Als letzter der drei Genin meldete sich letztendlich auch Haruki zu Wort, der es bis jetzt irgendwie geschafft hatte, sich im Hintergrund und aus dem Gespräch heraus zu halten. Mit voller Absicht hielt er jedwede Antwort zurück, die ihm in den Sinn kam, denn - ganz ehrlich? - er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Was all das hier war? Nun, im Großen und Ganzen war diese Frage durchaus nicht schwer zu beantworten und nachdem seine beiden Kollegen mit ihren mehr schlechten als rechten Erklärungsversuchen (oder wohl vielmehr Gegenfragen) durch waren, konnte er sich selbst nur mit Mühe davon abhalten, mit einer ebenso nichts sagenden Erklärung rauszuplatzen, die vor allem eins getan hätte, nämlich seiner schlechten Laune Luft gemacht: "Das Ganze hier ist das Ergebnis schlampiger Absprachen, schlechter bis nicht vorhandener Planung und deren teils grottiger Umsetzung." Punkt. Wie er es im Endeffekt geschafft hatte, diese Worte, die ihm wieder und wieder durch den Kopf gingen, davon abzuhalten, seinen Mund zu verlassen, das verstand er selbst nicht wirklich. Vielleicht lag es daran, dass sein Gehirn, trotz des klar im Vordergrund stehenden Ärgers, nicht ganz aufhören konnte, zu arbeiten. Eher unterbewusst als wissentlich ging es immer wieder das Geschehene und die aktuelle Situation durch, aber wollte und wollte dabei einfach nicht zu einem klaren Ergebnis kommen. Dennoch ist eines jedenfalls sicher: wenn Shîntaros Anschuldigung nicht diese prompte Reaktion der drei Älteren hervorgerufen und dadurch von Haruki abgelenkt hätte, dann hätte sein Gehirn noch so großartig beschäftigt sein können - die bösen Worte wären ihm in jedem Fall herausgerutscht.
So aber geschah Folgendes: durch Itoes Aufforderung, die bisherigen Ereignisse zusammenzufassen, sowie durch Shîntaros und Hanayas Bereitwilligkeit, mit dieser Aufgabe zu beginnen, erhielt Haruki eine neuerliche Schonfrist, die er in keinem Fall ungenutzt lassen wollte.
Notgedrungen schob er die überwältigende Gefühlsgewalt an die äußerste Stelle seines Kopfes und verbarrikadierte sie dort ersteinmal, um seinen Leidensgenossen ungestört zuhören und ihre Worte ungetrübt durch Emotionen aufnehmen zu können.
Den Anfang machte Shîntaro, der den Verlauf der Mission sehr ausführlich zusammenfasste. Haruki lauschte aufmerksam, aber neue Informationen konnte er seiner Erzählung nicht entnehmen, mit Ausnahme des Kampfes, zu dem es nach der Aufteilung scheinbar gekommen war, sowie der Tatsache, dass die andere Schriftrolle sich als leer entpuppt hatte. Auch aus Hanayas Mund kam nichts wirklich Unbekanntes. Genaugenommen sagte sie überhaupt wieder nur sehr wenig: ein paar Worte zu ihren Begegnungen mit Yûsei, eine plötzliche Unterbrechung mitten in einem Satz und ein darauf folgender, durch ein Zwinkern untermalter Satz, den Haruki ganz und gar nicht deuten konnte. Und das wars dann auch schon, jetzt war wohl er an der Reihe... Ihm entwich ein leises Seufzen, als er begann sich aus seiner derzeitigen Position aufzurichten - als man ihm zuvor die Kiste aus den Händen gerissen hatte, wäre er fast nach hinten gekippt und hatte sich gerade noch so mit den Händen abstützen können, während seine Beine, urplötzlich aus dem gemütlichen Schneidersitz gerissen, einen Moment lang munter den Kontakt zum Boden verloren hatten. Die ganze Zeit über hatte er dort so gesessen, die Arme als Abstützhilfe, um ein Umkippen zu vermeiden, die Beine von sich gestreckt, so wie sie eben aus dem kurzen Ausflug in die Luft wieder auf dem Boden gelandet waren. Nun verließ er, wie gesagt, diese Position, um seinen Bericht zumindest mit einem kleinen bisschen Restwürde im Stehen abgeben zu können: "Ähm, ja, genau..." Gerne hätte er Hanayas nahtlosen Übergang nachgeahmt, aber er brauchte einen Augenblick, bis