[FONT=Verdana, sans-serif]Es war doch echt beschissen, oder? Sie waren Shinobi aus Shirogakure. Sie waren eine verdammte Elite. Sie hatten Fähigkeiten von denen andere Menschen nur träumen konnten. Sie hatten Waffen, die Möglichkeit auf Knopfdruck zu töten. Und doch wurden sie an der Nase herum geführt, einfach so – als wären sie nur irgendwelche Idioten. Nicht weiter erwähnenswert. Die netten Typen die das ganze Buch lang vom Mörder verarscht wurden, bis er einfach keine Lust mehr hatte. Es war zum Haare raufen. Itoe saß auf dem Sofa und fuhr sich mit ihrer Linken fahrig über die Stirn. Die Fakten waren inzwischen alle durchgesickert und verarbeitet, sodass die erdrückende Last der Situation sie unter sich zerquetschen konnte. Das zuvor geöffnete Fenster sorgte für einen frischen Luftzug und einen satten Klang im Hintergrund. Bei jeder erneuten Explosion zuckte Itoe innerlich zusammen und sah wie sich ein weiteres Messer durch einen bleichen Hals schnitt. [/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Ein paar Haare hatten sich auf ihrem Rücken aufgestellt. Jetzt wo das Adrenalin verschwunden war ging es ihr einfach nur mies. Wo war ihre Souveränität? Das Mädchen biss sich auf die Lippe. „Reiß dich zusammen, Mädel. Keine Zeit für diesen Girlie-Scheiß. Du bist eine Hyuuga, du bist stark. Du wirst den Mistkerl finden und ihm den Arsch aufreißen.“ Itoe sprach sich selbst ein wenig Mut zu, aber das musste sein. Außerdem half es wirklich. Aber vielleicht brauchte sie diese anfängliche Panik, brauchte die Angst und war nun davor befreit. Wie hatte ihr Vater gesagt? „Mut heißt nicht etwas gefährliches zu tun, sondern seiner Angst zu trotzdem und sie zu akzeptieren.“ Es wurde Zeit, dass sich Itoe diese Weisheit stärker zu Herzen nahm. Um den letzten Rest des lähmenden Gefühls zu vertreiben stand sie auf und holte sich ebenfalls ein Glas Wasser. Die Kühle tat gut und holte sie endgültig ins Hier und Jetzt zurück. Sie war wieder bereit und aufnahmefähig. Die kleine Anekdote aus der Geschichte des Aza-Clans sorgte nicht für bessere Stimmung, aber diese Stimmung wurde auch gebraucht. In Mordfällen, so hieß es zumindest, musste man wie der Übeltäter denken um ihn zu stellen. Sie konnten nicht zwanghaft lächeln, sie mussten sich auf das einlassen was ihnen gegeben wurde, mussten es umarmen. Etwas, das leichter gesagt war als getan. Denn wie konnte man sich in einen mordenden Psychopathen hineindenken? Wie sollte das funktionieren? Itoe war ein dreizehnjähriges Mädchen, zwar reif für ihr Alter, aber dennoch hatte sie keine... Erfahrung. All ihre Überlegungen konnten naiv sein, das war eine ihrer unterschwelligen Ängste. Sie fühlte sich vielleicht sogar ein wenig nutzlos, überfordert und eingeschüchtert. Stopp, wo war das Mantra hin? Itoe rief es sich wieder in den Kopf und konzentrierte sich auf die Fakten. Das Opfer hatte gesehen wer es getötet hatte, war bewegungsunfähig ohne Spuren eines Kampfes. Was kam dafür in Frage? Angst, Gift. Wäre es das Gift, so würden sie es sicherlich in ein paar Stunden erfahren. Hoffentlich waren die hier schnell mit der Autopsie, davon konnten Menschenleben abhängen. [/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Kyoko sprach die Wahrheit, per Zufall konnten sie den Mörder nicht finden und er verhielt sich nicht so, als ob er vor hatte einen Fehler zu machen, da wäre er schon vor Jahren geschnappt worden. Aber wie bitte sollten sie das nächste Opfer erahnen? Wie Kyoko gesagt hatte, es gab keine Regelmäßigkeiten. Oder vielleicht sahen sie diese nur nicht? Itoe konnte sich noch so sehr den Kopf darüber zerbrechen, diese