ihn vorne überkippen, sodass die beiden Jungen ungebremst und vor allem ungewollt den Abhang hinunter kugelten, nachdem der deutlich schwerere auf Akeno geklatscht war und ihm erst einmal jegliche Luft zum Atmen raubte. Mal oben, mal unten, immer im Kreis, so langsam wurde ihm wirklich schlecht, aber seine verkrampften Finger ließen den Kragen des Anderen vor allem nicht mehr los, sodass es auch keine Hoffnung auf spontanes Bremsen von seiner Seite gab. Der Hang war ganz schön glitschig, matschig, im großen und ganzen ziemlich ekelig und leider sah die Kleidung der beiden Jungen danach auch nicht viel besser aus. »Au…«, maulte der Blonde, nachdem sie schlitternd unten im Matsch gelandet waren und die Schwerkraft irgendwie ihn zum Opfer auserkoren hatte, das von einem seiner Meinung nach viel zu großen Gewicht in den feuchten Boden gematscht wurde. Dreckige Hände stemmten sich gegen die Brust desjenigen, der dummerweise (eigentlich durch seine eigene Schuld, denn er Depp hatte seinen Kragen ja auch umklammert, als sei dieser die einzige Rettung) genau auf ihm gelandet war. »Meh… geh da weg, Atarashi-bakaaaa!«, nörgelte er weiter, ehe er aufgab, den Größeren von sich entfernen zu wollen, da es sowieso nicht klappte. Er hatte halt keine Kraft in den dünnen Armen, wozu brauchte er die auch… also versuchte er es mit einer anderen Linie, denn so schnell gab er nicht auf… »Liebster Ryakuga, würdest du bitte von mir runter gehen? Du bist mir ein wenig zu schwer…«, flüsterte er in allerliebster und unterwürfigster Stimme, die er gerade so hinbekam, da er generell nicht besonders viel Luft zur Verfügung stehen hatte und auch vor allem wollte, dass der Andere mal reagierte. Tatsächlich bewegte sich dieser allerdings auch sofort und vollführte noch eine Extradrehung, sodass er sich von dem inzwischen gefühlt halb so voluminösen Blonden herunter rollte und ihn ungewohnt besorgt anblickte. Dieser jedoch holte nur einmal tief Luft, streckte die Hände in die Höhe und rappelte sich dann auf, um einmal den Kopf zur Seite zu bewegen, wobei es unschön knackte. Aber das schien ihn nicht weiter zu stören, blickte er sich doch schon im nächsten Moment um und verengte die Augen zu Schlitzen, als er eine seltsame Erhebung in dem Hang feststellte, den sie gerade herunter gekullert waren. Es hatte den Anschein, dass sie durch ihr kombiniertes Gewicht genug Masse aufgebracht hatten, um einen kleinen Erdrutsch ins Laufen zu bringen, welcher wiederum etwas frei gelegt hatte, das noch vor kurzem von einer dünnen Schicht bedeckt worden war… und dieses etwas sah irgendwie wie rotes Gras aus. Moment mal… er kratzte sich am Hinterkopf und hüpfte ein wenig näher. Normalerweise war Gras doch grün oder etwa nicht? »Rot, rot, rot sind alle meine Grä~ser, rot, rot, ist alles was ich hab. Wa~rum mag ich, alles was so rot ist? Weil mein…« Doch weiter kam das blonde Yamanakalein nicht, denn während sein etwas cholerisch angehauchter Mitbewohner am Anfang seines geschmetterten Kinderliedes nur die Augen verdreht hatte, ohne dass Akeno es mitbekam, da er viel zu sehr auf das rote Grasbüschel starrte, hatte er nun die Initiative ergriffen und schien das eliminieren zu wollen, das den Jungen zum Singen inspirierte: Das Grasbüschel. Mit großen, blauen Augen beobachtete Akeno, wie er es ganz einfach umfasste und dann daran riss. Mit noch größeren, verblüfften Augen wiederum wurde beobachtet, wie ein schmerzhaftes Schnauben ertönte und das Gras seine verblüffend große Wurzel offenbarte, die sehr viel tiefer ins Erdreich hereingereicht haben musste, als er angenommen hätte. Außerdem war da noch die Form, denn auch wenn er wusste, dass es Pflanzen wie die Alraunen gab, deren Wurzel eine wahnsinnig humanoide Form hatten, so bewegte sich diese auch noch und warf dem Jungen, der seine Haare sofort losgelassen hatte, als habe er sich verbrannt, einen durchaus strengen Blick zu. Es dauerte tatsächlich einige Sekunden, bis auch Akeno merkte, dass das überhaupt kein seltsam geformtes Pflanzenteil war, sondern Masaru, Sensei Nummer drei in einem ziemlich fiesen Versteck! Denn wie hätte man schon darauf kommen sollen, dass er unterirdisch warten würde, wenn man nicht gerade wie die beiden Akademieschüler über den Hang rumpelte? Oder war das vielleicht eigentlich ein Gedankenspiel, das sie im Eifer des Gefechts nur nicht bemerkt hatten? Ayaka hatte auf dem Boden gestanden, verwandelt in einen Stein, Itoe hatte sich in eine schattige Baumhöhle zurückgezogen, also weit über dem Boden, prinzipiell in der Luft. Hätte man daraus schließen sollen, dass sich der dritte unter der Erde finden lassen würde? Und wenn ja, wie hätte man ihn suchen sollen, außer mit viel Glück? Na klar, er hätte mit Explosionstags um sich werfen und den Boden gehörig pflügen können, aber dann hätte er am Ende noch jemanden verletzt… hätten sie das von ihm gewollt? Ihm persönlich hätte es wahrhaftig wenig ausgemacht, aber wäre das nicht rein logisch auch eine Gefahr für die anderen gewesen? »Musstest du denn gleich so reißen, Ryakuga-kun? Ein leichtes Ziehen hätte doch genügt…«, murrte der Lehrer und rieb sich die Stelle, an der die Haarwurzeln sicherlich gerade noch so dort verblieben waren, wo sie hingehörten. »Sie geben ein tolles Gewächs ab, Masaru-sensei!«, grinste Akeno, der im Gegensatz zu seinem Freund reichlich unbefangen gegenüber Erwachsenen war und tatsächlich auch zu fehlender Höflichkeit ihnen gegenüber neigte. Zudem machte die Tatsache, dass er den Kopf fast in den Nacken legen musste, um zu der großen Person aufsehen zu können, das ganze eher noch ulkig, als dass es beunruhigen sollte. »Aber sagen Sie mal…«, fuhr er fort, nachdem er sich den Arm seines Mitbewohners geschnappt hatte und diesen wie einen Teddy umklammert hielt, »Wenn wir Sie nun alle drei gefunden haben, was sollen wir dann machen?« Er lächelte unbeirrt weiter, auch als Masaru einen recht ungläubigen Blick aufsetzte, wohl eher nicht, weil er erstaunt war, dass jemand die Verstecke gefunden hatte, sondern eher ob der Kurzsichtigkeit des jungen Mannes. Rakugaki währenddessen schien das irgendwie nicht anders als der Lehrer zu sehen oder er konnte es einfach nicht haben, dass Akeno ihn schon wieder berührte, jedenfalls setzte es noch einmal eine und der Yamanaka knutschte den Boden. Man könnte sicherlich eine Doktorarbeit darüber schreiben, inwiefern Schläge auf Psychosen wirkten, aber in diesem Fall wohl eher weniger, denn auch wenn nun sogar sein Gesicht voller Dreck war, grinste Akeno immer noch und stand, sobald sein Kopf nicht mehr dröhnte, wieder auf, um ihn dieses sogar komplett zu umarmen, den Kopf an seine Seite zu drücken und zu lächeln, als sei die Welt vollkommen in Ordnung. »Wenn ihr fertig seid, kommt einfach zum Start zurück.«, meinte der Lehrer noch, ehe er schneller verschwand als Akeno gucken konnte. »Oi Gaki-chan…?«, machte er verwundert, denn auf einmal packte ihn eine Hand am Kragen und schleifte ihn hinter sich her, vollkommen ignorierend, dass er irgendwie nicht ausreichend hinterher kam und er ihm irgendwie unangenehm die Luft abschnürte, »Was soll das?«, hustete er, während seine Füße kaum Halt im Schlamm fanden, bis er bemerkte, dass der Andere wohl nur die Anweisungen Masarus befolgte und ihn auf eine unschöne, aber dennoch typische Art und Weise mitschleifte, zurück, Richtung Start. Warum genau er der Meinung schien, dass er nicht selbst laufen könne, war unklar, aber es zählte auch nicht wirklich. Akeno hob die Mundwinkel und lächelte trotzdem, darüber hinweg, dass er hier gerade wie ein Sack Kartoffeln behandelt wurde. Immerhin bekam er ein gratis Fortbewegungsmittel und musste nicht selber laufen, so konnte man es auch sehen, oder? »Ich finde man sollte öfter Geninprüfungen machen und Leute zusehen lassen, das wäre sicherlich ein Riesenspaß für alle Zuschauer…«, begann er daher zu reden, als säße er in einem sonnigen Abteil eines Zuges und würde über das Wetter plaudern, »Oder man könnte einen Film darüber drehen. Ein Film über Kinder, die im Wald gegeneinander kämpfen, bis nur einer übrig bleibt… gibt es sowas nicht schon, ich hab bloß den Namen vergessen. Aber ich bin sicher, dass ich sowas schon einmal bei dir hab rumstehen sehen, wie hieß es gleich… ähm… Battle Royal, genau. Aber da würde ich ungerne mitmachen, das ist sicherlich ziemlich unbequem.«
Nachspiel der Prüfung: Ryakuma und Akenoha?
