Misumi Kimihiro
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Ein ganzer Beutel Juckpulver. Ein ganzer Beutel. Bestimmt hätte er für viele kleine Streiche gereicht, und selbst dann wäre noch genug für eine Analyse der Mischung übrig geblieben. Allein die Idee, diese ganze Menge an eine einzige Person zu vergeuden war völlig lächerlich. Nicht nur, dass das all die Vorbildlichkeit seines Plans auslöschte, es war noch dazu verschwenderisch (das Zeug war schließlich nicht umsonst gewesen), idiotisch, und noch dazu übermäßig brutal. Mit dem Inhalt des Beutels hätte man nämlich einen normalen, menschlichen Körper sicher drei Mal bedecken können.
Und doch, und doch… das Bild, wie das ganze Zeug auf einen Schlag auf Junkos zarter Haut landete, wollte Kimihiro einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, nachdem sich die Chuunin erneut zu Wort gemeldet hatte.
Im ersten Moment völlig baff, dass das Mädchen das Thema einfach nicht ruhen lassen wollte, fiel seine Reaktion doch schon wesentlich weniger extrem als bei den bisherigen Fragen aus. Statt einem beschämten Stutzen, einem Wutausbruch oder einem spontanen Schwächeanfall konnte die Chuunin, wenn sie ihren Kollegen gut beobachtete, lediglich mit ansehen, wie sich seine Zähne gewaltsam in seine Unterlippe bohrten. Dieses Mal würde es keinen Ausbruch geben, nicht noch einmal. Nicht schonwieder. Langsam wurde es… langweilig. Immer wieder dieselbe Frage. Das wievielte Mal war es nun? Das vierte? Erst der Kommentar vor dem Zeltbesuch, dann in dem verrauchten Schuppen, dann Junkos Nachfrage nach „dem Problem“, und jetzt diese verschärfte Version. Nein, nun war endgültig Schluss mit der Überraschung. Davon wollte sich Kimihiro zumindest vor allem anderen selbst überzeugen: Die Sache musste jetzt einfach ein Ende haben, wenn er seine Ruhe haben wollte.
Um seiner Leiterin nicht blindlings die erstbesten Worte entgegen zuschleudern, stemmte er zuerst lediglich die Hände in die Hüften. Sein Blick ging nach links, die Augen rollten, dann kippte der gesamte Kopf nach vorn. Nervös leckte sich Kimihiro über die Lippen und schmeckte dabei zu seiner eigenen Überraschung einen Hauch von Eisen auf der Zunge. Blut? Und wenn schon, das war jetzt und hier nicht sein größtes Problem. Den Blick auf den schlammigen Boden gerichtet konzentrierte er sich auf seine umherirrenden Gedanken.
Wie kam er aus dieser Sache nun raus? Etwas anderes wollte er schließlich nicht. Das Thema war durchgekaut. Verbraucht. Wie ein unangenehmer Spitzname, der einem zu oft an den Kopf geworfen wurde, oder eine längst verheilte Wunde, von der nur noch eine Narbe zurückblieb. Der größte Schmerz war vergangen, doch es pochte noch immer unter der Oberfläche, pochte und pochte und pochte. Und dieses ständige Pochen wurde zu einer ständigen Belastung, wenn man sich nicht ganz davon befreien konnte. Und darauf konnte der Künstler wahrlich gut verzichten. Doch wie wurde er Junko und dieses leidige Thema nur los?
Es gab viele Varianten, nur fehlte Kimihiro zu vielen der Mut. Das einfachste wäre gewesen, sich die ganze Sache selbst geschwind einzugestehen, zu Itoe zu rennen, und sich ihr mit einem kitschigen Plastikring vor die Füße zu werfen. Damit wäre die Frage wirklich mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Warum diese Möglichkeit allerdings flachviel war klar: Woher sollte der Künstler auf die Schnelle einen Plastikring herbekommen? Blieb noch die weniger theatralische Variante: Eingestehen und einfach Junko die Wahrheit an den Kopf werfen. Komponente Nummer zwei war machbar, Nummer eins… weniger. Was dann?
*Juckpulver!*
Außer Juckpulver? Schweigen? Reden war immerhin nur Silber, wie man sagte, warum also nicht die Gold-Variante ausprobieren? Andererseits würde sich Junko damit sicherlich nicht zufriedengeben. Ganz bestimmt nicht. Aber wenn die Wahrheit nicht infrage kam, und Schweigen auch nicht, dann blieben nur noch Lügen übrig. Lügen und Gewalt. Aber da Junko von Natur aus eine widerlich intelligente wie effiziente Kunoichi war fielen beide Varianten flach. Womit man wieder bei der Wahrheit und Schweigen war. Oh, und „wirres Zeug reden“, das wäre auch noch eine Möglichkeit. Der gegenüber Schweigen allerdings deutlich attraktiver erschien. Und Schweigen konnte er doch auch besser als reden, denn immerhin konnte man sich gar nicht so ver-schweigen, wie man sich verquasseln konnte.