Menschen hatten nichts miteinander zu tun. Nicht auf den ersten Blick und auch nicht auf den zweiten. Hing es vielleicht mit der Stadt zusammen? Vermutlich, aber brachte sie das weiter? Nein. Itoe nahm einen weiteren Schluck Wasser. Sie hatte keine Vorschläge auf Lager, keine Ahnung wie sie agieren könnten. Aber sie nahm sich vor, dass dies nicht so bleiben würde. Sie hatte sich Gedanken zu machen und auch wenn sie noch nicht bereit dazu war, so würde sie irgendwann mit einem Plan aufkommen. Bestimmt. [/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Jetzt war eh keine Zeit dafür, denn Leiche Nummer Zwei war gefunden worden. Der Hyuuga war klar, dass der Mörder nun wohl kaum aufhören würde um ihnen Zeit für Überlegungen zu machen. Er hatte begonnen und würde erst wieder aufhören wenn er genug hatte – und dieses Maß konnten sie unmöglich zulassen. Itoe stellte ihr Glas auf der Bar ab, positionierte es zu nahe am Rand und es rutschte hinunter, wo es in tausend Scherben zerbrach. Egal, das interessierte im Moment eh keine Sau. Itoe folgte ihrer Sensei sofort und die Gruppe verließ das Hotel um sich auf den Weg zum Schauplatz des zweiten Mordes zu machen. Geführt wurden sie von zwei Männern des Bürgermeisters. Beide waren kräftig und trugen ein Katana am Gürtel. Dennoch waren sie wohl nicht einmal annähernd gewappnet, würde da etwas wirklich großes auf sie zukommen. So wie Itoe das einschätzen konnte (Hyuuga besaßen wie bereits gesagt von Natur aus ein sehr gutes Orientierungsvermögen), bewegten sich die sechs Menschen in Richtung Norden, vielleicht mit einem Hauch von Westen. Da die Wachen sich nicht über die Dächer hin fort bewegen konnten mussten sie auf den Straßen reisen, aber die Männer kannten erstaunliche Abkürzungen und trotz der Festfreude machten die Menschen zügig Platz, sollten sie einmal im Wege stehen. Während dieser doch recht kurzen Zeit hatte sich Itoe wie angekündigt Gedanken gemacht. Sie hatte erkannt, dass sie noch lange nicht in der Lage waren einen Plan zu erschaffen, dafür wussten sie zu wenig. Zu aller erst mussten sie wissen was es mit diesen Morden auf sich hatte und der erste Schritt dafür war: Warum mordete dieser jemand eigentlich? Gedanken, die ruhig offen vorgetragen werden konnten, sie hatten ja gerade eh nichts besseres zu tun als sich zu beeilen. „Kyoko-sama. Sie wollten doch vorhin Vorschläge hören, ich denke aber wir müssen erst... verstehen was das soll, bevor wir ein Opfer erahnen können.“, sagte sie und holte nur einmal kurz Luft um genug Sauerstoff zu haben, ihre Theorien vorzutragen. „Mörder sehnen sich hin und wieder nach Aufmerksamkeit, zum Beispiel weil sie zuvor in wichtigen persönlichen Dingen einfach ignoriert wurden und dadurch Leid entstanden war.“ Das hatte Itoe übrigens aus einem ihrer Bücher – stand im Anhang, der Beschreibung eines weiteren Buchs desselben Autors. „Da die Morde nur an den Festtagen vorkommen, hegt er vielleicht auch eine tiefe Abneigung gegen dieses Fest und möchte es deswegen den anderen Menschen auch vermiesen.“ Es klang eigentlich nicht so unlogisch was das Mädchen da von sich gab, es war nur eben so, dass es auch tausend andere Möglichkeiten gab. „Vielleicht will er uns auch einfach nur an der Nase herumführen.“, fügte sie noch hinzu und klang dabei fast ein wenig niedergeschlagen.[/FONT]