er seine Gedanken von dem Vorgehen seiner beiden Kameraden gelöst hatte und zu seinen eigenen Erfahrungen zurückgekehrt war. Ein paar Sekunden vergingen, während er noch einmal darüber nachdachte, was er sagen sollte. Schließlich aber war die Entscheidung getroffen, er holte tief Luft und begann mit einem schiefen Lächeln im Gesicht seinen, zugegebenermaßen etwas unorthodoxen Bericht: "Ich überspringe mal den Teil, in dem ich mit dem kleinen Jungen im Restaurant gesprochen und erfahren habe, dass die Diebin zufällig ziemliche Ähnlichkeit mit Naya-nee-san hatte. Und die Tatsache, dass der Kleine ziemlich plötzlich "nach Hause" musste. Ich denke, der Teil, in dem ich auf den kleinen Psychotrick von Naya-nee-san hereingefallen bin, kann ich auch ganz gut weglassen. Das führt uns dann wohl...", er überlegte kurz, was schon erzählt wurde und fuhr dann fort: "... ach ja, zu unseren ersten Solo-Abenteuern. Eigentlich kann ich diesen Teil auch überspringen, wirklich was herausgefunden habe ich hier ja nicht. Da drin", er zeigte mit dem Fingern auf das blaue Buch auf dem Tisch. "Sind ein paar verbrannte Papierfetzen, die ich im Kamin im Restaurant gefunden habe. Vielleicht wisst ihr ja besser als wir, was da drauf steht... ähm, naja, stand - lesen kann man nicht mehr wirklich etwas." Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. Also weiter im Text: "Dann war da der Weg durch die Straßen von Konoha und vermutlich der ein oder andere Verfolger, der sich aber einfach nicht zeigen wollte." Scheinbar mehr zu sich selbst, als an die Zuhörer gewandt, fragte er sich mit zur Decke gerichtetem Blick: "Ob wohl jemand mein Kunai gefunden hat? Naja, was soll." Ich glaube langsam wird deutlich: Haruki ging mit seinem Bericht aufs Ganze, wenn auch auf einer unterschwelligen Ebene. Warum auch nicht? Falscher als falsch konnte er ja nicht liegen und mit Ruhm bekleckert hatte er sich, seinem Gefühl nach, über die ganze Mission hinweg ohnehin nicht unbedingt. Einer Suppe, die sowieso schon versalzen war, würde eine weitere Prise des Gewürzes wohl kaum schaden. Ein erneutes Zucken der Schultern und er fuhr mit seiner Zusammenfassung fort: "Das Zusammentreffen mit Naya-nee-san und ihre Verfolgung darf ich wohl auch überspringen... naja, was dann kam hat Shîn ja auch schon erzählt: ich bin ihr nach, während die anderen beiden sich um die verschleierte... Dame gekümmert haben. Nachdem ich ins Haus rein bin, muss Nee-san mich ziemlich schnell entdeckt haben, aber wenn ich ehrlich bin, könnte ich ganz und gar nicht sagen, wann. Vielleicht sogar schon, als ich das Haus betreten habe - du scheinst ja vieles mitzukriegen, was der normalsterbliche Bürger nicht so ohne Weiteres sieht...", fügte er noch an Naya gewandt hinzu. "Sie hat mir aber ziemlich viel Zeit gelassen, um mich im Haus gründlich umzusehen. Ich kann aber nicht behaupten, dass ich etwas gefunden habe, was uns in irgendeiner Weise weitergebracht hätte... Außer das Foto da vorne, aber dass ihr euch ganz gut kennt ist ja inzwischen auch ziemlich offensichtlich geworden. Tja, naja, und der Rest ist Geschichte." Zum dritten Mal zog er die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. Mehr konnte er im Augenblick nicht sagen, denn es fehlten schlichtweg noch Informationen, um alles zu verstehen, was hier passiert war. Vor allem: was zur Hölle, hatten die Anbu mit der ganzen Sache zu tun? Aus welchem Ninjadorf kamen sie überhaupt? Und wo war der Mann, wegen dem die Genin überhaupt nach Konoha gereist waren? Viele Fragen waren noch offen und Haruki hatte durchaus die ein oder andere Idee, wie es zu der ganzen Sache gekommen sein mochte. Bei keiner dieser Theorien war er sich auch nur annähernd sicher und so brannte er geradezu darauf, von der Teamleiterin die Wahrheit zu erfahren...