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Mameha Junko
Guest
Kinder sind ganz eigenartig, was ihre Eltern angeht. Irgendwie haben sie immer das Bedürfnis, ihnen zu gefallen und es ihnen recht zu machen, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Das kann zu Trotz führen, zu Demut und sogar bis hin zur Selbstaufgabe.
Es war nur so: Junko war kein Kind mehr. Sie hatte den Abnabelungsprozess bereits hinter sich und befand sich somit in einem Stadium, in dem sie sich mit ihren Eltern eigentlich etabliert haben sollte. Mit der Mutter hatte sie sich selbst auf (einseitigen) Hass geeinigt und tat der Frau damit Unrecht, weil sie prinzipiell alles Leid und alles Unglück auf die Schultern der Mutter lud, wie Ahab es mit Moby Dick getan hatte. Der Vater jedoch war in einer Erinnerung verblieben, in der sie ihn bewundert und ihm nachgeeifert hatte, und selbst wenn dieses rationale Mädchen angestrengt und vollkommen nüchtern darüber nachdachte, so winkte das leise Bauchgefühl immer ab, wenn es an die Zweifel ging. Also war es durchaus herzerwärmend, zumindest für sie, ein Lächeln des Vaters zu ernten, auch wenn dies nur schwerlich äußerlich zu erkennen war. Nur die Andeutung von Zufriedenheit war zu erahnen, aber ob dies an Kaito vorbeiging oder nicht, blieb abzuwarten. Immerhin wusste er nicht, zu was seine Tochter herangewachsen war. Ob er erfreut wäre, wenn er wüsste, dass sie viel zu viele Geheimnisse mit sich herumtrug, sich kalt und abweisend verhielt, ihre Freunde entfremdete, ihre Feinde einschüchterte, mit der Schuld des Überlebenden herumschlug, Verräter um ihr Leben erleichterte und darüber hinaus auch noch mit der gegnerischen Fraktion fraternisierte, indem sie sich prompt in einen Kiri-Shinobi verliebte? Wenn man den letzten Punkt außenvor ließ, klang ihr Lebenslauf mehr nach dem eines Anbu-Veteranen, der jetzt eigentlich Kaito an die Kehle gehen müsste, anstatt sich in ruhiger, vorsichtiger Konversation zu üben.
Die Ernüchterung kam allerdings bei der Erkenntnis, dass er offenbar gerade seine eigenen Kameraden gegen ihre in den Ring geschickt hatte. Warum? War es so wichtig, die Opposition hier auszuschalten? Glaubte er, dass seine Kameraden an diesem Ort starben? Wieso war es ihm so wichtig, ihr zu versichern, er sei nicht an zivilen Schäden interessiert … und wieso wollte er sie gehen lassen, um das Blatt im aktuellen Kampf zu wenden? Lag ihm so wenig an seinen Kollegen? Lag ihr so wenig an ihren Kollegen, weil sie gerade nicht daran dachte, sofort alles stehen und liegen zu lassen und ihnen zur Hilfe zu eilen? Überhaupt schien es mehr, als erwarte ihr Vater eine Niederlage für seine Komparsen. Opferte er sie gerade?
Auch wenn es sich merkwürdig anhören mochte, aber gerade diese Aussicht schockierte Junko. Sie selbst zog in ihrer konoha-beeinflussten Mentalität nicht in Betracht, irgend jemanden außer sich selbst zu opfern, wenn es notwendig sein sollte. Diese Mentalität hatte sich schon auf ihrer allerersten Mission, beim Test ihres Senseis bewiesen, und dieser hatte es ihr auch vorgehalten. Sie opfere Tiere, aber nicht ihre Kameraden, traue ihnen zu wenig zu und schätze sie nicht richtig ein. Letztendlich, hatte er geschimpft, hatte sie alles alleine machen wollen, um niemanden in Gefahr zu bringen. Merkwürdigerweise erhoffte sich Junko die gleiche Herangehensweise von ihren Gegnern – taten diese das nicht, waren sie in ihren Augen Abschaum, des Lebens nicht würdig. Das war auch einer der Gründe, warum sie Hiroshi überhaupt hatte töten können – er hatte nicht nur sein Dorf verraten. Was war schon ein Dorf, eine Fraktion, eine Pflicht oder etwas Vergleichbares? Es war nur eine abstrakte Sache, der man sich verschrieb, nur eine Überzeugung, die man rational begründen konnte. Aber Hiroshi hatte einen fatalen Fehler gemacht, indem er eben nicht seine Fraktion, sondern seine Kameraden verraten hatte. Nicht einmal hatte er auch nur den Hauch von Reue gezeigt, als es darum ging, gegen seine eigenen (ehemaligen) Kollegen vorzugehen, sogar deren Tod billigend in Kauf genommen. Der Verrat an Shiro hatte Hiroshi nicht getötet. Sein Verrat gegen seine Kameraden, die Gefahr, die er für sie weiterhin dargestellt hätte, war es gewesen, was sein Schicksal besiegelt hatte. Wenn Junko es so im Nachhinein betrachtete, wurde das Bild von Hiroshi immer düsterer und düsterer, und obwohl sie nicht schlecht von den Toten sprechen wollte, wurde ihr just in diesem Moment bewusst, dass sie genau das Richtige getan hatte. Und sie würde es immer wieder tun, wo andere es nicht konnten. Sie hatte sich dem Schutz ihrer Freunde und Gefährten verschrieben, und Hiroshi hatte sie bedroht, mit allem, was er hatte, mit aller Stärke und seinem gefährlichen Kekkai.