Unter diesen vier Hauptmöglichkeiten schimmerten immer mal wieder kleine Ideen auf. Viele zeigten sich in Form kleiner Bilder: Kimihiro, wie er allein und grinsend mit einem leeren Beutel in der Hand dastand. Kimihiro, wie er auf einem großen Vogel nach Hause flog. Kimihiro, wie er mit den Fäusten auf die Erde trommelte, während Junko Itoe mit ihren Vermutungen konfrontierte. Kimihiro, der vergeblich versuchte, Junko mit einer Illusion zu fesseln. Kimihiro, der zurück ins Zelt der schüchternen Ayame kroch und fieberhaft irgendwelche Substanzen zusammenmischte, in der Hoffnung, am Ende käme ein Schlaftrunk für die Chuunin dabei heraus.
Ein einzelnes, winziges Schimmern unter all diesen Abermillionen Ideen stach plötzlich unangenehm klar heraus. Es war anders, basierte nicht auf Lüge, nicht auf Schweigen und nicht auf Gewalt. Allerdings bildete es auch nicht wie einige andere die eine Wahrheit ab, sondern einfach nur eine von vielen, die noch dazu als Antwort für Junkos Frage vollkommen legitim war.
Kimihiro seufzte. All diese Denkerei für ein einziges Wort. Da soll nochmal einer sagen, diese ganze graue Masse in den Köpfen der Menschen wäre zu irgendetwas nütze.
Hast du nun endlich herausgefunden, ob du nun in Itoe verliebt bist oder nicht?
„Nein.“
Kimihiro schaute noch immer zu Boden, während er das einzelne Wort aussprach. Seine Stimme war fest, zumindest so fest, wie es an diesem Tag noch möglich war. Der Künstler ließ die Arme hängen, verschränkte sie dann vor der Brust, und blickte auf, doch nicht ins Gesicht der Chuunin, sondern in Richtung des Weges, auf dem sie zu dem Zelt der alten Hexe gekommen waren. In einiger Entfernung sah er das Schild, das er zuvor aufgestellt hatte. Dieses einfache, zehnfach verfluchte Ding aus billigem Sperrholz. Mittlerweile war der Künstler sicherlich stark genug, dieses blöde Ding mit einem Schlag zu zertrümmern. Hoffte er zumindest.
„Nein, habe ich nicht. Können wir jetzt weiter?“
Und doch, und doch… das Bild, wie das ganze Zeug auf einen Schlag auf Junkos zarter Haut landete, wollte Kimihiro einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, nachdem sich die Chuunin erneut zu Wort gemeldet hatte.
Im ersten Moment völlig baff, dass das Mädchen das Thema einfach nicht ruhen lassen wollte, fiel seine Reaktion doch schon wesentlich weniger extrem als bei den bisherigen Fragen aus. Statt einem beschämten Stutzen, einem Wutausbruch oder einem spontanen Schwächeanfall konnte die Chuunin, wenn sie ihren Kollegen gut beobachtete, lediglich mit ansehen, wie sich seine Zähne gewaltsam in seine Unterlippe bohrten. Dieses Mal würde es keinen Ausbruch geben, nicht noch einmal. Nicht schonwieder. Langsam wurde es… langweilig. Immer wieder dieselbe Frage. Das wievielte Mal war es nun? Das vierte? Erst der Kommentar vor dem Zeltbesuch, dann in dem verrauchten Schuppen, dann Junkos Nachfrage nach „dem Problem“, und jetzt diese verschärfte Version. Nein, nun war endgültig Schluss mit der Überraschung. Davon wollte sich Kimihiro zumindest vor allem anderen selbst überzeugen: Die Sache musste jetzt einfach ein Ende haben, wenn er seine Ruhe haben wollte.
Um seiner Leiterin nicht blindlings die erstbesten Worte entgegen zuschleudern, stemmte er zuerst lediglich die Hände in die Hüften. Sein Blick ging nach links, die Augen rollten, dann kippte der gesamte Kopf nach vorn. Nervös leckte sich Kimihiro über die Lippen und schmeckte dabei zu seiner eigenen Überraschung einen Hauch von Eisen auf der Zunge. Blut? Und wenn schon, das war jetzt und hier nicht sein größtes Problem. Den Blick auf den schlammigen Boden gerichtet konzentrierte er sich auf seine umherirrenden Gedanken.
