Atarashi Ryakuga
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Es stimmte, dass Rakugaki für sein Alter geradezu riesig war. Den meisten würde es deshalb vermutlich genauso schwer wie Ririchiyo fallen, seinem Erscheinungsbild das richtige Alter zuzuordnen, weil er neben seiner sehr maskulinen Wirkung auch immer ernst blickte und dadurch noch erwachsener erschien, als er mit seinen vierzehn Jahren sein sollte. In manchen Kreisen war man noch ein Kind, wenn man so alt wie er war, aber das war der Dunkelhaarige selbst ohne unnötiges Vertiefen seiner Dramen schon lange nicht mehr. Es gab solche und solche Jugendliche, manche benötigten ein deutliches Aufzeigen ihrer Grenzen und eine wilde Zeit, andere waren geistig schon früher etwas weiter als ihre Gleichaltrigen. Rakugaki besaß deshalb zwar noch lange kein Superhirn und wenn man ihn dabei beobachtete, wie er seine Konflikte mit Gewalt löste und auf jene losging, die ihn berührten, würde man bestimmt nicht auf die Idee kommen, dass er besonders reif war, aber im Großen und Ganzen hatte er einen eher adulten Blick auf die Welt. Momentan war dieser Eindruck etwas getrübt, weil er sich im Kontakt mit dem rosahaarigem Mädchen gleich mehreren merkwürdigen Situationen entgegengestellt sah, die ihn in seiner eigentlichen Entwicklung ein paar Jahre zurückschmissen und ihn wohl eher wie ein neugieriges Kind wirken ließen, das seinem Gegenüber Löcher in den Bauch fragte. Einerseits hatten schon vor längerer Zeit die Alarmsirenen in seinem Kopf gewarnt, dass er Ririchiyo trotz ihrer freundlichen Ausstrahlung nicht vertrauen durfte und es nicht ratsam war, ihr viel von sich zu erzählen, andererseits hatte dieses Mädchen gerade eher den Effekt eines kleinen Lagerfeuers, an dem man sich wärmen konnte. Es war gefährlich, in die Flammen zu fassen, doch sofern man die positiven Effekte würdigte und aufpasste, was man tat, hatte es viele Vorteile. Rakugaki freute sich über die Gesellschaft einer Person, die nicht verrückt schien und ihn auch nicht geistig auseinanderbauen wollte, auch wenn er das nach außen hin nur schwer zeigen konnte. Andere Menschen hätten sicher mit einem Lächeln reagiert, mit strahlenden Augen und weiteren interessierten Fragen nach ihrem Privatleben, aber der Sprayer war dazu nicht in der Lage. Natürlich konnte er die Mundwinkel hochziehen, aber er sah dabei eher mordlüstern aus und ließ es daher, weil er eben auch so gar nicht wusste, wie er sich in einem solchem Moment behauptete. Weil er verwirrt war und sich auf unerforschtem Neuland befand, hatte sein Kopf ihn ein paar Jahre zurückgeworfen und dafür gesorgt, dass er immerhin nicht ganz so abweisend wirken sollte, wie er das sonst tat. Trotz allem wich er ein Stück zur Seite, als sie plötzlich aufstand und sich neben ihm stellte, so als würde er fürchten, dass sein Ärmel oder gar seine Hand über etwas an ihr streifte und er spannte sich merklich an, während seine Augen wirklich jede Bewegung ihrer Arme und Lippen verfolgten und sein Gesicht sich verhärtete. Das Ganze dauerte aber nur ein paar Sekunden, die er brauchte, um die neue Situation zu registrieren und zu bemerken, dass sie ihm nichts Böswilliges wollte wie ihn anzutatschen, und der große Genin entspannte sich wieder. Die eiserne Maske im Gesicht verwandelte sich in eine etwas verwirrte, nachdenkliche Grimasse. Man hatte ihn noch nie gefragt, was er gerne machte … Ja, jetzt, wo er so darüber spekulierte, hatte er eigentlich immer irgendetwas getan, was ihm Spaß machte und seine Mitmenschen irgendwie mitgeschleift oder vollbrachte eine Tätigkeit, weil es ihm auf die Gesellschaft bestimmter Personen ankam … Rakugaki traute sich nicht so ganz, einen bewundernden Tonfall aus ihrem Kommentar zu seinen Zeichenkünsten herauszulesen, aber es war dennoch ein angenehmes Gefühl, dass sie seine Fähigkeiten für interessant hielt. Der Dunkelhaarige mochte ihre Herkunft verachten, aber die Möglichkeiten, die er dadurch hatte, um sich auszudrücken, waren großartig. Wahrscheinlich wäre es leichter für ihn, dem Mädchen einen Manga oder einen Comic zu malen, statt ihr von seinen Vorlieben zu erzählen, aber sie hatte schon gefragt und war selbst sehr offen gewesen … „Ich klettere gern. Und ich mag Vögel. Regenwetter finde ich schön. Ich gucke auch gerne Horror ...“ Das Letzte sagte er etwas kleinlaut, weil es wahrscheinlich das Seltsamste war und es sicherlich nicht jedem zusagte, sich zu gruseln. Manche Leute waren furchtbar schreckhaft, auch wenn Ririrchiyo wohl eher zu den Mutigen gehörte, schließlich hatte er sie noch nicht verjagen können. „Normalerweise zeichne ich deshalb keine Schmetterlinge … Ich benutze eigentlich eine Spraydose“, erklärte er und griff in die Innentasche seiner Jacke, um eine dünne, metallische Büchse mit einem Sprayverschluss hervorzuziehen, welche das charakteristisch klackernde Geräusch machte, als er sie einmal in seiner Hand im Kreis wirbelte. Rakugaki würde ihr allerdings nicht erklären, in welchem Zusammenhang seine Hobbies standen, denn sonst mochte sie vielleicht Eins und Eins zusammenzählen und herausfinden, wieso er eigentlich am Waldbach gesessen hatte … „Hast du damit schonmal 'was gemacht?“