Das Bild, das sich den anderen Genin in spe am Ende der Prüfung von den beiden etwas eigenwilligen Schülern bot, war sicherlich wert, es in Fotoalben zu kleben oder auf noch nicht existenten Internetplattformen zu veröffentlichen: Während Ryakuga einfach nur dreckig war, von oben bis unten, aber vor allem am Rücken, sah der Yamanaka aus, als habe er sich beim Schlammketschen den ersten Platz hart erkämpfen müssen, denn neben der obligatorischen Erdkruste, die auch seine Haare ungewohnt dunkel färbte, begannen einige bläuliche Verfärbungen auf seinem Gesicht zu sprießen. So sah er wohl deutlich kaputter aus, als er sich fühlte, denn eigentlich ging es ihm rein von seiner Laune her recht gut: Er hatte die Geninprüfung zumindest schon einmal absolviert, ob nun bestanden oder nicht, aber ein gutes Gefühl war das trotzdem! Auf dem Hof der Akademie hatten sich die Schüler versammelt, die am heutigen Tag auch darauf hofften, endlich das Stirnband ihres Dorfes überreicht zu bekommen. Dabei war dieses Wort so etwas von veraltet… er hatte schon so viele Ninja mit den Dingern an ganz anderen Stellen des Körpers herumrennen sehen, so zum Beispiel um den Hals gewunden oder um den Arm gebunden oder um die Hüfte… warum behielt man da einen Namen, der den Platz auf dem Kopf des Anwenders implizierte und doch dauernd unterlaufen wurde? Wahrscheinlich war ihnen einfach die zweifelhafte Brisanz des Themas nicht so klar, wie Akeno in diesem Moment, in dem er neben Rakugaki in der Masse der schnatternden Schüler stand und zu den Prüfern hoch blickte, die noch zu beraten schienen, an einem Tisch sitzend. Vor ihnen konnte man vier verschiedene Stirnbandtypen ausmachen, solche mit der Lotusblume Shiros, die mit dem wirbelartigen Blatt Konohas (So eines würde er ja gerne sein eigen nennen, auch wenn er sich noch nicht im Klaren darüber war, wo er es tragen würde), die mit dem Stundenglas von Suna und die mit den Wolken, die hoffentlich bald die Stirn, den Bauch oder welche Körperstelle auch immer von seinem Mitbewohner bedecken würde. So als Ersatz für einen Zensurbalken vielleicht… aber ob ers wirklich überm Schritt tragen würde? Zumindest Akeno bezweifelte das dann doch stark. Wolkig mit Aussicht auf…? Nun ja, das würde sein Mitbewohner wohl selbst entscheiden müssen, wenn es so weit war, er würde ihm da sicherlich keine Ratschläge geben, für die er eh Prügel beziehen würde. Was ihn allerdings wahrhaftig ärgerte, war die Tatsache, dass man wie immer streng nach dem Alphabet ging und dass der Name seines Freundes mit A begann, während er irgendwo ganz weit hinten beim Y herumdümpelte. So konnte sich Rakugaki also schon nach wenigen Minuten über ein neues Haarband (auch ein schmucker Verwendungszweck für so ein Ding!) freuen und wurde dafür von Akeno erst einmal geknuddelt. Die restliche Zeit wartete er also auf dem Boden liegend darauf, dass sich die Menge der Schüler, die sich entweder auf eine Ehrenrunde oder über einen neuen Rang freuen konnten, lichtete und nur noch die armen Tropfe übrig blieben, die auch einen so undankbaren Nachnamen abbekommen hatten, wie er. Dabei war es wirklich ein schöner Name, gerade weil er eben einen einflussreicheren Clan im Hintergrund bedeutete, aber in Momenten wie diesen hätte er gerne Aanagi oder so geheißen, vielleicht mit noch einem A vorne. Immerhin müsste er dann nicht bangen, ob er bestanden hatte oder nicht, aber wenn man ehrlich war, dann konnte er sich kaum vorstellen, dass er durchfiel, während Rakugaki bestand! Immerhin… er konnte zwar nicht wissen, was der in seiner theoretischen Prüfung angestellt hatte, aber er wusste, dass sein Mitbewohner eine elend faule Socke war, wenn es darum ging, etwas für die Akademie zu lernen, was nicht mit Praxis zu tun hatte. Er selbst wurde nach einer zu langen faulenzerischen Zeit ja von seiner Sensei aufgehetzt, da half nicht mal die Tür zuknallen, da sie ihn direkt in seinem Geist ansprechen und dementsprechend auch ausschimpfen konnte. Aus diesem Grund hatte er erst wirklich gelernt, denn da er der Meinung war, dass sein Geist seine Privatsphäre war, wollte er sie so gut es ging von sich fern halten. Rakugaki hatte so jemanden nicht, denn da er kein Clanmitglied war, konnte Miyuki ihn auch nicht einfach so quasi über Funk erreichen. Auf seinen blonden Hausirren wiederum hörte er ja bekanntlich nicht sonderlich gut, weswegen das auch nicht die treibende Kraft sein konnte. Bla… ihm war so langweilig. Mit aufgeplusterten Wangen blickte er in den Himmel, aber dieses Mal grüßte ihn kein lachendes Gesicht, dieses Mal war da nichts anderes als Wolken, weiße Watteberge, die aussahen, als könne man toll darauf hüpfen. Vielleicht sollte er das mal versuchen, irgendwann. Er hatte gehört, dass die Stadt Soragakure dort oben irgendwo lag, weit hinter den Wolken, im Reich des Wassers. Ob die Ninja dieser Stadt wohl auf Wolken wandern konnten? Wenn sie das taten… er wäre ja so neidisch!
Und dann endlich, endlich nach einer Zeit, die ihm wie Äonen von Jahren vorkam, rief die nun wieder trockene und perfekt frisierte Ayaka auch den Namen des beinahe weg gedösten Blondiners auf, der daraufhin voller neuer Energie aufsprang und nach vorne trabte. Tatsächlich gab es noch drei andere Schüler, die ebenso entnervt wie er wirkten und wohl noch weiter hinten im Alphabet standen, aber die beachtete er gar nicht, da sein Blick lieber einmal zu den Stirnbändern huschte und dann zu der Lehrerin, auf deren Urteil er nun wohl warten musste. Hoffentlich hatte er bestanden, denn sonst… sonst… würde er länger Akademieschüler als Rakugaki bleiben und das wäre ja wohl ein schlechter Witz! »Nun kommen wir zu dir, Yamanaka Akeno…«, begann Ayaka nach einem schnellen Blick auf ihre Notizen. »Insgesamt konntest du 100 Punkte erreichen, davon 30 in der Theorie und 70 in der Praxis. 80 davon brauchst du zum bestehen. Fangen wir mit der Theorie an.« Sie rückte ihre Brille zurecht und lächelte, »Im theoretischen Teil hast du 25 von 30 Punkten erreicht, da du eigentlich fast alles von Relevanz wusstest, allerdings die Erwähnung des Jutsus Kai zum brechen von Genjutsus vergessen hast. Natürlich wiegt das nicht so schwer, dass wir dir dafür so viel abziehen würden, aber anfangs machtest du einen sehr unsicheren Eindruck, stellenweise wirkte der Vortrag unstrukturiert.« Akeno schabte leicht lächelnd mit der Schuhsohle über den Boden, da er so etwas in deutlich stärkerer Intensität eigentlich erwartet hatte und ohne die eigentlich zu spät erfolgte Einnahme seiner Medizin sicherlich mehr Punkte abgezogen bekommen hätte (die übrig gebliebenen 25 zum Beispiel.) »Im praktischen Teil habe ich noch nie so viel Chaos auf einem Haufen gesehen, erst recht nicht so viel effektives Chaos.«, übernahm Masaru und linste stirnrunzelnd auf sein Klemmbrett. »Man hatte zeitweilig das Gefühl, dass du keine Ahnung hattest, was du tatest und dennoch hast du alle drei Sensei in der vorgegebenen Zeit gefunden. Nicht alleine, aber wie wir auch schon deinem Teampartner sagten, ist es für einen Shinobi immer vorteilhaft, wenn er in einer Gruppe arbeiten kann. Teamwork ist wichtig und wird viel zu oft unterschätzt, ihr beide habt auf reichlich krude Weise jedoch demonstriert, dass es sehr nützlich sein kann. Auch wenn ich das nächste mal am Wasser die Stellung halten werde, damit Ayaka-san nicht noch einmal mitten in der Prüfung die Garderobe wechseln muss, haben wir dir und auch gleichsam deinem Mitgenin für die praktische Prüfung 65 von 70 zu erreichenden Punkten gegeben.« Da Akeno gar nicht mal so schlecht im Kopfrechnen war, wölbten sich seine Mundwinkel schon gen Himmel, als Ayaka wieder das Wort übernahm und die Rechnung für alle besonders bequemen Leser die einfache Rechnung vorführte: »Das bedeutet, dass du insgesamt 90 Prozent erreicht hast und damit dieses Stirnband redlich verdient hast!« Mit diesen Worten drückte sie dem inzwischen wie ein Sternchen strahlenden Yamanaka den Stirnprotektor in die Hand, bevor sie ihm über die blonden Haare wuschelte und ihm lächelnd zuflüsterte: »Aber nächstes Mal bitte dran denken, das Damen ungerne nass gemacht werden, wenn sie weiße Kleidung tragen~« Ein hastiges Nicken, auch wenn er gar nicht wirklich zugehört hatte, ehe sich die immer noch schlammigen Finger des Jungen ganz fest um die Metallplakette schlangen und er schließlich vor Freude hüpfend zu seinem Mitbewohner abzischte. »Guck mal Gaki-chan, ich hab auch so ein Ding bekommen… aber dabei kann ich es nicht einmal als Haarband verwenden, so wie duuuhuuu!« Und mit diesen Worten sprang er hoch, umschloss das Gummi, welches die Pferdeschwanzähnliche Konstruktion des Anderen aufrecht hielt, und schoss schließlich wie ein Irrer kichernd damit davon, sodass der blauhaarige Künstler mit offenen Haaren zurück gelassen wurde und wahrscheinlich gerade darüber nachdachte, was er Akeno antun würde, wenn er ihn erst einmal erwischte. Aber dem war das schon wieder egal, da er sich gerade von ganzem Herzen darüber freute, dass er nun… was denn? Geld verdienen konnte? Sein Leben aufs Spiel setzen durfte? Irgendwie war das vielleicht doch nicht so die perfekte Lösung… egal!
