Ein Freund hatte ihm erzählt, wie er seiner Freundin eine Freunde machen konnte. Josho war recht verzweifelt gewesen, was den Geburtstag des Mädchens anging, und hatte daher herumgefragt, was andere so gemacht hatten. Zuletzt war Kayros mit dem Vorschlag aufgetaucht, sich selbst als Geschenk an sie zu schicken – was konnte schließlich schöner sein als den eigenen Freund auszupacken? Eigentlich war ihm das zu albern, aber in seiner Verzweiflung sah Josho keine andere Möglichkeit mehr. Er kaufte ein wunderschönes, mit dunklem Samt beklebtes Paket und eine rubinrote Schleife dafür, übte mehrmals, sich selber ebenfalls in dunkles Samtpapier einzuwickeln. Schließlich war der große Tag da, und Josho verpackte sich hübsch selbst in das Paket, bereits passend angezogen. Es dauerte ein paar Stunden, bis er endlich ausgeliefert wurde, und langsam wurde es in dem Paket stickig; Außerdem machten ihn die ungewöhnlichen Geräusche und das Geschaukel auf dem ganzen Weg ihn beinahe verrückt. Nun, die Idee war ja auch verrückt. Schließlich wurde er endlich irgendwo auf den Boden gestellt, und er hörte eine Männerstimme gedämpft irgendetwas sagen. Bestimmt der Postbote. Jetzt war der Zeitpunkt da. Er spannte sich wie eine vormals umgebogene Stahlfeder und schoss senkrecht aus dem Paket heraus, einen Dreiviertelmeter in die Luft, das Papier um sich herum aufflattern lassend. Am Höhepunkt seiner Flugbahn fielen ihm ein paar sehr, sehr ungute Dinge auf. Erstens, das war nicht die Wohnung seiner Freundin. Zweitens, das war nicht seine Freundin, die vor ihm stand, sondern zwei erwachsene und sehr verblüffte Männer, die mit dem Jungen in schwarzen Tennissocken und Boxershorts anscheinend nichts anfangen konnten. Ein paar Gedanken schossen ihm durch den Kopf, die meisten davon einfach nur „Scheiße!“, ein einziger flitzte fieberhaft zwischen Gründen und Lösungen hin und her. Er stand gerade wieder eine halbe Sekunde und das Blut schoss ihm in den Kopf, als er eine Lösung hatte, die ihm zwar nicht gefiel, aber vielleicht funktionieren würde. Mit dem stärksten (und chakramäßig verschwenderischsten) Kisoku, das er je durchgeführt hatte, hämmerte er einen der beiden gegen eine Wand, an der er unglaublich verwundert heruntersank, und dem zweiten trat er nach einem kapoeiramäßigen Handstand ins Gesicht, dass er ebenfalls umkippte. Dann flitzte er los, zur Tür. Sie war unverschlossen, natürlich, der Postbote war ja gerade erst gekommen, und so jagte Josho hindurch und rammte sie wieder hinter sich zu. Orientierungslos rannte er fast nackt den Gang herab, bis er sich wieder besann. Wenn ihm hier jemand begegnete war das auch eher ungünstig, und wie ein Stück gehetztes Wild sah er sich nach einem Hinweis um, wo er war. Da, die Nummer 96 stand an der Wohnungstür in der großen Mietanlage. Und die Wände, das war Apricot. Und der Türknauf … Er kannte das hier doch. Kurzentschlossen klopfte Josho an, und ein Mädchen öffnete. Es schien geweint zu haben, sah sehr enttäuscht aus – doch als sie Josho erblickte strahlte ihr Gesicht auf einmal durch die Tränen hindurch. Er fiel ihr um den Hals und zog sie in die Wohnung hinein, stieß die Tür mit dem Fuß zu.
„Du ahnst ja gar nicht, was ich gemacht hab, um in diesem Aufzug durch die Stadt zu kommen.“ „Ach, Josho … Ich hatte schon befürchtet, du wärst so langweilig vernünftig. Mein irrer Josho ...“
Etwas verlegen lösten sie sich wieder voneinander, denn bisher waren sie sich, um dezent zu bleiben, noch nicht nackt begegnet. Immer noch beschämt senkte Josho den Kopf, war immer noch rot bis über die Ohren. „Ich … Tut mir leid ...“ „Ist doch kein Problem, dass du zu spät bist. Komm schon, du musst mir Essen machen helfen, bis heute Abend die anderen kommen!“
Widerstandslos fügte Josho sich und gab es auf, den Tag erklären zu wollen. In Unterwäsche schnippelte er für sie Gemüse, bevor er endlich am Abend eine Hose und ein Hemd anzog, die er noch bei ihr lagern hatte. Wie er allerdings an Schuhe kommen würde …
Es war eine tolle Geburtstagsparty. Am nächsten Morgen lief Josho in aller Herrgottsfrühe in Socken nach Hause – er hatte das schon einmal nackt gemacht, warum also nicht -, warf daheim erschöpft die Socken in den Müll und setzte sich erst einmal an die Tageszeitung. „Mörder und Bankräuber in ihrer Wohnung angegriffen und in Folge verhaftet, Tat eines rachsüchtigen Nuke-Nin vermutet!“, war die dominierende Schlagzeile. Klang nicht sehr interessant, befand Josho und stieg erst einmal unter die Dusche. Das war ein langer Tag gewesen, und eine kurze Nacht ...
Will wieder mal Feedback. Diesmal genug, Kayros? =D