Darum war Junko außerordentlich ernüchtert, als sie begriff, dass Mameha Kaito diese Bedenken anscheinend schon längst über Bord geworfen hatte, wenn er sich sogar nicht schon von Anfang an nur aus pragmatischen Gründen mit seinen Kollegen zusammengetan hatte. Aber irgendwie hatte sie so das Gefühl, dass sie nicht mehr wissen wollte und auch sollte.
„Es kümmert dich also nicht, was mit ihnen geschieht?“ Wen meinte sie jetzt? Die beiden Konoha-Nin, die gerade gegen seine Kollegen kämpften, oder letztere? Es war für die Einschätzung dieses Mannes, den sie da vor sich sah, durchaus wichtig, genauso wie die nachfolgende Frage.
„Ich kann jetzt noch nicht gehen. Ich will, aber es geht noch nicht.“, merkte sie fernerhin mit besorgter Miene an. „Ich muss erst wissen, wie es jetzt weitergeht.“ Sie brauchte nicht noch so eine Baustelle wie Yuto, von der sie immer noch nicht wusste, was sie davon halten sollte. Sie konnte immer nur hoffen, ihm zufällig zu begegnen und die Gelegenheit zu haben, ein paar vertrauliche Worte mit ihm zu wechseln, aber ihre letzten Begegnungen waren anders verlaufen. Um ihn vor seiner eigenen Unvorsicht zu schützen hatte sie eine Begegnung blutig beendet, bei einer anderen kam sie gar nicht dazu, mit ihm zu sprechen. Sie wusste nicht, wo sie stand, was er darüber dachte, wie es ihm ging, ob er Haferbrei zum Frühstück aß und ob er noch andere Freunde als Daisuke hatte. Warum waren die Menschen, die ihr am teuersten waren, nur so unglaublich fern? Allein diese Erkenntnis sorgte schon dafür, dass die unterschwellige Melancholie, mit der sie die ganze Zeit zu kämpfen hatte, jetzt noch mehr durchsickerte als zuvor.
Es war nur so: Junko war kein Kind mehr. Sie hatte den Abnabelungsprozess bereits hinter sich und befand sich somit in einem Stadium, in dem sie sich mit ihren Eltern eigentlich etabliert haben sollte. Mit der Mutter hatte sie sich selbst auf (einseitigen) Hass geeinigt und tat der Frau damit Unrecht, weil sie prinzipiell alles Leid und alles Unglück auf die Schultern der Mutter lud, wie Ahab es mit Moby Dick getan hatte. Der Vater jedoch war in einer Erinnerung verblieben, in der sie ihn bewundert und ihm nachgeeifert hatte, und selbst wenn dieses rationale Mädchen angestrengt und vollkommen nüchtern darüber nachdachte, so winkte das leise Bauchgefühl immer ab, wenn es an die Zweifel ging. Also war es durchaus herzerwärmend, zumindest für sie, ein Lächeln des Vaters zu ernten, auch wenn dies nur schwerlich äußerlich zu erkennen war. Nur die Andeutung von Zufriedenheit war zu erahnen, aber ob dies an Kaito vorbeiging oder nicht, blieb abzuwarten. Immerhin wusste er nicht, zu was seine Tochter herangewachsen war. Ob er erfreut wäre, wenn er wüsste, dass sie viel zu viele Geheimnisse mit sich herumtrug, sich kalt und abweisend verhielt, ihre Freunde entfremdete, ihre Feinde einschüchterte, mit der Schuld des Überlebenden herumschlug, Verräter um ihr Leben erleichterte und darüber hinaus auch noch mit der gegnerischen Fraktion fraternisierte, indem sie sich prompt in einen Kiri-Shinobi verliebte? Wenn man den letzten Punkt außenvor ließ, klang ihr Lebenslauf mehr nach dem eines Anbu-Veteranen, der jetzt eigentlich Kaito an die Kehle gehen müsste, anstatt sich in ruhiger, vorsichtiger Konversation zu üben.