Prüfer:
- Ayaka
- Masaru
- Hyuuga Itoe
- Atarashi Ryakuga
Kennt ihr das Gefühl, aufzuwachen und euch beim besten Willen nicht daran erinnern zu können, was genau ihr auf dem Flurboden mit einer Rolle Klopapier im Arm tut und warum euch das Kreuz schmerzt, als habet ihr die Nacht in der Badewanne verbracht? Wobei sie ja nicht einmal eine solche besaßen, auch wenn er manchmal gerne darin seinen Körper von dem Dreck des Tages befreit hätte, andererseits würde er manchmal auch gerne fliegen können oder auf dem Mond wandern – da zählten seine Wünsche irgendwann nicht mehr. Jedenfalls fuhr die schmale Hand erst einmal in die blonden Haare und rieben den Hinterkopf des Vierzehnjährigen, während sich dieser unter leichtem Stöhnen aufrichtete und leicht desorientiert auf dem Boden sitzen blieb. Kurz verzögert öffneten sich die babyblauen Augen und fixierten einen Dreckfleck an der Tapete, der immer mehr wie die ausladende Krone eines Baumes aussah, je länger er darauf blickte. Immerhin entstammte die Farbe wohl wirklich nur seiner Imagination, denn wäre sie tatsächlich grün, so würde das Schimmel bedeuten… was ja nicht besonders gesund sein sollte. Nicht dass es ihn von irgendetwas abgehalten hätte, in manchen Lebenslagen würde er sogar weggefaulte Eier essen, obwohl der Schwefelwasserstoff nur so aus ihnen triefte, aber das bedeutete bei ihm nicht viel. Manchmal knurrte er auch die Wand an, das kam wirklich immer sehr drauf an, wie er gerade drauf war. An diesem Morgen, nachdem er sich den Kopf gerieben hatte und festgestellt hatte, dass er noch heil war, aufgestanden war, das Klopapier ins Bad gepfeffert hatte und sich in die Küche begeben hatte, um sich eine Tasse Kakao zu machen, quälte jedoch ein ganz anderer Gedanke den noch schlaftrunkenen Schädel des Yamanakas: Er hatte irgendetwas vergessen. Das dumme war nur, dass er sich nicht sicher war, was genau es denn gewesen war, es hätte alles sein können… es war wie ein dumpfes Drücken in der Magengegend, das man auch recht einfach mit Aufregung verwechseln konnte oder gerne auch mit Hunger. Vielleicht hatte er Rakugakis Geburtstag vergessen! Nein, der war noch lange nicht… hatte er den Ofen angelassen? Ein kurzer Blick huschte zur Küchenzeile, nein, das Licht war erloschen. Hatte er die Blumen nicht gegossen? Aber halt, sie hatten gar kein schmückendes Grünzeug, das würde sonst nämlich in den Aufgabenbereich seines Mitbewohners fallen und hätte schon längst das Zeitliche gesegnet. Vielleicht hatte er sich auch einfach gestern nicht geduscht! Probehalber schnüffelte er unter seiner Achsel nach eventuellen unschönen Gerüchen, aber auch hier wurde er enttäuscht. Hm… was konnte es dann sein? Gedankenverloren nippte er an der heißen Flüssigkeit, ehe er einen tiefen Schluck nahm, der beinahe seine Schleimhaut in Flammen setzte und ihn dazu veranlasste, erst einmal nach kühlender Luft zu hecheln. Nachdem er hastig zum Wasserhahn gesprungen war, um sich kaltes Wasser über die gerötete Zunge fließen zu lassen, blickte er gelangweilt auf die Kacheln an der Wand, während sich der Schmerz in seinem Mund langsam in ein nerviges Kribbeln verwandelte. Was könnte er vergessen haben? Zählte das überhaupt? Was würde es ändern, wenn ihm auf einmal wie aus dem Nichts einfiele, was in seinem nichtsnutzigen Kopf verschütt gegangen war? Deprimiert ließ er den Kopf auf die Arbeitsfläche rumsen und bemerkte mit leisem Stöhnen, dass die ganz schön hart war. »Was… ist der Unterschied zwischen einem Akeno?«, murmelte er mit gedämpfter, in die Länge gezogener Stimme, während er mit zwei Fingern über die Arbeitsfläche wanderte, als seien diese Beine, einmal einen Wippschritt zurückwagte, schließlich zur Kante moonwalkte und auf dieser zu balancieren vorgab. »Je gewagter…!« Als habe er nicht noch gerade mit dem Kopf auf dem Tresen gelegen, sauste der blondhaarige Junge durch den Flur, rutschte fast auf einem undefinierbaren Stück Stoff (vermutlich ein T-Shirt von Rakugaki) aus und sprang, ohne sich vorher auszubremsen, in hohem Bogen auf das Bett seines Mitbewohners, der dummerweise noch in genau diesem lag. »…desto…!« Das breite Grinsen des Yamanaka hielt den Anderen dummerweise nicht davon ab, ihn mit einem wütenden Knurren gegen die schmale Brust zu treten und ihn postwendend auf den Boden zu befördern. Mit einem »…Au.« entwich die Luft aus seinem Körper, ehe er sich schon zum zweiten Mal an diesem Tag den Hinterkopf rieb, ehe er auf einmal alarmiert aufsprang, als wäre nichts gewesen und mit einem »Ach du verrückte…!« ins Wohnzimmer abdüste, um dort den Kalender in dem Versuch, auf das heutige Datum zu blicken, beinahe von der Wand zu reißen. Er glaubte wieder zu wissen, was ihm denn zuvor entfallen war… konnte es sein, dass… Tatsächlich? Wie konnte er die letzten Tage nur so verplant haben, dass er vollkommen übersehen hatte, dass heute die Geninprüfung stattfinden würde?! Wobei! Es war nicht nur irgendeine x-beliebige Geninprüfung, es war seine eigene, Akenos Prüfung! Und er hätte sie fast auf dem Boden seiner Wohnung verpennt! Das war… unheimlich witzig! Ein Kichern drang aus seiner Kehle, er fasste sich an die Schläfe, ehe es zu einem ausgewachsenen Lachkrampf mutierte und ihn gleich zum dritten Mal auf dem Boden landen ließ, mit ausgestreckten Gliedmaßen und bebendem Körper, ehe er sich selbst die Hand auf den Mund presste und die prustenden Heiterkeitsbetonungen erstickte. Nein, das war beunruhigend, da er sich nicht sicher sein konnte, ob er die überhaupt bestehen würde. Natürlich, er war nicht unbedingt schlecht, aber eben auch nicht unbedingt gut… es kam bei ihm immer ziemlich auf die Tages- an, nein, die Minuten-, Sekundenform an! Wie sollte er das nur überleben?! Und wie viel Uhr war es eigentlich, nicht dass er hier auch noch zu spät kam! Der alarmierte Blick beruhigte sich, als er auf die leise tickende Uhr an der Wand fiel, laut der er immer noch zwei Stunden Zeit hatte. Das wäre alles in allem eine gute Möglichkeit, sich einen Plan zu überlegen… Oh Gott, ein Plan! Er konnte so etwas nicht, er hatte es noch nie gekonnt! Nein, dieses Mal würde er es schaffen! Mit entschlossen geschwellter Brust stand er auf und tapste in sein eigenes Zimmer, in dem das Bett noch säuberlich gemacht war und hopste zum Schreibtisch, auf dem ein kleines Döschen mit etwas stand, das er normalerweise mit Vergnügen verweigerte: Seiner Medizin. Er war ja nicht krank oder so, aber wenn er seine Stimmungsschwankungen nicht unter Kontrolle bekam, würde er nie im Leben dazu in der Lage sein, auch nur ein sinnvolles Wort im Laufe der Prüfung zu sagen… was wiederum ein trauriger Abgang für Akademieschüler wäre. Nya… aber er wollte die eigentlich gar nicht nehmen! Das war geschummelt und doof und überhaupt gar nicht sein Ding. Er würde sie mitnehmen, das würde bestimmt schon reichen! Ja… würde es… natürlich nicht und Akeno wusste es. Aber er konnte sich nicht überwinden, die kleinen weißen Pillen einfach zu schlucken. Es ging einfach nicht. Sie lagen da auf seinem Handteller – drei an der Zahl – und blickten ihm beinahe hämisch entgegen, rollten leicht herum, als er die Hand bewegte, aber machten keine Anstalten, von selbst in seinen Mund zu hüpfen. Es wäre eine Sache von Sekunden, aber es widerstrebte ihm zutiefst. Normalerweise hatte er schon nicht das Gefühl, Herr seiner eigenen Emotionen zu sein, aber mit den Dingern intus kam er sich fremdgesteuert vor, auch kein besonders schönes Gefühl. Deswegen wanderten die Pillen auch nicht in seinen Mund, wo sie hingehörten, sondern in seine Hosentasche und blieben dort, auch als er eine Stunde später aus der Tür der Wohnung marschierte und sich in Richtung Akademie aufmachte. Auf dem Weg hüpfte er insgesamt zweimal auf Mülltonnen, um einmal beinahe umkehren zu wollen und einen kleinen Umweg zur Bäckerei zu machen, weil er auf einmal Lust auf Süßes hatte. Welch ein Glück also, dass er schon früher losgegangen war, sodass er gerade rechtzeitig zur Prüfung antanzte…
1. Aufgabe: Theorie (Über eine schicksalhafte Entscheidung, Einwirkzeit, Jutsus und die Kunst, zu schummeln)
Tanzen war allerdings nicht die richtige Beschreibung der Gangart des Jungen, als dieser bei der Akademie des Dorfes ankam. Seine Laune war im Laufe der Zeit, die er für den Weg aus der Wohnung der beiden Akademieschüler gebraucht hatte, rapide gesunken, vor allem letzten Stufen, ehe er das Gebäude erreichte, kosteten ihn wahre Überwindung. Nicht, dass er jemals unter Prüfungsangst gelitten hatte, aber gerade hatte er das Gefühl, die Welt würde wohl einfach zusammen brechen. Das kam manchmal vor, unbegründet, einfach so, von einem Moment auf den anderen, aber was ihn verblüffte, war sowieso eher die plötzliche Intensität des ganzen. Er war es ja gewöhnt, dass er im einen Moment noch willkürlich Leute umarmen wollte und schon im nächsten am liebsten alles daran setzen wollte, dass besagte Menschen bloß nicht in seine Nähe kamen, aber das war gerade alles ein wenig arg heftig. Da wirkten die Medikamente in seiner Hosentasche auf einmal doch ganz attraktiv… aber man würde ja noch sehen, ob man auf die Dinger zurückgreifen musste. Dafür, dass heute kein Unterricht stattfand, war die Akademie des Dorfes Shirogakure dennoch gut besucht, anstatt dass man kleinere Akademieschüler herumgeistern sah, bemerkte man aber vor allem, dass sich Jungen und Mädchen in seinem Alter auf den Korridoren tummelten, manche mit bangem Gesicht, andere hoch konzentriert und einige wenige bereits mit einem Ausdruck, als wären sie schon durchgefallen. Der kleine blonde Junge