Ray mochte Eiyo. Diese Blinde, die doch auf eine gewisse Art und Weise sehen konnte, war ihm einfach sympathisch. Sie war anders, aber das war in den schwarzen Augen des Falkenjungen etwas absolut positives. Und irgendwie waren die beiden sich mit ihren so unterschiedlichen Kekkei Genkai dann doch wieder ähnlich. Sie beide hatten eine unterschiedliche Wahrnehmung der Welt, eine Wahrnehmung, die sie von dem Rest der Bevölkerung unterschied. Ray hatte gelesen, dass es auch noch andere Doujutsu gab, wie das Byakugan und erst kürzlich hatte er einen Yuudari getroffen, der Geister sehen und sichtbar machen konnte. Die Welt war wirklich voller Geheimnisse.
"Hmm, dann kannst du wirklich noch nicht besonders weit sehen." erwiderte Ray nachdenklich, als er erfuhr, dass Eiyo nicht viel weiter, als bis zu den spielenden Kindern sehen konnte. Das waren vielleicht 10-20m, auf dieser Entfernung konnte Ray ohne Problem das Kleingedruckte in einer Zeitung lesen. Für ihn war es unvorstellbar nur so wenig weit um sich herum die Dinge wahrzunehmen.
"Ich glaube, dann müsste ich dir echt das Windfühlen beibringen, damit kannst du 3-4mal so weit Dinge und Menschen wahrnehmen." erwiderte er grinsend und mit einem fröhlichen Tonfall.
"Und ja, du hast Recht, eine Lupe ist für das Auge das, was ein Hörrohr für die Ohren ist. Interessant, dass es das für Riechen, Schmecken oder Fühlen nicht gibt." überlegte er vor sich hin, aber fokussierte sich dann wieder auf Eiyo, die ihre Haltung geändert hatte und jetzt etwas ausprobieren wollte.
Eiyo konnte es zwar nicht sehen, aber Ray war begeistert von der Idee. Das war ziemlich genial und wenn sie das wirklich können sollte, dann war sie auf jeden Mission unfassbar hilfreich. Es war immer eine Gefahr, dass ein Gefangener nicht die Wahrheit sagte und jemanden anlog. Im Grunde konnte man sich nie ganz sicher sein, ob den Informationen, die man auf diese Weise bekam, trauen konnte. Da jemanden zu haben, der mit hoher Wahrscheinlichkeit Lügen erkennen konnte, war der Traum eines jeden Missionsleiters
. "Wenn du das kannst, dann will ich dich auf jeden Fall auf meiner nächsten Mission dabei haben." Ein breites Grinsen entblößte die scharfen Eckzähne, die schon so manchen Gesprächspartner eingeschüchtert hatten, aber bei Eiyo wohl absolut keine Wirkung hatten.
"Ok, dann erzähl ich mal eine Geschichte aus meiner Kindheit und streue die ein oder andere Lüge ein, mal schauen, welche du entdeckst."
Ray hatte ehrlich gesagt keine Idee, ob er ein besonders guter Lügner war oder nicht, aber für den Anfang beschloss er einfach eine wahre Geschichte zu erzählen und einfach einige, wenige Details zu verändern. Das war wesentlich einfacher und im Grunde ziemlich realitätsnah, denn die besten Lügen wurden mit Wahrheiten zusammen erzählt, sodass sie sich hinter diesen verstecken konnten.
"Also ich muss schon so 6 Jahre alt gewesen sein, als ich mal wieder mit Kurenai, das ist meine Cousine, auf einem unserer gemeinsamen Streifzüge hier auf Plattform vier unterwegs war." Bis auf das Alter, in Wirklichkeit war Ray nämlich schon 8 gewesen bei dem Streifzug, den er nun vor seinen innneren Augen hatte.
"Wir waren an einem unserer absoluten Lieblingsplätze, eine riesige Eiche, ein wenig abgeschieden und am Rande von Plattform 4, sodass man herrlich weit schauen konnte. Wenn man sich ganz oben in die Eiche setzte, dann war der Sonnenuntergang, den man sehen konnte einfach phänomenal." Eigentlich war es der Sonnenaufgang, den man von dort sehen konnte, aber das fand Eiyo bestimmt nicht heraus. Die Eiche war tatsächlich einer der Lieblingsorte und sicherlich war in der Stimme des Hayabusa zu hören, wie schön diese Erinnerung für ihn war.
"Klares Wetter, um solch ein Naturspektakel zu genießen ist übrigens mein liebstes Wetter." streute er diesmal eine fette Lüge mit ein, denn tatsächlich war ihm Sturm und Gewitter sehr viel lieber.
"Jedenfalls war diese Eiche von einem kleinen Wesen bewohnt, welches wir bis dahin noch nie zu Gesicht bekommen hatten. Aber als wir an diesem Tag zu der Eiche kamen, sahen wie ein kleines, rotes Eichhörnchen am Fuß des Baumes liegen." Das entsprach vollständig der Wahrheit.
"Auf jeden Fall hatte sich das Eichhörnchen verletzt und zwar an seinem linken Bein. Dieser elegante Kletterer, muss tatsächlich abgestürzt sein und dabei so unglücklich gefallen sein, dass es ihm das Bein gebrochen hatte." Auch dieser Teil entsprach der Wahrheit. Gut, man hätte noch ergänzen können, dass die linke Pfote ebenfalls arg in Mitleidenschaft gezogen gewesen war, aber der Bruch war tatsächlich das Hauptproblem gewesen.
"Jedenfalls wussten wir beide erst gar nicht so genau, was wir machen sollten. Meine Mama hatte uns immer davor gewarnt ein fremdes Tier anzufassen oder einen kleinen Babyvogel ins Nest zurückzulegen, weil die Mutter ihn nicht annehmen würde oder so." Bis auf die Tatsache, dass sein Vater diese Warnung ausgesprochen hatte, war auch hier wieder jede Menge Wahrheit dabei.
"Naja, nach ein paar Minuten Hin und her überlegen haben wir das Eichhörnchen jedenfalls doch hochgehoben, es ganz sanft in einen Schal eingewickelt, den Kurenai dabei hatte und es dann zurück zum Haupthaus der Hayabusa getragen. Dort haben wir dann tatsächlich einen Medic-Nin gefunden, der unseren bettelnden Gesichtern nicht widerstehen konnte und das Eichhörnchen geheilt hatte. Und ab da hatten wir dann einen kleinen Freund an unserer Lieblingseiche. Ende der Geschichte." Tatsächlich hatten sie im Haupthaus keinen Medic-Nin gefunden, aber einer der Clanmitglieder, dem sie von dem armen Eichhörnchen erzählt hatten, hatte einen Medic-Nin als Bruder, den er schnell geholt hatte. Also hatten sie ihn schon irgendwie im Haupthaus gefunden, aber irgendwie war es auch eine Lüge. Jetzt war Ray in jedem Fall sehr, sehr gespannt darauf, wie viele seiner Lügen Eiyo durchschauen würde.
@Yamada Eiyo