[FONT=Verdana, sans-serif]Als die Gruppe den Tatort erreichte sah Itoe eine größere Menschenmasse. Es waren aber keine einfachen Passanten, sondern alles Mitglieder der Stadtwache oder spezielle Männer des Bürgermeisters. Kyoko schritt zügig voraus. Allein durch ihre Präsenz warf sie die Menschen aus ihrer Bahn und zwang ihr Team förmlich, sich zusammen zu reißen und das beste aus sich heraus zu holen. So zumindest war es bei Itoe. Von den Menschen, sie selten Lob verteilen, will man genau dieses immer am stärksten. Kein bewusster Vorgang, aber das war ja auch nur das wenigste. Zurück zum Tatort. Itoe sah einige Männer Abseits stehen. Harte Kerle, bis auf die Zähne bewaffnet und mit Muskeln bepackt – sowie grün im Gesicht. Kein Zweifel, viele der hier Anwesenden hatten ihr Mittagessen wieder ausgespuckt. Es war keine denkerische Meisterleistung zu erkennen, dass hier etwas anders war. Die vorherige Leiche war eben tot gewesen. Grausam ermordet, aber das hatte eher auf die Psyche als auf den Magen geschlagen. Wieso also hatten sich hier so viele erbrochen? Das Mädchen würde es in wenigen Sekunden erfahren. Die Gruppe kam der menschlichen Mauer immer näher und durchbrach diese dann. Gespannt schaute Itoe auf den Boden, konnte aber nichts finden. Kyoko blieb stehen und die Hyuuga folgte dem Blick der Frau zu einem Baum. Erst konnte das Mädchen nichts sehen. Es war eben ein Baum. Dann jedoch sah sie Augen, sie suchte das vertraute Bild... fand es jedoch nicht. Ihre Augen weiteten sich ein wenig, als sie in die leblosen Pupillen des Mannes schaut. Auf den ersten Blick sah sie nicht mehr als einen Kopf. Es schien fast als sei er abgerissen worden. Der Hals war schräg durchtrennt, es hingen Fasern aus Fleisch hinunter. Mitten in dieses Fleisch bohrte sich ein dunkel gefärbter Ast. Dieser Schädel war einfach auf einen Baum gesteckt worden. Mit einem Mal wurde Itoe das Ausmaß des Bildes klar, dass sie da vor ihr sah. Da war nicht nur ein Kopf. Wenig darunter schaute ein Fuß aus dem Geäst und weiter rechts wickelte sich der Dickdarm um den Baumstamm wie eine vollgefressene Schlange. Nun wurde Itoe auch der Geruch bewusst, der ihr langsam in die Nase gekrochen war. Blut, Fleisch, Gedärme. Ihr wurde schlagartig übel. Überall Körperteile, zerfetzt, wie gesprengt. Itoe schloss die Augen, eine schlechte Idee. Jetzt da ihr Gehirn nicht mehr von Bildern in Anspruch genommen wurde nahm der Geruch einen viel größeren Platz ein und das Mädchen spürte wie sich ihr Magen umstülpte. Sie drehte sich um und trat einige Schritte weg, wehe sie sich vorn über beugte und sich erbrach. Das war zu viel für ein junges Mädchen. Einfach zu viel. Itoe atmete mehrere Male tief ein und wischte sich den Mund ab. Als sie zurück ging wurde ihr klar, dass ihre Schuhe ein wenig fest klebten. Im Rasen? Angeekelt stellte sie fest, dass das gesamte Gras voller Blut war. Sie hätte in just dem Moment auch irgendwo zuhause sein und Schafe hüten können. Jeder Genin wünschte sich große, gefährliche Missionen. Aber wollte er einen geschnetzelten Menschen, baumelnde Innereien und geplatzte Organe sehen? Allein bei dem Gedanken wurde den meisten schlecht, so wunderte es Itoe sogar ein bisschen, dass ihr kein zweites Mal übel wurde als sie sich dem Baum näherte. Sie stellte sich neben ihre Teamkollegen und wusste nicht recht was sie sagen sollte. Eine kranke Seele hätte dieses Bild wohl … als bildhübsch bezeichnet. Aber Itoe verschwendete keinen Gedanken daran, dass es der Mörder auf Kunst abgesehen hatte. „Das Werk eines kranken Geistes.“, flüsterte Itoe vor sich hin und schaute in die milchig trüben Augen des Kopfes, hoch oben in den Ästen dieses alten Baumes.
Als sie den Kopf nich einmal kurz zur Seite drehte wurde ihr beinahe wieder schlecht. "Hiroshi-kun, du stehtst auf einem Stück Darm.", sagte sie angewidert und wechselte ihr Blickfeld.
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