steckte die Hände in die Taschen seiner blaugrau karierten Hose und musterte angestrengt den Raumplan, der unten in der Aula aushing – damit er auch am richtigen Ort wartete, wenn seine Prüfung dran war. Da man nach Familiennamen ging und sein Clan nun einmal recht weit hinten im Alphabet angesiedelt war, musste er auf dem letzten Blatt nachsehen, auf dem noch einige andere Schüler standen, die ihn aber alle herzlich wenig interessierten. Es war kein anderer Akademieschüler aus seinem Clan dieses Mal dabei, früher waren es wohl mal mehr gewesen, aber auch irgendein Lehrer hatte mal was davon gefaselt, dass weniger Clankinder zur Akademie kamen… was auch immer sie damit meinten. Er drehte sich auf den Fersen um – zweimal, um genau zu sein – und hüpfte in Richtung des Klassenraumes davon, in dem er sogar Unterricht gehabt hatte. Nachdem er die Akademie wieder aufgenommen hatte, versteht sich, vorher hatte er ihn nie betreten gehabt. Oder vielleicht doch, er erinnerte sich nicht an besonders viel, da er nie wirklich Acht gegeben hatte, was der Lehrer faselte oder in welchem Raum er denn nun an einer Bank saß. Erst nachdem er wieder ein wenig mehr ins Reine mit sich selbst gekommen war, hatte er begonnen, seine Umwelt und Mitschüler etwas genauer wahrzunehmen. Im Moment waren sie ihm aber wieder egal, wie sie mit ihm auf dem Gang vor besagtem Zimmer lümmelten und er auf einem Stuhl saß, vornübergebeugt, die Unterarme auf die überschlagenen Knie gelegt, den Kopf hängend. Er wusste, wie das etwa ablaufen würde, schließlich hatten sie die Lehrer ja nicht vollkommen unvorbereitet ins Wasser geworfen: Es würde einen theoretischen und einen praktischen Teil geben, zuerst derjenige, bei dem er Fragen gestellt bekommen würde. Nervös zog sich die Unterlippe des jungen Mannes zwischen seine Zähne, die blauen Augen wanderten zur Seite. Akeno war eigentlich kein schlechter Schüler – zumindest nicht, was sein reines Wissen anbelangte. Er war nur unaufhaltsam unaufmerksam und oft gar nicht in der Lage dazu, wie ein Junge in seinem Alter Informationen an andere weiter zu geben. Es konnte gut passieren, dass er in Kleinkindsprache zurückfiel oder mitten drin zu lachen begann, was sicherlich keinen besonders guten Eindruck auf die Prüfer machen würde. Er wollte auch eigentlich bestehen – wirklich! Er hatte sich schließlich vorgenommen, es zu tun, er wollte endlich die Akademie hinter sich lassen und den Start in einen neuen Abschnitt seines Lebens wagen… aber… das Mädchen da vorne hatte schon einen ziemlich albernen Rock an, oder? Er war ganz pink, so knallig, dass man sich fragen sollte, ob sie bei einer Modenschau oder einer Ninjaprüfung mitmachen wollte. Mit dieser Camouflage würde selbst ein ansatzweise sichtbehinderter Mensch sie erkennen… oh, wo war er gleich stehen geblieben? Richtig! Er musste dieses Ding wie ein Mann durchziehen! Ahaha, fast. Ein Blick nach oben, noch zwei Schüler vor ihm. Oh verdammt. Er sollte sich langsam mal klar werden, ob er nun vorhatte, diese Medikamente zu nehmen oder es zu lassen, denn erfahrungsgemäß brauchten diese eine Einwirkzeit von etwa fünf Minuten. Die Zeit schien zu rasen, immer wenn sich seine Augen zu der Uhr hoben, waren wieder fünf Minuten vergangen, Schweiß brach aus, die Hände wurden klebrig, ihm wurde ganz flau im Magen. Schließlich klappte seine Hand ein und beförderte drei kleine, weiße Kugeln in seinen Mund, ehe er schluckte und das Gesicht verzog. Hops, da waren sie weg. Nun brauchte es noch ein wenig Zeit, ehe er dazu in der Lage sein würde… »Yamanaka Akeno?« Mist. So viel zu besagter Einwirkzeit, die von nun an abzuzählen war. Mit einem schnellen Blick auf die Uhr richtete sich der schmale Körper zu halber Größe auf und dackelte hinter einem Riesen von Lehrer mit roten Haaren her, dessen mit Pelz besetzter Kragen ihn irgendwie an eine alte Frau erinnerte. »Die Jacke ist unpassend…«, stellte er mit uninteressierter Miene in halblautem Flüsterton fest, »Als wäre er ne Oma mit ihrem hässlichem Fuchsschwanz um.« Keine Ahnung, ob der Lehrer es gehört haben mochte, aber wenn, dann ignorierte er es wirklich hervorragend, den jungen Yamanakasprössling hätte es aber auch nicht gewundert, wenn er ihm eine gedonnert hätte. Das taten die Lehrer nicht und sie wurden auch nicht dazu angehalten, aber er war es irgendwie gewöhnt. Auch wenn er momentan sogar keine drei blauen Augen besaß.
Der Raum, in den der lange Lulatsch ihn führte, war dank einiger großer Fenster recht hell und bedurfte keines zusätzlichen natürlichen Lichts, damit die pinkhaarige Frau mit den wahnsinnig großen… Händen, an denen die Augen des Jungen aber dennoch nicht länger als an ihren Augen klebten, die Formulare, die vor ihr lagen, auch noch gut genug sehen konnte. Viel interessanter schien dem Blonden jedoch die Tatsache, dass die Wolken in geradezu abstrakten Formationen am Fenster vorbei segelten. Wie ein kleines Kind blickte er mit großen, babyblauen Augen aus dem Fenster und hinauf zu den Schafen, Weihnachtsmännern, Schlitten, bösen Schneemännern und einem lächelnden Gesicht, das sicherlich ein verrückter Wolkenmaler an den Himmel gezaubert hatte… Da flog ein Vogel an seinem Blickfeld vorbei und er streckte die Hand nach dem Tier aus, obwohl dieses nicht nur durch eine Glasscheibe, sondern auch durch etliche hundert Meter von ihm getrennt war. Es zu erreichen war unmöglich und doch strebte er danach, wie so viele Menschen Ziele hinterhereiferten, die nicht zu haben waren. Weltfrieden war es oft, der sie trieb oder sonst etwas Urgutes und dennoch spottete man nur selten über sie. Wie konnte man da etwa ungeduldig werden, wenn der Junge seine Aufmerksamkeit vollkommen auf die Außenwelt lenkte und die Prüfer (der rothaarige Mann hatte sich inzwischen neben die Dame gesetzt) ungewollt außen vor ließ? Er beschäftigte sich immerhin gerade mit transzendenten Beziehungen zwischen ehrenhaften Zielen und Vögeln, wenn das nicht Erwähnung Wert war, was dann? Masaru – denn um diesen Lehrer, auch wenn Akeno ihn nie gehabt hatte, handelte es sich – räusperte sich kurz, um den Jungen zurück zu holen und der wandte auch den Kopf. Leider allerdings zur falschen Seite, sodass er nun erst einmal den Stuhl, auf dem Ayaka, was der Name der anderen Lehrerin war, ausführlich musterte, als wolle er sich überlegen, aus welchem Jahrgang der wohl stammen würde. »Das ist ein schöner Stuhl, auf dem Sie da sitzen…«, murmelte er mit beinahe träumerischem Gesichtsausdruck, ehe er zu Masaru schaute und bemerkte, dass er offenbar gerade was falsch gemacht hatte. Wirklich? Hätte er etwa hereinkommen sollen und einen zackigen Appell ausführen sollen oder so? Hatte er nun schon versagt? Das war irgendwie schneller als er in seinen schlimmsten Albträumen vermutet hätte… die Nase des jungen Yamanaka begann Unheil verkündend zu kribbeln. Wie konnte man nur so ein Idiot wie er sein? Welcher Akademieschüler beschäftigte sich mit Wolken, statt darauf zu warten, seine Prüfung abzulegen? Seine Augen wurden unaufhaltsam feucht und ehe auch nur einer der Prüfer ein Wort hätte sagen können, begann Akeno vor lauter Selbsthass zu heulen. Dicke Krokodilstränen quollen aus den blauen Augen, flossen seine Wangen hinunter und versickerten im Kragen seines T-Shirts, ehe er die Hände auf sie presste und die Flüssigkeit eilig wegwischte. »Alles in Ordnung, Akeno-kun?«, kam es leicht besorgt von Ayaka, doch bei dem Angesprochenen begann schon wieder alles besser zu laufen. Ob die fünf Minuten wohl schon um waren? Jedenfalls wurde sein Kopf auf einmal von einer geradezu umwerfenden Welle der Klarheit erfasst, die dafür sorgte, dass ihm klar wurde, was er hier eigentlich abzog. Besonders gelungen war es wahrhaftig nicht, er sollte sich kräftig am Riemen reißen! »Ja, alles Bestens, Ayaka-sensei, ich habe mich wieder gefangen.«, meinte er mit einem verlegenen Grinsen in ihre Richtung, ehe er sich etwas mehr aufrichtete und sich innerlich darauf vorbereitete, was nun auch immer kommen mögen würde. »Gut…«, begann die jung wirkende Lehrerin zögerlich, als sei sie sich noch nicht über den Wahrheitsgehalt seiner Aussage im Klaren, »Dann fangen wir mit dem Formellen an. Deine Geninprüfung ist in zwei Teile gegliedert: Zum einen in den theoretischen Teil, bei welchem wir uns gerade befinden, zum anderen in die Praxisprüfung, die in dem kleinen Wald neben der Akademie stattfinden wird.« So weit war alles klar, aber das auch schon seit Wochen. Er nickte, um sein Verstehen zu signalisieren. »Gut. Das Thema deiner theoretischen Prüfung lautet übergreifend Jutsus. Bitte erzähle uns doch, was du über die Arten von Jutsus, ihre Ausführung und Unterschiede, sowie Chakranaturen weißt.« Ein viel weit läufigeres Thema hätte sie sich aber auch nicht ausdenken können, oder? Die blauen Augen drehten sich kurz nachdenklich zur Seite, ehe er sich räusperte und aus dem Stand begann. Er hatte gelernt, das befand sich alles irgendwo in seinem Kopf, er musste es nur hervorkramen! »Jutsus, alles klar. Gut. Es gibt im Allgemeinen drei unterschiedliche Kategorien, in die ein Jutsu eingeordnet werden kann. Taijutsu, Ninjutsu und Genjutsu. Taijutsu ist das einfachste davon und beschreibt schlicht und ergreifend die Kunst, den Gegner mit Schlägen und Tritten zu attackieren. Nahkampf, Kampfsport prinzipiell.