Wie kam er aus dieser Sache nun raus? Etwas anderes wollte er schließlich nicht. Das Thema war durchgekaut. Verbraucht. Wie ein unangenehmer Spitzname, der einem zu oft an den Kopf geworfen wurde, oder eine längst verheilte Wunde, von der nur noch eine Narbe zurückblieb. Der größte Schmerz war vergangen, doch es pochte noch immer unter der Oberfläche, pochte und pochte und pochte. Und dieses ständige Pochen wurde zu einer ständigen Belastung, wenn man sich nicht ganz davon befreien konnte. Und darauf konnte der Künstler wahrlich gut verzichten. Doch wie wurde er Junko und dieses leidige Thema nur los?
Es gab viele Varianten, nur fehlte Kimihiro zu vielen der Mut. Das einfachste wäre gewesen, sich die ganze Sache selbst geschwind einzugestehen, zu Itoe zu rennen, und sich ihr mit einem kitschigen Plastikring vor die Füße zu werfen. Damit wäre die Frage wirklich mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Warum diese Möglichkeit allerdings flachviel war klar: Woher sollte der Künstler auf die Schnelle einen Plastikring herbekommen? Blieb noch die weniger theatralische Variante: Eingestehen und einfach Junko die Wahrheit an den Kopf werfen. Komponente Nummer zwei war machbar, Nummer eins… weniger. Was dann?
*Juckpulver!*
Außer Juckpulver? Schweigen? Reden war immerhin nur Silber, wie man sagte, warum also nicht die Gold-Variante ausprobieren? Andererseits würde sich Junko damit sicherlich nicht zufriedengeben. Ganz bestimmt nicht. Aber wenn die Wahrheit nicht infrage kam, und Schweigen auch nicht, dann blieben nur noch Lügen übrig. Lügen und Gewalt. Aber da Junko von Natur aus eine widerlich intelligente wie effiziente Kunoichi war fielen beide Varianten flach. Womit man wieder bei der Wahrheit und Schweigen war. Oh, und „wirres Zeug reden“, das wäre auch noch eine Möglichkeit. Der gegenüber Schweigen allerdings deutlich attraktiver erschien. Und Schweigen konnte er doch auch besser als reden, denn immerhin konnte man sich gar nicht so ver-schweigen, wie man sich verquasseln konnte.
Unter diesen vier Hauptmöglichkeiten schimmerten immer mal wieder kleine Ideen auf. Viele zeigten sich in Form kleiner Bilder: Kimihiro, wie er allein und grinsend mit einem leeren Beutel in der Hand dastand. Kimihiro, wie er auf einem großen Vogel nach Hause flog. Kimihiro, wie er mit den Fäusten auf die Erde trommelte, während Junko Itoe mit ihren Vermutungen konfrontierte. Kimihiro, der vergeblich versuchte, Junko mit einer Illusion zu fesseln. Kimihiro, der zurück ins Zelt der schüchternen Ayame kroch und fieberhaft irgendwelche Substanzen zusammenmischte, in der Hoffnung, am Ende käme ein Schlaftrunk für die Chuunin dabei heraus.
Ein einzelnes, winziges Schimmern unter all diesen Abermillionen Ideen stach plötzlich unangenehm klar heraus. Es war anders, basierte nicht auf Lüge, nicht auf Schweigen und nicht auf Gewalt. Allerdings bildete es auch nicht wie einige andere die eine Wahrheit ab, sondern einfach nur eine von vielen, die noch dazu als Antwort für Junkos Frage vollkommen legitim war.
Kimihiro seufzte. All diese Denkerei für ein einziges Wort. Da soll nochmal einer sagen, diese ganze graue Masse in den Köpfen der Menschen wäre zu irgendetwas nütze.
Hast du nun endlich herausgefunden, ob du nun in Itoe verliebt bist oder nicht?
„Nein.“
Kimihiro schaute noch immer zu Boden, während er das einzelne Wort aussprach. Seine Stimme war fest, zumindest so fest, wie es an diesem Tag noch möglich war. Der Künstler ließ die Arme hängen, verschränkte sie dann vor der Brust, und blickte auf, doch nicht ins Gesicht der Chuunin, sondern in Richtung des Weges, auf dem sie zu dem Zelt der alten Hexe gekommen waren. In einiger Entfernung sah er das Schild, das er zuvor aufgestellt hatte. Dieses einfache, zehnfach verfluchte Ding aus billigem Sperrholz. Mittlerweile war der Künstler sicherlich stark genug, dieses blöde Ding mit einem Schlag zu zertrümmern. Hoffte er zumindest.
„Nein, habe ich nicht. Können wir jetzt weiter?“
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