Die Ernüchterung kam allerdings bei der Erkenntnis, dass er offenbar gerade seine eigenen Kameraden gegen ihre in den Ring geschickt hatte. Warum? War es so wichtig, die Opposition hier auszuschalten? Glaubte er, dass seine Kameraden an diesem Ort starben? Wieso war es ihm so wichtig, ihr zu versichern, er sei nicht an zivilen Schäden interessiert … und wieso wollte er sie gehen lassen, um das Blatt im aktuellen Kampf zu wenden? Lag ihm so wenig an seinen Kollegen? Lag ihr so wenig an ihren Kollegen, weil sie gerade nicht daran dachte, sofort alles stehen und liegen zu lassen und ihnen zur Hilfe zu eilen? Überhaupt schien es mehr, als erwarte ihr Vater eine Niederlage für seine Komparsen. Opferte er sie gerade?
Auch wenn es sich merkwürdig anhören mochte, aber gerade diese Aussicht schockierte Junko. Sie selbst zog in ihrer konoha-beeinflussten Mentalität nicht in Betracht, irgend jemanden außer sich selbst zu opfern, wenn es notwendig sein sollte. Diese Mentalität hatte sich schon auf ihrer allerersten Mission, beim Test ihres Senseis bewiesen, und dieser hatte es ihr auch vorgehalten. Sie opfere Tiere, aber nicht ihre Kameraden, traue ihnen zu wenig zu und schätze sie nicht richtig ein. Letztendlich, hatte er geschimpft, hatte sie alles alleine machen wollen, um niemanden in Gefahr zu bringen. Merkwürdigerweise erhoffte sich Junko die gleiche Herangehensweise von ihren Gegnern – taten diese das nicht, waren sie in ihren Augen Abschaum, des Lebens nicht würdig. Das war auch einer der Gründe, warum sie Hiroshi überhaupt hatte töten können – er hatte nicht nur sein Dorf verraten. Was war schon ein Dorf, eine Fraktion, eine Pflicht oder etwas Vergleichbares? Es war nur eine abstrakte Sache, der man sich verschrieb, nur eine Überzeugung, die man rational begründen konnte. Aber Hiroshi hatte einen fatalen Fehler gemacht, indem er eben nicht seine Fraktion, sondern seine Kameraden verraten hatte. Nicht einmal hatte er auch nur den Hauch von Reue gezeigt, als es darum ging, gegen seine eigenen (ehemaligen) Kollegen vorzugehen, sogar deren Tod billigend in Kauf genommen. Der Verrat an Shiro hatte Hiroshi nicht getötet. Sein Verrat gegen seine Kameraden, die Gefahr, die er für sie weiterhin dargestellt hätte, war es gewesen, was sein Schicksal besiegelt hatte. Wenn Junko es so im Nachhinein betrachtete, wurde das Bild von Hiroshi immer düsterer und düsterer, und obwohl sie nicht schlecht von den Toten sprechen wollte, wurde ihr just in diesem Moment bewusst, dass sie genau das Richtige getan hatte. Und sie würde es immer wieder tun, wo andere es nicht konnten. Sie hatte sich dem Schutz ihrer Freunde und Gefährten verschrieben, und Hiroshi hatte sie bedroht, mit allem, was er hatte, mit aller Stärke und seinem gefährlichen Kekkai.
Darum war Junko außerordentlich ernüchtert, als sie begriff, dass Mameha Kaito diese Bedenken anscheinend schon längst über Bord geworfen hatte, wenn er sich sogar nicht schon von Anfang an nur aus pragmatischen Gründen mit seinen Kollegen zusammengetan hatte. Aber irgendwie hatte sie so das Gefühl, dass sie nicht mehr wissen wollte und auch sollte.
„Es kümmert dich also nicht, was mit ihnen geschieht?“ Wen meinte sie jetzt? Die beiden Konoha-Nin, die gerade gegen seine Kollegen kämpften, oder letztere? Es war für die Einschätzung dieses Mannes, den sie da vor sich sah, durchaus wichtig, genauso wie die nachfolgende Frage.
„Ich kann jetzt noch nicht gehen. Ich will, aber es geht noch nicht.“, merkte sie fernerhin mit besorgter Miene an. „Ich muss erst wissen, wie es jetzt weitergeht.“ Sie brauchte nicht noch so eine Baustelle wie Yuto, von der sie immer noch nicht wusste, was sie davon halten sollte. Sie konnte immer nur hoffen, ihm zufällig zu begegnen und die Gelegenheit zu haben, ein paar vertrauliche Worte mit ihm zu wechseln, aber ihre letzten Begegnungen waren anders verlaufen. Um ihn vor seiner eigenen Unvorsicht zu schützen hatte sie eine Begegnung blutig beendet, bei einer anderen kam sie gar nicht dazu, mit ihm zu sprechen. Sie wusste nicht, wo sie stand, was er darüber dachte, wie es ihm ging, ob er Haferbrei zum Frühstück aß und ob er noch andere Freunde als Daisuke hatte. Warum waren die Menschen, die ihr am teuersten waren, nur so unglaublich fern? Allein diese Erkenntnis sorgte schon dafür, dass die unterschwellige Melancholie, mit der sie die ganze Zeit zu kämpfen hatte, jetzt noch mehr durchsickerte als zuvor.