« Er deutete einen Schlag mit der rechten Hand an, verschränkte dann beide hinter dem Rücken. »Genjutsu ist die Kunst der Illusion, mit der man Gegner täuscht. Sie greift das Chakra im Gehirn an und verwirrt es, sodass es den Betroffenen Dinge weiß macht, die da gar nicht sind. Also macht es eigentlich Hallus, nur in gewollt…« Und er wusste, wovon er sprach, wenn es um Halluzinationen und Einbildungen ging! Er hatte sie zwar nur selten, aber dafür half rege Fantasie nach, wo sonst nur Wolken waren, man hatte es ja zuvor gesehen. »Ein typisches Genjutsu ist zum Beispiel das Bunshin no Jutsu, bei dem man einen Doppelgänger erstellt, der die Bewegungen kopiert. Da er aber nicht echt da ist, kann er auch niemandem oder gar sich selbst weh tun.« Kurz überlegte er, ob eine Demonstration angebracht wäre, formte ein paar Fingerzeichen und konzentrierte sich, ehe eine ziemlich gute Nachbildung seiner selbst neben ihm stand. »Und puff!« Er schlug nach ihm und der Fake-Akeno verpuffte in einer Rauchwolke. »Dann gibt es noch Ninjutsus. Die sind die komplexeste und vielfältigste der drei Bereiche, da es sie in unterschiedlichen Ausführungen gibt. Es gibt elementare Ninjutsus, aber auch solche ohne Element und medizinische Jutsus, generell kann man aber sagen, dass diese Künste mittels Chakra übernatürliche Dinge schaffen, die man ohne sie nicht in dieser Form bewerkstelligen könnte. Bei den Elementdingern muss man das Chakra zusätzlich noch mit seiner Chakranatur vereinigen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Es gibt fünf Naturen oder auch Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Wind und Blitz oder auch Katon, Suiton, Doton, Fuuton und Raiton, letztes habe ich übrigens. Ehm… Aber…«, er stockte kurz, fasste sich an den Hinterkopf, dachte nach. Da war noch was gewesen… ach ja! »Aber es gibt natürlich auch Mischelemente, die zwei Naturen verbinden können, um neues zu schaffen. Mokuton, das Holz zum Beispiel. Ähnlich wie diese Kekkei-Genkais gibt es natürlich auch Clans, die geheime Jutsus besitzen, die nennt man dann Hiden. Ich könnte zum Beispiel ganz toll schummeln, indem ich einfach per Telepathie Kontakt zu meinem Sensei aufnehmen würde und mir dann diesen Text vorsagen ließe.« Akeno kicherte biestig, tippte sich an die Schläfe, grinste dann aber abschließend, »Was ich natürlich nicht tue, keine Bange. Hm, hab ich was vergessen? Ach ja! Die Ausführung, richtig. Während man für Taijutsu natürlich keine Fingerzeichen braucht, muss man bei Genjutsu und Ninjutsu zuerst Fingerzeichen schließen, dann sein Chakra kontrolliert konzentrieren und loslassen. Die richtigen Fingerzeichen natürlich.« Er grinste wie ein Honigkuchenpferd und kippelte leicht auf den Fersen herum, ehe er noch einen Blitzeinfall hatte. »Oh, natürlich! Ein ganz tolles Beispiel für ein Ninjutsu ist natürlich das hier…«, er nahm Anlauf, lief auf die Wand zu und schließlich ohne besonders viel Mühe an dieser hoch. Dann breitete er die Arme aus, um mit einem »Tadaaa!« auf den Boden zu plumpsen und sich immer noch in scheinbarer Hochstimmung zu verbeugen. Warum er auf einmal so kindlich tat? Ob die Wirkung seiner Medikamente schon wieder zu schwinden begann oder hatte es wohl doch einen Sinn? Vielleicht tat er das ja, weil er schon immer der Meinung gewesen war, dass Ayaka eine Schwäche für Kinder hatte… wer wusste das schon genau? Jedenfalls war er für seinen Teil fertig mit den Erklärungen, ob er nun etwas vergessen hatte oder nicht, war ihm relativ egal, Hauptsache durch.
Nach einer kurzen Schweigepause erhob sich Masaru und nickte. »Gut, dann kannst du dich zum Wald begeben, wo deine praktische Prüfung in Bälde starten wird.« Und schon war der junge Yamanaka abgezischt, allerdings natürlich nicht, ohne Ayaka ein breites Lächeln zu schenken. War doch noch alles besser gelaufen – aber natürlich nur mithilfe dieser blöden Pillen, irgendwie ärgerte ihn das ja durchaus. Bestanden hatte er diesen Teil bestimmt – aber am Ende würde sowieso das komplette Ergebnis zählen.
2. Aufgabe: Praxis (Über Verstecken, die Wirkung von Wasser auf Damenoberbekleidung, Baumlauf und einen dreckigen Rakugaki)
Akenos Medikamente waren schon immer ein reines Zufallsspiel gewesen. Sie wirkten zwar immer und meist nach etwa fünf Minuten nach Einnahme, aber dafür konnte man nie sagen, wann ihre Wirkung denn abklingen würde. Manchmal hielt sie stundenlang, beinahe einen ganzen Tag, an anderen Stellen brauche es nur eine halbe Stunde, bis er wieder ganz der Alte war. Der alte Akeno war zwar putzig und niedlich, aber man sollte sich wirklich fragen, ob er dazu in der Lage sein würde, eine Prüfung ernsthaft zu begehen, geschweige denn zu bestehen. Als sich der angehende Genin also zum Wald begab, in dem der zweite Teil seiner Prüfung stattfinden würde, drehten sich seine erstaunlich klaren Gedanken um die Frage, wie lange sie wohl noch so entnebelt bleiben würden und wann er wieder zu dem kleinen, unkontrollierten Irren werden würde, der er im Normalfall war. Was auch immer kommen mochte, er hoffte doch sehr darauf, dass die Wirkung der eigentlich verhassten Medikamente nicht nur lange genug anhielt, sondern auch, dass es schnell vorbei sein würde, sodass er erst im Nachhinein wieder abdrehen würde. Er hatte ja bekanntlich nicht vor, diese Prüfung zu verhauen, aber wenn die Wirkung nun schon nachlassen würde, wo er erst gerade am Waldesrand angelangt war, dann würde er wohl eher schlechte Chancen haben. Durch einen bösen Zufall oder seine eigene Lahmarschigkeit standen Masaru und Ayaka bereits dort und schienen auf ihn zu warten, Grund genug, den letzten Teil des Weges in etwas schnellerem Tempo zurückzulegen und sich mit einem Winken anzukündigen. Auch wenn er wirklich nur selten versuchte, Einfluss auf andere zu nehmen, man musste sich bei so einer wichtigen Prüfung ja nicht extra unfreundlich anstellen. Immerhin waren die beiden es, die beurteilen sollten, ob er bereit sei, Genin zu werden – und offenbar noch jemand anderes, nämlich eine junge Frau mit schwarzen Haaren und so typisch weißen Augen, dass gerade er, der er auch aus einem Clan aus Konoha stammte, erkennen musste, dass es sich um eine Hyuuga handelte. Die war aber doch kein Lehrer, oder? Na klar, es gab Frauen, die sich gut hielten und auch solche, die sich durch ein Genjutsu ewiges jugendliches Aussehen bescherten, aber sie sah wirklich ein wenig arg jung neben Masaru und Ayaka aus, wobei er das letzterer vielleicht nicht gerade sagen sollte. Danke Medikamente, denn ohne hätte er das nun sicherlich angebracht. »Da bist du ja, Akeno-kun.«, ergriff dieses Mal der große Lehrer das Wort, »Das hier ist Hyuuga Itoe, sie wird der Prüfung beiwohnen und uns etwas zur Hand gehen.« Der blonde Junge lächelte auch diese Dame an, ehe Masaru seine Aufmerksamkeit zurück forderte. »Gut. Nun zum zweiten Teil deiner Prüfung: Der Praxis. Wir, also die bezaubernde Ayaka, Fräulein Hyuuga und meine Wenigkeit, werden uns in dem abgegrenzten Waldstück verstecken. Natürlich mit etwas mehr Raffinesse als man das von Kindern gewöhnt ist. Deine Aufgabe wird es also sein, uns zu finden – und das in einer Zeit von fünf Minuten pro Person. Und natürlich solltest du aufpassen… man weiß nie, was der Wald alles zu bieten hat! An dieser Prüfung nehmen mehrere Genin teil, wer weiß, was die im Schilde führen werden… beim Schuss geht’s los!« Und damit verschwanden sie auch schon und ließen einen aufgeregten Yamanaka zurück. Ein Versteckspiel? Das klang ja noch einigermaßen human, er hatte sich in jedem Falle schlimmeres ausgemalt als das. Am Ende hätte er noch gegen irgendjemanden kämpfen müssen, denn um ehrlich zu sein, war das nicht gerade seine Stärke. Er war eine Taijutsuniete und das einzige, was er wirklich konnte, war auf Bäume oder anderes freihändig zu klettern. Oder er könnte natürlich auch ein wenig mit Miyuki plauschen… warum eigentlich nicht? Er wollte sich gerade auf die Verbindung konzentrieren, die er mit allen Mitgliedern seines Clans teilte, um die blonde Frau ein wenig zu nerven, als ihm einfiel, dass er sich vielleicht doch eher konzentrieren sollte. Ja, das war eine deutlich bessere Idee, am Ende verpasste er noch den Startschuss. PENG! Hatte er gerade Startschuss gedacht? Sofort hastete er los, hinein in den Wald, die Augen weit offen, damit er auch ja nichts übersah. Bis ihm einfiel, dass das nicht alles sein konnte. Sofort blieb er stehen und musterte seine Umgebung genauestes. Bestimmt würde es hier nur so vor Fallen starren und wer schon einmal einen Explosionstag zu nah an seinem Ohr gezündet hatte, der wusste, dass die Dinger mies waren. Er musste also nicht unbedingt in eine Falle rein laufen – aber wäre auf dem besten Wege dorthin gewesen, wenn er einfach weiter gerannt wäre. Die nächsten Meter wurden also vorsichtiger bewältigt, näher an den Bäumen, immer auf der Hut und Suche nach anderen Genin oder eben den Prüfern. Die Frage war, wie man sich denn etwas ninjamäßiger verstecken konnte, als Kinder das taten… was würde er zum Beispiel tun? Hm… er könnte sich verwandeln, genau! Aber wenn sie das getan hatten, dann würde er sie nie finden. Er könnte nun natürlich jeden Baum abtasten… er streckte die Hand aus und fuhr über einen Ast, den er im Vorbeigehen mit sich zog und dann zurückschnappen ließ. Huch! War das gerade ein Stöhnen gewesen? Hatte er gerade ernsthaft so viel Glück gehabt, dass er einen verwandelten Lehrer entdeckt hatte? Erstaunt drehte er sich um und… blickte in das Schmerz verzerrte Gesicht seines Mitbewohners, der sich offenbar von hinten an ihn herangeschlichen und den zurückschnellenden Ast in die Weichteile bekommen hatte – zumindest wenn man seine vornübergebeugte Haltung und den wütenden Blick bedachte. »Holla… was machst du denn hier, Gaki-kun?« Er blinzelte ein paar mal, bis ihm einfiel, dass er sich diese Frage wohl selbst beantworten könnte, er sich vielleicht aber entschuldigen sollte, immerhin sah der Andere – selbst wenn sich sein Gesicht ausnahmsweise mal auf Augenhöhe befand – ziemlich gereizt aus. »Sorry… aber du hättest dich auch nicht anschleichen brauchen.« Vollkommen ignorierend, dass der Andere sich wahrscheinlich in Schmerzen wand (aber was hätte er auch dagegen tun sollen?) blickte er sich erneut um. In der Nähe konnte man Wasser plätschern hören. Gab es hier etwa einen See? Vielleicht sollten sie da mal suchen! Bevor er aber auch nur einen Schritt weiter machen konnte, prallte auf einmal etwas gegen seine Schläfe und ließ ihn den Baum knutschen – und was hätte es anderes sein können als die Faust seines werten Mitbewohners, die ihn vollkommen unvermittelt getroffen hatte und wohl vor allem deswegen, weil er ihn, wenn auch unabsichtlich, beinahe zum Eunuchen gemacht hatte. Einen Moment lang war er benommen, sah Sterne und krallte sich in der Rinde des Baumes fest, um nicht abzurutschen, ehe er sich an die Schläfe fasste und in Richtung See zeigte. »Wir sollten da mal gucken, finde ich.« Natürlich hatte er gerade vollkommen übergangen, dass er sicherlich eine nette Prellung in seinem Gesicht vorfinden würde, wenn er das nächste Mal in den Spiegel sah, aber schließlich gab es auch wichtigeres, um das er sich kümmern musste, zudem er es ja auch nicht anders von Rakugaki gewohnt war. Der konnte nämlich eigentlich gar nicht anders, als auf so etwas mit Gewalt zu reagieren… konnte man in ihrem seltsamen Falle eigentlich so generell von häuslicher Gewalt reden oder wäre das eine falsche Benutzung des Ausdrucks? Jedenfalls zog er den Größeren schließlich mit – aber nur am Ärmel, man wollte ja nicht gleich noch eine fangen – sodass sie schon nach wenigen Sekunden an einem kleinen See standen, der einem Gemälde hätte entspringen können. In wunderschönen Mustern plätscherte das kristallklare Wasser über den steinigen Untergrund eines Baches hinein in einen fast kreisrundes Becken, das – auch wenn man es kaum glauben mochte – scheinbar natürlichen Ursprungs wahr. Die ebenso blauen Augen des Yamanaka blickten sich suchend um, fanden aber nichts, was ihm einen Hinweis auf einen versteckten Sensei geben würde. Um besser nachdenken zu können, hüpfte er auf einen der Steine, streckte die Arme zur besseren Balance aus und hopste von einem zum nächsten, während er nach Fallen oder Hinweisen Ausschau hielt – und auf einmal ein Stein unter ihm nachgab. Mit einem erstaunten Quieken glitt er auf dem verblüffend weichen Untergrund aus und fiel mit einem wahnsinnig eleganten Rückenplatscher ins Wasser, wobei er den Stein und Rakugaki, der wohl zu nahe gestanden hatte, einmal komplett durchnässte. Das Mineral allerdings… sah irgendwie auf einmal nicht mehr ganz so steinig und hart aus. Dafür aber umso schärfer, da es sich in eine bildhübsche junge Frau mit rosa Haaren und weißer Bluse verwandelt hatte, die aufgrund der spontan angestiegenen Feuchtigkeit an ihrem Körper klebte wie eine zweite und verdammt durchsichtige Haut. Akenos Kopf hatte allerdings nur eine halbe Sekunde Zeit, um sich ganz ohne Henge in eine Tomate zu verwandeln, ehe ihn etwas packte und untertauchte. Erschrocken wand er sich unter Wasser, versuchte an die Oberfläche zu kommen, doch die Hand drückte ihn unerbittlich weiter runter, ehe sie ihn nach für den Jungen endlos vorkommenden Sekunden wieder Luft schnappen ließ. Dass es Rakugaki gewesen war, der das getan hatte, war ihm bewusst und dieser erntete auch einen giftigen Seitenblick, ehe sich der triefend nasse Blonde aus dem Wasser hievte und an Land platschte. Nein, das war gar nicht witzig gewesen! Es hätte ihn sogar umbringen können oder so, so etwas gehörte sich nicht! Er sah vor allem nicht einmal den Sinn für die spontane Rauferei, er hatte doch nichts falsches gemacht, er hatte die erste Sensei gefunden, auch wenn die – aus welchem Grund auch immer – schon wieder verschwunden war. Was sollte das also?! Beinahe unbemerkt wurde der Junge wütend, warum genau in solcher Intensität konnte er sich selbst nicht erklären, aber er verspürte gerade den bei ihm wirklich seltenen Drang, seinen Mitbewohner zu schlagen. »Was sollte das Atarashi-baka?!«, fauchte er beinahe, »Das war NICHT komisch!« Seine Augen funkelten sauer und er versteifte die Arme, machte ein finsteres Gesicht, wie ein Kind, das nicht bekam, was es wollte. Doch die Antwort, die ihm in trockener Manier gegeben wurde, trug nicht gerade dazu bei, dass sich sein erhitztes Gemüt beruhigte. »Sollte es auch nicht sein.«, kam es von dem Grauäugigen, was Akeno beinahe zur Weißglut trieb. Es hatte nicht einmal einen bestimmten Grund, denn eigentlich war er gerade in Rakugakis Fall nicht nachtragend, aber irgendwie war er einfach wütend, so wütend, dass er in Rumpelstilzchenmanier aufstampfte, um sich gleich darauf den Schuh vom Fuß zu ziehen und ihn vollkommen ohne Sinn und Verstand von sich zu werfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirkung seiner Medikamente gerade am Nachlassen war, stieg wohl exponentiell mit der verstrichenen Zeit, denn gerade schien er doch eindeutig in alte Muster zurückzufallen. Rakugaki wiederum schien solche Ausbrüche gewöhnt zu sein, zumindest, wenn man seine Antwort bedachte, die wie immer wenig freundlich war: »Schön gemacht. Du möchtest also die Geninprüfung im Wald auf einem Bein hüpfend abschließen? Nein? Dann krieg dich mal wieder ein, wir haben beim ersten Prüfer Glück gehabt, aber die gewonnene Zeit musst du nicht verplempern, indem du ein Idiot bist. Hol deinen Schuh und hör auf zu schmollen, Baby.« Akeno blies die Backen auf und hüpfte ohne ein weiteres Wort los, hin zu dem Baum, auf den der Turnschuh seines Wissens geflogen war. Erst auf die Rinde setzte er den in einer gelben Socke steckenden Fuß, um dann das Gewächs hoch zuhuschen und oben angekommen nach dem verlorenen Teil Ausschau zu halten. Wer sich nun verständlicherweise fragte, was nun schon wieder in ihn gefahren war, dem sei gesagt, dass die Psychopharmaka, die ihn während der theoretischen Prüfung geistig einigermaßen stabilisiert hatten, nun wohl endgültig den Geist aufgegeben hatten. »Sssssssumm!«, machte er, während seine Augen über das Geäst wanderten und schließlich eine kleine Baumhöhle erblickten, wedelte dazu auch noch nett mit den Armen und hüpfte schließlich zu der Einbuchtung im Holz des Baumes, um hineinzugreifen und… die Hand ganz schnell wieder zurück zu ziehen. Heute hatte er aber auch wirklich beinahe überirdisches Glück, oder? »Haaaaab dich, Itoe-san!«, prustete er los und pikste mit einem Finger gegen die Schulter der Chuunin, die sich dieses doch eher luftige Versteck ausgesucht hatte. Hyuuga waren ja eigentlich schon ein spannendes Völkchen, wie er fand, er fand ihre Augenkunst irgendwie faszinierend, auch wenn er sie ungerne selbst haben würde. Immerhin musste es doch auch nerven, wenn man nichts ahnend durch die Gegend spähte und auf einmal etwas verdammt unappetitliches vor die Linse bekam, einen alten, nackten, duschenden Mann zum Beispiel. Er persönlich fände das nicht ganz so witzig, aber vielleicht hatten sie sich daran gewöhnt? Oder saßen kleine Hyuugas nachts vollkommen verstört in ihren Betten, um schließlich zitternd einen Yamanaka mit den Worten »Ich sehe nackte Menschen!« zu konsultieren? Eine erheiternde Vorstellung, wirklich. Vielleicht sollte er Itoe das gleich mal fragen? Oder doch lieber nicht, denn die schwarzhaarige Chuunin streckte ihm gerade seinen Schuh mit einem Blick entgegen, der wohl bedeuten sollte, dass er gerade etwas arg albern war. War er das denn wirklich? Mit einem »Danke~« zog er sich den Schuh über, sprang vom Baum, kratzte sich am Kopf und watschelte zu Rakugaki zurück, während er über diese Erkenntnis nachdachte. Er war also zu albern… oh nein! Bedeutete das, dass seine Medikamente nicht mehr wirkten? Es war immer wieder erstaunlich, wie lange er selbst brauchte, um diesen Umstand zu verstehen, aber jetzt war es wohl so weit. »Uhhh… nicht gut. Ich glaub die Pillen lassen nach.«, murmelte er wie zu sich selbst, als er jedoch schon wieder in Rakugakis Hörweite war. Diese Erkenntnis brachte beiden eher wenig, dem Größeren mehr als dem Betroffenen selbst, da er so vielleicht besser abschätzen könnte, wie man mit ihm umzugehen hatte. Aber da Rakugaki eine Varianz in seinen Reaktionen besaß wie eine Fläche Sichtbeton in Sachen Maserung, würde es ihn sicherlich kaum interessieren, dass man unter Umständen bald wieder sinnlose Aktionen vom Yamanaka erwarten konnte – noch sinnlosere als seinen eigenen Schuh auf einen Baum zu werfen selbstverständlich. Dass Akeno dabei aber auch noch so ein Glück hatte, musste wohl eine Laune des Himmels sein, ebenso wie die Tatsache, dass er seinem besten Freund in der Prüfung über den Weg gelaufen war (Welch ein Zufall aber auch!), denn ohne ihn war wohl fragwürdig, wie er das ganze hätte überleben sollen. Dabei waren die beiden Genin noch nicht einmal auf eine der Fallen gestoßen, die Masaru indirekt angekündigt hatte, was ihn sicherlich gewundert hätte, wenn seine Gedanken nicht gerade damit beschäftigt waren, sich selbst nach seltsamen Anzeichen abzusuchen, die auf einen Stimmungswechsel hinweisen würden. Dabei würde er bestimmt nichts finden, bis es so weit war und er allein an seinem Verhalten bemerken würde, dass die Pillen wohl die längste Zeit gewirkt hatten. Das konnten kleine Dinge sein, konnte aber auch ebenso gut bedeuten, dass er auf einmal seinen ach so lieben Mitbewohner ansprang… wo er gerade dabei war, der sah wirklich so aus, als könne er eine Umarmung vertragen! Gedacht, getan und schon hatte der langhaarige Junge einen kleinen, blonden Klops am Körper kleben, der sein Gesicht gegen seine Brust drückte und wie ein Bescheuerter grinste. Durch den Schwung waren die beiden einige Meter weiter zur Seite getorkelt. »Oi, Gaki-chan, guck nicht immer so grantig!«, nuschelte er scheinbar in allerbester Laune, ehe die obligatorischen Hände ihn von ihm wegstießen, bevor eine Faust wohl gezielt in seinem Gesicht landete und ihn hinten über fliegen ließ. Leicht panisch suchten seine Füße stolpernd automatisch nach halt, aber irgendwie war der Boden auf einmal verschwunden, die Sohlen der Turnschuhe tasteten im Nichts herum, der schmale Körper kippte nach hinten, die blauen Augen weiteten sich, alarmierte Hände griffen vor sich und packten das einzige, was nah genug war: Den Kragen desjenigen, der ihn – ob gewollt oder nicht – den Abhang herunter geschlagen hatte, den sie zuvor wohl nicht bemerkt hatten. So riss also Akenos gesamtes Körpergewicht plus den Schwung seines eigenen Schlages an Rakugakis Stabilität und ließ auch ihn vorne überkippen, sodass die beiden Jungen ungebremst und vor allem ungewollt den Abhang hinunter kugelten, nachdem der deutlich schwerere auf Akeno geklatscht war und ihm erst einmal jegliche Luft zum Atmen raubte. Mal oben, mal unten, immer im Kreis, so langsam wurde ihm wirklich schlecht, aber seine verkrampften Finger ließen den Kragen des Anderen vor allem nicht mehr los, sodass es auch keine Hoffnung auf spontanes Bremsen von seiner Seite gab. Der Hang war ganz schön glitschig, matschig, im großen und ganzen ziemlich ekelig und leider sah die Kleidung der beiden Jungen danach auch nicht viel besser aus. »Au…«, maulte der Blonde, nachdem sie schlitternd unten im Matsch gelandet waren und die Schwerkraft irgendwie ihn zum Opfer auserkoren hatte, das von einem seiner Meinung nach viel zu großen Gewicht in den feuchten Boden gematscht wurde. Dreckige Hände stemmten sich gegen die Brust desjenigen, der dummerweise (eigentlich durch seine eigene Schuld, denn er Depp hatte seinen Kragen ja auch umklammert, als sei dieser die einzige Rettung) genau auf ihm gelandet war. »Meh… geh da weg, Atarashi-bakaaaa!«, nörgelte er weiter, ehe er aufgab, den Größeren von sich entfernen zu wollen, da es sowieso nicht klappte. Er hatte halt keine Kraft in den dünnen Armen, wozu brauchte er die auch… also versuchte er es mit einer anderen Linie, denn so schnell gab er nicht auf… »Liebster Ryakuga, würdest du bitte von mir runter gehen? Du bist mir ein wenig zu schwer…«, flüsterte er in allerliebster und unterwürfigster Stimme, die er gerade so hinbekam, da er generell nicht besonders viel Luft zur Verfügung stehen hatte und auch vor allem wollte, dass der Andere mal reagierte. Tatsächlich bewegte sich dieser allerdings auch sofort und vollführte noch eine Extradrehung, sodass er sich von dem inzwischen gefühlt halb so voluminösen Blonden herunter rollte und ihn ungewohnt besorgt anblickte. Dieser jedoch holte nur einmal tief Luft, streckte die Hände in die Höhe und rappelte sich dann auf, um einmal den Kopf zur Seite zu bewegen, wobei es unschön knackte. Aber das schien ihn nicht weiter zu stören, blickte er sich doch schon im nächsten Moment um und verengte die Augen zu Schlitzen, als er eine seltsame Erhebung in dem Hang feststellte, den sie gerade herunter gekullert waren. Es hatte den Anschein, dass sie durch ihr kombiniertes Gewicht genug Masse aufgebracht hatten, um einen kleinen Erdrutsch ins Laufen zu bringen, welcher wiederum etwas frei gelegt hatte, das noch vor kurzem von einer dünnen Schicht bedeckt worden war… und dieses etwas sah irgendwie wie rotes Gras aus. Moment mal… er kratzte sich am Hinterkopf und hüpfte ein wenig näher. Normalerweise war Gras doch grün oder etwa nicht? »Rot, rot, rot sind alle meine Grä~ser, rot, rot, ist alles was ich hab. Wa~rum mag ich, alles was so rot ist? Weil mein…« Doch weiter kam das blonde Yamanakalein nicht, denn während sein etwas cholerisch angehauchter Mitbewohner am Anfang seines geschmetterten Kinderliedes nur die Augen verdreht hatte, ohne dass Akeno es mitbekam, da er viel zu sehr auf das rote Grasbüschel starrte, hatte er nun die Initiative ergriffen und schien das eliminieren zu wollen, das den Jungen zum Singen inspirierte: Das Grasbüschel. Mit großen, blauen Augen beobachtete Akeno, wie er es ganz einfach umfasste und dann daran riss. Mit noch größeren, verblüfften Augen wiederum wurde beobachtet, wie ein schmerzhaftes Schnauben ertönte und das Gras seine verblüffend große Wurzel offenbarte, die sehr viel tiefer ins Erdreich hereingereicht haben musste, als er angenommen hätte. Außerdem war da noch die Form, denn auch wenn er wusste, dass es Pflanzen wie die Alraunen gab, deren Wurzel eine wahnsinnig humanoide Form hatten, so bewegte sich diese auch noch und warf dem Jungen, der seine Haare sofort losgelassen hatte, als habe er sich verbrannt, einen durchaus strengen Blick zu. Es dauerte tatsächlich einige Sekunden, bis auch Akeno merkte, dass das überhaupt kein seltsam geformtes Pflanzenteil war, sondern Masaru, Sensei Nummer drei in einem ziemlich fiesen Versteck! Denn wie hätte man schon darauf kommen sollen, dass er unterirdisch warten würde, wenn man nicht gerade wie die beiden Akademieschüler über den Hang rumpelte? Oder war das vielleicht eigentlich ein Gedankenspiel, das sie im Eifer des Gefechts nur nicht bemerkt hatten? Ayaka hatte auf dem Boden gestanden, verwandelt in einen Stein, Itoe hatte sich in eine schattige Baumhöhle zurückgezogen, also weit über dem Boden, prinzipiell in der Luft. Hätte man daraus schließen sollen, dass sich der dritte unter der Erde finden lassen würde? Und wenn ja, wie hätte man ihn suchen sollen, außer mit viel Glück? Na klar, er hätte mit Explosionstags um sich werfen und den Boden gehörig pflügen können, aber dann hätte er am Ende noch jemanden verletzt… hätten sie das von ihm gewollt? Ihm persönlich hätte es wahrhaftig wenig ausgemacht, aber wäre das nicht rein logisch auch eine Gefahr für die anderen gewesen? »Musstest du denn gleich so reißen, Ryakuga-kun? Ein leichtes Ziehen hätte doch genügt…«, murrte der Lehrer und rieb sich die Stelle, an der die Haarwurzeln sicherlich gerade noch so dort verblieben waren, wo sie hingehörten. »Sie geben ein tolles Gewächs ab, Masaru-sensei!«, grinste Akeno, der im Gegensatz zu seinem Freund reichlich unbefangen gegenüber Erwachsenen war und tatsächlich auch zu fehlender Höflichkeit ihnen gegenüber neigte. Zudem machte die Tatsache, dass er den Kopf fast in den Nacken legen musste, um zu der großen Person aufsehen zu können, das ganze eher noch ulkig, als dass es beunruhigen sollte. »Aber sagen Sie mal…«, fuhr er fort, nachdem er sich den Arm seines Mitbewohners geschnappt hatte und diesen wie einen Teddy umklammert hielt, »Wenn wir Sie nun alle drei gefunden haben, was sollen wir dann machen?« Er lächelte unbeirrt weiter, auch als Masaru einen recht ungläubigen Blick aufsetzte, wohl eher nicht, weil er erstaunt war, dass jemand die Verstecke gefunden hatte, sondern eher ob der Kurzsichtigkeit des jungen Mannes. Rakugaki währenddessen schien das irgendwie nicht anders als der Lehrer zu sehen oder er konnte es einfach nicht haben, dass Akeno ihn schon wieder berührte, jedenfalls setzte es noch einmal eine und der Yamanaka knutschte den Boden. Man könnte sicherlich eine Doktorarbeit darüber schreiben, inwiefern Schläge auf Psychosen wirkten, aber in diesem Fall wohl eher weniger, denn auch wenn nun sogar sein Gesicht voller Dreck war, grinste Akeno immer noch und stand, sobald sein Kopf nicht mehr dröhnte, wieder auf, um ihn dieses sogar komplett zu umarmen, den Kopf an seine Seite zu drücken und zu lächeln, als sei die Welt vollkommen in Ordnung. »Wenn ihr fertig seid, kommt einfach zum Start zurück.«, meinte der Lehrer noch, ehe er schneller verschwand als Akeno gucken konnte. »Oi Gaki-chan…?«, machte er verwundert, denn auf einmal packte ihn eine Hand am Kragen und schleifte ihn hinter sich her, vollkommen ignorierend, dass er irgendwie nicht ausreichend hinterher kam und er ihm irgendwie unangenehm die Luft abschnürte, »Was soll das?«, hustete er, während seine Füße kaum Halt im Schlamm fanden, bis er bemerkte, dass der Andere wohl nur die Anweisungen Masarus befolgte und ihn auf eine unschöne, aber dennoch typische Art und Weise mitschleifte, zurück, Richtung Start. Warum genau er der Meinung schien, dass er nicht selbst laufen könne, war unklar, aber es zählte auch nicht wirklich. Akeno hob die Mundwinkel und lächelte trotzdem, darüber hinweg, dass er hier gerade wie ein Sack Kartoffeln behandelt wurde. Immerhin bekam er ein gratis Fortbewegungsmittel und musste nicht selber laufen, so konnte man es auch sehen, oder? »Ich finde man sollte öfter Geninprüfungen machen und Leute zusehen lassen, das wäre sicherlich ein Riesenspaß für alle Zuschauer…«, begann er daher zu reden, als säße er in einem sonnigen Abteil eines Zuges und würde über das Wetter plaudern, »Oder man könnte einen Film darüber drehen. Ein Film über Kinder, die im Wald gegeneinander kämpfen, bis nur einer übrig bleibt… gibt es sowas nicht schon, ich hab bloß den Namen vergessen. Aber ich bin sicher, dass ich sowas schon einmal bei dir hab rumstehen sehen, wie hieß es gleich… ähm… Battle Royal, genau. Aber da würde ich ungerne mitmachen, das ist sicherlich ziemlich unbequem.«
Nachspiel der Prüfung: Ryakuma und Akenoha?
Das Bild, das sich den anderen Genin in spe am Ende der Prüfung von den beiden etwas eigenwilligen Schülern bot, war sicherlich wert, es in Fotoalben zu kleben oder auf noch nicht existenten Internetplattformen zu veröffentlichen: Während Ryakuga einfach nur dreckig war, von oben bis unten, aber vor allem am Rücken, sah der Yamanaka aus, als habe er sich beim Schlammketschen den ersten Platz hart erkämpfen müssen, denn neben der obligatorischen Erdkruste, die auch seine Haare ungewohnt dunkel färbte, begannen einige bläuliche Verfärbungen auf seinem Gesicht zu sprießen. So sah er wohl deutlich kaputter aus, als er sich fühlte, denn eigentlich ging es ihm rein von seiner Laune her recht gut: Er hatte die Geninprüfung zumindest schon einmal absolviert, ob nun bestanden oder nicht, aber ein gutes Gefühl war das trotzdem! Auf dem Hof der Akademie hatten sich die Schüler versammelt, die am heutigen Tag auch darauf hofften, endlich das Stirnband ihres Dorfes überreicht zu bekommen. Dabei war dieses Wort so etwas von veraltet… er hatte schon so viele Ninja mit den Dingern an ganz anderen Stellen des Körpers herumrennen sehen, so zum Beispiel um den Hals gewunden oder um den Arm gebunden oder um die Hüfte… warum behielt man da einen Namen, der den Platz auf dem Kopf des Anwenders implizierte und doch dauernd unterlaufen wurde? Wahrscheinlich war ihnen einfach die zweifelhafte Brisanz des Themas nicht so klar, wie Akeno in diesem Moment, in dem er neben Rakugaki in der Masse der schnatternden Schüler stand und zu den Prüfern hoch blickte, die noch zu beraten schienen, an einem Tisch sitzend. Vor ihnen konnte man vier verschiedene Stirnbandtypen ausmachen, solche mit der Lotusblume Shiros, die mit dem wirbelartigen Blatt Konohas (So eines würde er ja gerne sein eigen nennen, auch wenn er sich noch nicht im Klaren darüber war, wo er es tragen würde), die mit dem Stundenglas von Suna und die mit den Wolken, die hoffentlich bald die Stirn, den Bauch oder welche Körperstelle auch immer von seinem Mitbewohner bedecken würde. So als Ersatz für einen Zensurbalken vielleicht… aber ob ers wirklich überm Schritt tragen würde? Zumindest Akeno bezweifelte das dann doch stark. Wolkig mit Aussicht auf…? Nun ja, das würde sein Mitbewohner wohl selbst entscheiden müssen, wenn es so weit war, er würde ihm da sicherlich keine Ratschläge geben, für die er eh Prügel beziehen würde. Was ihn allerdings wahrhaftig ärgerte, war die Tatsache, dass man wie immer streng nach dem Alphabet ging und dass der Name seines Freundes mit A begann, während er irgendwo ganz weit hinten beim Y herumdümpelte. So konnte sich Rakugaki also schon nach wenigen Minuten über ein neues Haarband (auch ein schmucker Verwendungszweck für so ein Ding!) freuen und wurde dafür von Akeno erst einmal geknuddelt. Die restliche Zeit wartete er also auf dem Boden liegend darauf, dass sich die Menge der Schüler, die sich entweder auf eine Ehrenrunde oder über einen neuen Rang freuen konnten, lichtete und nur noch die armen Tropfe übrig blieben, die auch einen so undankbaren Nachnamen abbekommen hatten, wie er. Dabei war es wirklich ein schöner Name, gerade weil er eben einen einflussreicheren Clan im Hintergrund bedeutete, aber in Momenten wie diesen hätte er gerne Aanagi oder so geheißen, vielleicht mit noch einem A vorne. Immerhin müsste er dann nicht bangen, ob er bestanden hatte oder nicht, aber wenn man ehrlich war, dann konnte er sich kaum vorstellen, dass er durchfiel, während Rakugaki bestand! Immerhin… er konnte zwar nicht wissen, was der in seiner theoretischen Prüfung angestellt hatte, aber er wusste, dass sein Mitbewohner eine elend faule Socke war, wenn es darum ging, etwas für die Akademie zu lernen, was nicht mit Praxis zu tun hatte. Er selbst wurde nach einer zu langen faulenzerischen Zeit ja von seiner Sensei aufgehetzt, da half nicht mal die Tür zuknallen, da sie ihn direkt in seinem Geist ansprechen und dementsprechend auch ausschimpfen konnte. Aus diesem Grund hatte er erst wirklich gelernt, denn da er der Meinung war, dass sein Geist seine Privatsphäre war, wollte er sie so gut es ging von sich fern halten. Rakugaki hatte so jemanden nicht, denn da er kein Clanmitglied war, konnte Miyuki ihn auch nicht einfach so quasi über Funk erreichen. Auf seinen blonden Hausirren wiederum hörte er ja bekanntlich nicht sonderlich gut, weswegen das auch nicht die treibende Kraft sein konnte. Bla… ihm war so langweilig. Mit aufgeplusterten Wangen blickte er in den Himmel, aber dieses Mal grüßte ihn kein lachendes Gesicht, dieses Mal war da nichts anderes als Wolken, weiße Watteberge, die aussahen, als könne man toll darauf hüpfen. Vielleicht sollte er das mal versuchen, irgendwann. Er hatte gehört, dass die Stadt Soragakure dort oben irgendwo lag, weit hinter den Wolken, im Reich des Wassers. Ob die Ninja dieser Stadt wohl auf Wolken wandern konnten? Wenn sie das taten… er wäre ja so neidisch!
Und dann endlich, endlich nach einer Zeit, die ihm wie Äonen von Jahren vorkam, rief die nun wieder trockene und perfekt frisierte Ayaka auch den Namen des beinahe weg gedösten Blondiners auf, der daraufhin voller neuer Energie aufsprang und nach vorne trabte. Tatsächlich gab es noch drei andere Schüler, die ebenso entnervt wie er wirkten und wohl noch weiter hinten im Alphabet standen, aber die beachtete er gar nicht, da sein Blick lieber einmal zu den Stirnbändern huschte und dann zu der Lehrerin, auf deren Urteil er nun wohl warten musste. Hoffentlich hatte er bestanden, denn sonst… sonst… würde er länger Akademieschüler als Rakugaki bleiben und das wäre ja wohl ein schlechter Witz! »Nun kommen wir zu dir, Yamanaka Akeno…«, begann Ayaka nach einem schnellen Blick auf ihre Notizen. »Insgesamt konntest du 100 Punkte erreichen, davon 30 in der Theorie und 70 in der Praxis. 80 davon brauchst du zum bestehen. Fangen wir mit der Theorie an.« Sie rückte ihre Brille zurecht und lächelte, »Im theoretischen Teil hast du 25 von 30 Punkten erreicht, da du eigentlich fast alles von Relevanz wusstest, allerdings die Erwähnung des Jutsus Kai zum brechen von Genjutsus vergessen hast. Natürlich wiegt das nicht so schwer, dass wir dir dafür so viel abziehen würden, aber anfangs machtest du einen sehr unsicheren Eindruck, stellenweise wirkte der Vortrag unstrukturiert.« Akeno schabte leicht lächelnd mit der Schuhsohle über den Boden, da er so etwas in deutlich stärkerer Intensität eigentlich erwartet hatte und ohne die eigentlich zu spät erfolgte Einnahme seiner Medizin sicherlich mehr Punkte abgezogen bekommen hätte (die übrig gebliebenen 25 zum Beispiel.) »Im praktischen Teil habe ich noch nie so viel Chaos auf einem Haufen gesehen, erst recht nicht so viel effektives Chaos.«, übernahm Masaru und linste stirnrunzelnd auf sein Klemmbrett. »Man hatte zeitweilig das Gefühl, dass du keine Ahnung hattest, was du tatest und dennoch hast du alle drei Sensei in der vorgegebenen Zeit gefunden. Nicht alleine, aber wie wir auch schon deinem Teampartner sagten, ist es für einen Shinobi immer vorteilhaft, wenn er in einer Gruppe arbeiten kann. Teamwork ist wichtig und wird viel zu oft unterschätzt, ihr beide habt auf reichlich krude Weise jedoch demonstriert, dass es sehr nützlich sein kann. Auch wenn ich das nächste mal am Wasser die Stellung halten werde, damit Ayaka-san nicht noch einmal mitten in der Prüfung die Garderobe wechseln muss, haben wir dir und auch gleichsam deinem Mitgenin für die praktische Prüfung 65 von 70 zu erreichenden Punkten gegeben.« Da Akeno gar nicht mal so schlecht im Kopfrechnen war, wölbten sich seine Mundwinkel schon gen Himmel, als Ayaka wieder das Wort übernahm und die Rechnung für alle besonders bequemen Leser die einfache Rechnung vorführte: »Das bedeutet, dass du insgesamt 90 Prozent erreicht hast und damit dieses Stirnband redlich verdient hast!« Mit diesen Worten drückte sie dem inzwischen wie ein Sternchen strahlenden Yamanaka den Stirnprotektor in die Hand, bevor sie ihm über die blonden Haare wuschelte und ihm lächelnd zuflüsterte: »Aber nächstes Mal bitte dran denken, das Damen ungerne nass gemacht werden, wenn sie weiße Kleidung tragen~« Ein hastiges Nicken, auch wenn er gar nicht wirklich zugehört hatte, ehe sich die immer noch schlammigen Finger des Jungen ganz fest um die Metallplakette schlangen und er schließlich vor Freude hüpfend zu seinem Mitbewohner abzischte. »Guck mal Gaki-chan, ich hab auch so ein Ding bekommen… aber dabei kann ich es nicht einmal als Haarband verwenden, so wie duuuhuuu!« Und mit diesen Worten sprang er hoch, umschloss das Gummi, welches die Pferdeschwanzähnliche Konstruktion des Anderen aufrecht hielt, und schoss schließlich wie ein Irrer kichernd damit davon, sodass der blauhaarige Künstler mit offenen Haaren zurück gelassen wurde und wahrscheinlich gerade darüber nachdachte, was er Akeno antun würde, wenn er ihn erst einmal erwischte. Aber dem war das schon wieder egal, da er sich gerade von ganzem Herzen darüber freute, dass er nun… was denn? Geld verdienen konnte? Sein Leben aufs Spiel setzen durfte? Irgendwie war das vielleicht doch nicht so die perfekte Lösung… egal!